OGH 1Ob77/68

OGH1Ob77/684.4.1968

SZ 41/40

Normen

WechselG Art1
WechselG Art3
WechselG Art17
WechselG Art1
WechselG Art3
WechselG Art17

 

Spruch:

Ein Wechsel, in dem Akzeptant und Remittent ident sind, ist gültig.

Zu Art. 17 WG.

Entscheidung vom 4. April 1968, 1 Ob 77/68.

1. Instanz: Landesgericht Linz; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz.

Text

Das Erstgericht bewilligte den von der Klägerin als Wechselinhaberin gegen die Beklagte als Akzeptantin auf Grund des Wechsels vom 11. Mai 1966 beantragten Wechselzahlungsauftrag über 44.132.16 S s. A. In seinen Einwendungen behauptete die Beklagte, der Wechsel vom 11. Mai 1966 sei ungültig, weil darin im Zeitpunkt seiner Ausstellung und des Akzeptes seitens der beklagten Partei Akzeptant und Remittent dieselbe Person gewesen sei. Der Wechsel habe durch die nachträgliche Berichtigung seitens der Klägerin keine Gültigkeit erlangen können. Im übrigen sei der gegenständliche Wechsel vor seiner Berichtigung eingeklagt worden, die Klage sei aber nach Erhebung von Einwendungen ohne Zustimmung der beklagten Partei zurückgezogen worden. Das der Wechselverpflichtung zugrunde liegende Geschäft sei aufschiebend bedingt geschlossen worden, die Bedingung sei aber nicht eingetreten. Davon habe die Klägerin schon beim Erwerb des Wechsels Kenntnis gehabt.

Das Erstgericht hielt den Wechselzahlungsauftrag aufrecht und verurteilte die Beklagte, der Klägerin 38.792.16 s. A. zu bezahlen.

Seiner Entscheidung liegen folgende Feststellungen zugrunde:

Der Holzkaufmann Jakob M. habe der beklagten Partei mit dem Vertrag vom 10. Mai 1966 zirka 450 fm Fichten- und Tannenrundholz verkauft. Der Vertrag sei unter der ausdrücklichen Bedingung geschlossen worden, daß er erst mit der Schlägerungserlaubnis des Grundbesitzers Rudolf R. und der zuständigen Behörden wirksam werde. Zur Berichtigung des Kaufpreises habe Josef B. den klagsgegenständlichen Wechsel über 175.000 S akzeptiert und ihn dem Aussteller Jakob M. übergeben. Das Wechselformular habe die Schwester des Beklagten nach dessen Anweisung ausgefüllt. Sie habe in der Remittentenspalte irrtümlich das Wort "Bezogener" eingesetzt. Dies sei weder Jakob M. noch Josef B. aufgefallen. Das von M. dem Beklagten verkaufte Holz hätte in einem Waldgrundstück geschlägert werden sollen, das M. von Rudolf R. um den Preis von 300.000 S erwerben wollte. M. habe beabsichtigt, den Kaufpreis aus dem Eskonterlös des vom Beklagten akzeptierten Wechsels sowie aus dem Erlös zweier weiterer Wertpapiere aufzubringen. M. habe am 15. oder 16. Mai 1966 sämtliche Wechsel der Klägerin zum Eskont eingereicht. Er habe dem Leiter der Wechselabteilung erzählt, daß er ein Waldgrundstück gekauft habe und den Eskonterlös zur Bezahlung des Kaufpreises benötige. M. habe weder den Holzverkaufvertrag bei der Klägerin vorgewiesen noch angedeutet, daß es mit dem Kauf des Grundstückes bzw. der Bezahlung des Kaufpreises Schwierigkeiten geben könne. Die Klägerin habe den klagsgegenständlichen Wechsel am 18. Mai 1966 eskontiert und M. habe den Eskontbetrag in Empfang genommen. Die Eskontierung der beiden anderen Papiere habe die Klägerin in der Folge abgelehnt, weil die eingeholten Auskünfte ungünstig ausgefallen seien. Da M. den Kaufpreis nun nicht zustande gebracht habe, habe sich das Geschäft mit R. zerschlagen und M. sei nicht in der Lage gewesen, die vereinbarte Holzlieferung an den Beklagten auszuführen. Ungefähr zwei Wochen vor dem Verfallstag des Wechsels habe M. gegenüber dem Leiter der Wechselabteilung erklärt, daß er den Wechsel selbst einlösen werde. Der Beklagte habe am 1. August 1966 gegen M. die Strafanzeige wegen Betrugs erstattet. Im Zuge der Erhebungen habe die Erhebungsabteilung beim Landesgendarmeriekommando für Oberösterreich bei der Klägerin schriftlich angefragt, ob M. den Wechsel eingelöst habe. In der Anfrage sei mitgeteilt worden, daß gegen M. im Auftrage der Staatsanwaltschaft Erhebungen geführt worden seien und M. versichert habe, den Wechsel zeitgerecht einzulösen. Die klagende Partei habe geantwortet, daß nach einer Teilzahlung M.s in der Höhe von 130.854.84 S der Betrag von 44.132.16 S offen sei.

