OGH 1Ob268/67

OGH1Ob268/6721.12.1967

SZ 40/171

Normen

ABGB §830
Mietrechtsänderungsgesetz 1967 §§1 ff
ABGB §830
Mietrechtsänderungsgesetz 1967 §§1 ff

 

Spruch:

Bevorstehende Änderungen des Mietenrechtes können die Aufhebung der Gemeinschaft des Eigentums an Mietwohnhäusern durch Zivilteilung gemäß § 830 ABGB. unzeitgemäß erscheinen lassen.

Entscheidung vom 21. Dezember 1967, 1 Ob 268/67.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Ob der Liegenschaft EZ. X. mit dem Haus Nr. 53 ist das Eigentumsrecht für den Kläger und den Beklagten je zur Hälfte einverleibt.

Mit der vorliegenden, seit 13. Februar 1966 anhängigen Klage begehrte der Kläger die Aufhebung dieser Eigentumsgemeinschaft durch gerichtliche Feilbietung.

Der Beklagte wendete u. a. ein, das Klagebegehren sei deshalb zur Unzeit gestellt, weil im Zusammenhang mit der unmittelbar bevorstehenden gesetzlichen Neuregelung des Mietrechtes (Mietrechtsänderungsgesetz) der Verkehrswert des Hauses in absehbarer Zeit steigen werde.

Das Erstgericht gab mit Urteil vom 17. Mai 1967 dem Teilungsbegehren statt und ging dabei von folgenden Feststellungen aus: Das im Jahre 1905 errichtete Haus enthalte neben einem im Souterrain gelegenen Geschäftslokal (Werkstättenraum) nur Klein- und Mittelwohnungen; auf die mit den einzelnen Mietern abgeschlossenen Bestandverträge finden die Bestimmungen des Mietengesetzes Anwendung. Eine Erhöhung der Mietzinse für das vorhandene Geschäftslokal vermöge die Ertragslage der Liegenschaft nicht fühlbar zu verbessern.

Eine Steigerung des Verkehrswertes der Liegenschaft sei nicht voraussehbar, weil nicht feststehe, ob in absehbarer Zeit Wohnungen im Hause frei werden.

In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Auffassung, daß die geplanten Änderungen auf dem Gebiete des Mietrechtes keine Wertsteigerung der Liegenschaft erwarten ließen, sodaß dem Teilungsbegehren des Klägers nicht mit Grund Unzeit entgegengehalten werden könne.

Das Berufungsgericht bestätigte und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 15.000 S übersteige.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten Folge und änderte das angefochtene Urteil dahin ab, daß das Klagebegehren kostenpflichtig abgewiesen wurde.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Das Schicksal des Klagebegehrens hängt ausschließlich von der Beantwortung der Frage ab, ob das der Allgemeinheit in seinen Grundzügen bei Schluß der Verhandlung erster Instanz (17. Mai 1967) bereits bekannte, am 4. August 1967 im Bundesgesetzblatt kundgemachte und mit 1. Jänner 1968 in Kraft tretende Bundesgesetz vom 30. Juni 1967 über die Änderung mietrechtlicher Vorschriften (BGBl. Nr. 281/1967) ein Ansteigen des Verkehrswertes von Mietwohnhäusern - diesfalls handelt es sich um ein solches mit 16 Klein- und Mittelwohnungen und einem Geschäftslokal, jedoch ohne freiwerdende Hauseigentümerwohnung - erwarten läßt. Die Vorinstanzen haben diese Frage und gleichzeitig auch die in das Gebiet der rechtlichen Beurteilung fallende Frage, ob das Teilungsbegehren zur Unzeit gestellt worden sei (ZBl. 1918 Nr. 58) verneint, das Berufungsgericht im wesentlichen mit der Begründung, daß sich der nach der gesetzlichen Neuregelung des Mietrechtes für das vorhandene Geschäftslokal zu entrichtende Bestandzins auf die Ertragslage der Liegenschaft nur geringfügig auswirken werde und nach den Feststellungen des Erstgerichtes keine Aussicht bestehe, daß im Haus in absehbarer Zeit Wohnungen frei werden, die sodann Gegenstand freier Zinsvereinbarungen sein könnten (§ 16 (1) Z. 1 und 2 MietG. in der Fassung des Mietrechtsänderungsgesetzes, BGBl. Nr. 281/1967).

Dieser Argumentation kann nicht beigetreten werden. Sie erkennt zwar richtig, daß im Mietrechtsänderungsgesetz eine Anhebung der Mietzinse für Geschäftsräumlichkeiten normiert und - unter bestimmten Voraussetzungen - bei einer Neuvermietung nach dem 31.