In rechtlicher Beziehung führte das Erstgericht aus, daß die Identität zwischen dem Bezogenen und dem Remittenten der formellen Gültigkeit des Wechsels nicht entgegenstehe. Aber selbst bei Annahme der Ungültigkeit des Wechsels in der ursprünglichen Form sei jedenfalls seine Gültigkeit in der nunmehrigen Form gegeben. Nach dem Willen des Beklagten sei M. als Remittent vorgesehen gewesen und nach dem auch im Wechselrecht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben könne sich die Beklagte nicht von ihrer durch die Wechselannahme eingegangenen Verpflichtung durch Einwendung der einseitigen Änderung des Wechsels, der die Replik der sittenwidrigen Rechtsausübung entgegenstehe, befreien. Die Einrede der entschiedenen Streitsache sei nicht stichhältig, weil die Nämlichkeit des Anspruches im früheren Verfahren und im gegenständlichen nicht zutreffe. Den Einwendungen aus dem Grundgeschäft komme keine Bedeutung zu, weil die schon für den Zeitpunkt der Eskontierung behauptete Kenntnis der Klägerin von Einzelheiten dieses Geschäftes und von der betrügerischen Verwendung des Wechsels durch M. durch das Beweisverfahren widerlegt worden sei.

Das Berufungsgericht hob den Wechselzahlungsauftrag auf und wies den Antrag der Klägerin, den Wechselzahlungsauftrag zu erlassen, ab. Das Berufungsgericht folgte den Feststellungen des Erstgerichtes. In rechtlicher Beziehung teilte es dessen Meinung, daß die Rücknahme des Antrags auf Erlassung des Wechselzahlungsauftrags im Vorprozeß nicht den gegenständlichen Wechselprozeß präjudiziere. Es sei auch zulässig, daß der Aussteller des Wechsels als Remittent und als Bezogenen dieselbe Person bezeichne. Hingegen sei der Wechsel schon in der ursprünglichen Form nach der Ausstellung deshalb ungültig gewesen, weil er nicht den Namen des Bezogenen enthalten hätte. Da aber im vorliegenden Verfahren von dem durch die nachträgliche Berichtigung geänderten Wechselbild auszugehen sei, habe die ursprüngliche Unterlassung der Anführung des Namens des Bezogenen keine Bedeutung mehr, abgesehen davon, daß dieser die ursprüngliche Ungültigkeit des Wechsels bewirkende Mangel vom Beklagten nicht eingewendet worden sei. Es sei auch der weitere formelle Mangel des Wechsels in der ursprünglichen Form nicht ausdrücklich eingewendet worden, daß er nicht von dem Bezogenen, sondern vom Aussteller Jakob M. indossiert worden sei. Die Klägerin habe daher aus dem Wechsel Rechte erst im Zeitpunkte seiner Richtigstellung erworben. Damals seien ihr aber aus den Einwendungen im Vorprozeß schon sämtliche Einwendungen des Beklagten aus dem Grundgeschäft bekannt gewesen. Die vom Rechtsanwalt der Klägerin mit Zustimmung M.s an der Wechselurkunde nachträglich vorgenommenen Änderungen hätten, wie sich bereits aus dem Schriftbild des Wechsels ergebe, darin bestanden, daß an Stelle des Wortes "Bezogenen" der Name "Jakob M."

als Remittent beigesetzt, als Name und Adresse des Bezogenen "Fa. Josef B., Sägewerk, O." eingefügt und bei der Unterschrift des Ausstellers dessen Name und Anschrift "Jakob M., A.-gasse 2. H."

darübergeschrieben worden sei. Der Wechsel sei erst durch die nachträgliche Änderung gültig geworden. Er sei vorher ein fehlerhafter Wechsel gewesen, der, wiewohl versehentlich, unvollständig ausgefüllt worden sei und daher formal ungültig gewesen sei. Der Wechselnehmer M. und dessen Nachfolger, die Klägerin, hätten ein einseitiges Ausfüllungsrecht nicht erlangt. Zur Wirksamkeit der Änderung des Wechselinhaltes hätte es der Zustimmung aller Beteiligten, also auch des Beklagten, bedurft. Dessen Genehmigung sei aber nicht eingeholt worden. Selbst wenn davon auszugehen wäre, daß die von der Klägerin vorgenommene Änderung wirksam sei, so wäre doch die Klägerin im Zeitpunkt des Erwerbes des Wechsels nicht mehr gutgläubig gewesen. Sie hätte aus dem Einlangen der Gendarmerieanfrage Bedenken gegen das Wechselgeschäft haben müssen, es seien ihr auch die Einreden des Beklagten aus dem Grundgeschäft durch den Vorprozeß bekannt gewesen. Sie sei daher im Zeitpunkt der Änderung des Wechsels und damit des Erwerbes im Sinne des Art. 17 WG. nicht mehr gutgläubig gewesen.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Untergerichte sind mit Recht der in älteren Entscheidungen (2. März 1886, Czel 436, 16. Juni 1897, Czel 759, 5. November 1902, Czel