Dezember 1967 eine freie Zinsvereinbarung zwischen dem Vermieter und

dem Mieter für zulässig erklärt worden ist (§§ 2 (1) lit. a und 16

(1) MietG.), übergeht jedoch eine Anzahl weiterer Bestimmungen, die

geeignet sind, den vom Beklagten eingenommenen Rechtsstandpunkt, daß

mit einer Steigerung des Verkehrswertes von Mietwohnhäusern in naher

Zukunft zu rechnen und deshalb das Teilungsbegehren zur Unzeit

erhoben worden sei, zu stützen. Dazu gehören zunächst die in das

Mietengesetz neu eingefügten Bestimmungen über a) den Ersatz der

Auslagen für die Verwaltung des Hauses durch den Mieter als

Betriebskostenpost (§ 2 (2) Z. 7 MietG.), b) die Möglichkeit der

Erhöhung des Hauptmietzinses zur Durchführung notwendiger

Erhaltungsarbeiten nach § 7 MietG. für den Fall der Zustimmung von

zwei Dritteln der Mieter - berechnet nach der Zahl der im Zeitpunkt

der Vereinbarung vermieteten Mietgegenstände - des Hauses unter

Bindung aller übrigen Mieter des Hauses an einer derartige

Vereinbarung (§ 7 (1) MietG.) und c) die Möglichkeit des Vermieters,

auf die Einhaltung eines vertraglich festgelegten Verbotes der

Untervermietung zu dringen, wenn... der in Aussicht genommene

Untermietzins den vom Mieter zu entrichtenden Hauptmietzins

übersteigt, wenn die Anzahl der Bewohner die Anzahl der Wohnräume

des Mietgegenstandes übersteigt oder... (§ 18a MietG.). Überdies

ließ das Berufungsgericht unberücksichtigt, daß nach dem Mietrechtsänderungsgesetz die Kündigungsbeschränkungen eine Lockerung erfahren haben oder - anders ausgedrückt - die Kündigungsmöglichkeiten des Vermieters erweitert worden sind, wobei in diesem Zusammenhang nicht nur auf die geänderte Bestimmung des § 19 (2) Z. 13 MietG., sondern auch auf die neu in das Mietengesetz eingebauten Kündigungsgrunde nach § 19 (2) Z. 14 und 15 verwiesen werden muß. Das auf gerichtliche Feilbietung lautende Klagebegehren macht auch die Bedeutung der Neufassung des § 19 (3) MietG. für den vorliegenden Rechtsstreit augenscheinlich, demzufolge ein neuer Erwerber - wenn auch erst nach Ablauf von 10 Jahren - im Gegensatz zur bisherigen Gesetzeslage den Kündigungsgrund des Eigenbedarfes nach § 19 (2) Z. 5 MietG. geltend machen kann. Es handelt sich hierbei wiederum um eine Ausdehnung der Kündigungsmöglichkeiten des Vermieters, die gerade bei einer Veräußerung eines Mietwohnhauses ohne beziehbare Hauseigentümerwohnung geeignet erscheint, den Kreis der vorhandenen Kaufinteressenten zu vergrößern und damit gleichfalls als preiserhöhender Faktor zu wirken.

Eine Würdigung der aufgezeigten, für eine Wertsteigerung der zu teilenden Liegenschaft in Betracht kommenden Umstände in ihrer Gesamtheit läßt - im Gegensatz zur Auffassung der Vorinstanzen - mit Grund erwarten, daß die am 1. Jänner 1968 in Kraft tretenden gesetzlichen Änderungen auf dem Gebiete des Mietrechtes, die sich im Sinne der vorstehenden Ausführungen nicht allein auf Fragen der Zinsbildung beschränken, sondern auch eine gewisse Einengung des dem Mieter bisher zukommenden Kündigungsschutzes bringen werden, die Nachfrage nach Mietwohnhäusern, gleichviel ob diese über freie oder in absehbarer Zeit freiwerdende Wohnungen verfügen oder nicht, beleben und zu einer Werterhöhung derartiger Objekte beitragen werden. Die gutächtlichen Äußerungen des vernommenen Sachverständigen über die auf dem Realitätenmarkt seit dem Jahre 1966 zu beobachtende abwartende Haltung bei der Veräußerung mittelgroßer Häuser unterstreichen die Berechtigung dieser sich auf die Preisentwicklung beziehenden Prognose, ist ihnen doch zu entnehmen, daß der Beginn dieses offenbar von wirtschaftlichen Erwägungen geleiteten Zuwartens zeitlich mit der konkrete Formen annehmenden parlamentarischen Behandlung mietrechtlicher Bestimmungen zusammenfiel.

Die beschriebene, auf den Inhalt des Mietrechtsänderungsgesetzes gegrundete Aussicht auf eine Werterhöhung der im gemeinsamen Eigentum der Parteien stehenden Liegenschaft in absehbarer Zeit zeigt, daß die Aufhebung der Gemeinschaft des Eigentums zur Unzeit erfolgen würde (Ehrenzweig II/1, Das Recht der Schuldverhältnisse, § 421, S. 752; Klang[2] III 1099; JBl. 1955 S. 120).

Unter den obwaltenden Umständen ist auch dem Kläger in dessen eigenem Interesse ein Aufschub der angestrebten Teilung zuzumuten, und zwar so lange, bis sich die zu erwartende und mit dem Mietrechtsänderungsgesetz zusammenhängende Entwicklung der Preise für Mietwohnhäuser mittlerer Größe mit einer im Geschäftsverkehr hinlänglichen Sicherheit überschauen lassen wird.

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