843) vertretenen Auffassung, wonach ein Wechsel ungültig sei, in dem als Akzeptant und Remittent dieselbe Person erscheint, nicht gefolgt. Diese Ansicht wurde schon in ZBl. 1904 Nr. 113, worin auch die Entscheidung vom 5. November 1902 veröffentlicht wurde, unter Berufung auf Grünhut abgelehnt. Dieser erklärt (Lehrbuch des Wechselrechts S. 71), wenn der Bezogene und Remittent akzeptiert und den Wechsel nicht giriert, so erwirbt niemand ein Wechselrecht aus diesem an sich gültigen Wechsel, da der Bezogene zugleich Gläubiger und Schuldner ist; anders aber, wenn der Bezogene nicht akzeptiert oder wenn er, nachdem er akzeptiert hat, giriert.

Folgt man diesen Ausführungen Grünhuts, dann war es im vorliegenden Falle mangels Girierung des Wechsels durch den Akzeptanten - die Girierung durch den Aussteller war wirkungslos, weil das erste Indossament vom Wechselnehmer stammen muß - nicht zur Übertragung des Wechselrechtes an die klagende Partei gekommen. Die nachträgliche Einfügung des Namens des Ausstellers in die Remittentenspalte sowie die Streichung des Wortes "Bezogenen" konnte sich sicherlich nicht auf eine Ermächtigung des Bezogenen stützen. Es wurde jedoch damit nur der der ursprünglichen Vereinbarung zwischen Aussteller und Bezogenem entsprechende Zustand hergestellt. Der Einwendung der Wechselfälschung durch den Beklagten steht die Replik der sittenwidrigen Rechtsausübung entgegen (RiZ. 1956 S. 13, Baumbach - Hefermehl, Wechselgesetz und Scheckgesetz[9] S. 71 und 245). Die Klägerin hätte aber, als sie den Wechsel zum Eskont hereinnahm, leicht erkennen können, daß sie durch das Indossament des Ausstellers kein Wechselrecht erworben habe, weil sie ja wußte, daß ihr das Wechselrecht durch dieses Indossament und nicht durch das des ersten Wechselnehmers, als welcher der Bezogene anzusehen war, übertragen werden sollte. Sie muß sich also gefallen lassen, daß ihr im Rahmen des Art. 17 WG. vom Beklagten alles das eingewendet werden kann, was ihr von den unmittelbaren Beziehungen des Beklagten zum Aussteller im Zeitpunkt der Änderung des Wechsels bekannt war. Nach der jüngeren Rechtsprechung, die sich hierin der Rechtsansicht Stanzls (Wechsel-, Scheck- und sonstiges Wertpapierrecht S. 58 ff.) angeschlossen hat, können Einwendungen nach Art. 17 WG., die sich auf unmittelbare Beziehungen zu einem Vormann grunden, grundsätzlich nicht entgegengesetzt werden; solche Einreden sind nur zulässig, wenn sie der Inhaber beim Erwerb des Wechsels gekannt hat oder kennen mußte und wenn er wußte, daß der Schuldner durch seinen einredefreien Wechselerwerb geschädigt wird (vgl. JBl. 1960 S. 20, EvBl. 1966 Nr. 403). Die Klägerin hat nun gewußt, daß das Grundgeschäft, der zwischen M. und dem Beklagten geschlossene Holzkaufvertrag vom 10. Mai 1966, durch die Genehmigung der Schlägerung durch den Eigentümer des Waldes und die zuständige Forstbehörde bedingt war, diese Genehmigung nicht erteilt und schon eine Betrugsanzeige des Beklagten gegen M. wegen der Verwendung des Wechsels zu Kreditzwecken zu Erhebungen der Gendarmerie geführt hatte. Daraus mußte aber die Klägerin wissen, daß der Beklagte durch ihren einredefreien Erwerb geschädigt werde. M. ist inzwischen insolvent geworden, womit die Klägerin nach Kenntnis der Erstattung einer Betrugsanzeige gegen ihn schon rechnen mußte. Es steht daher fest, daß die Klägerin bei Erwerb des Wechselrechtes bewußt zum Nachteile der beklagten Partei gehandelt hat (Art. 17 WG.).

Die Revision muß aus diesen Gründen erfolglos bleiben.

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