OGH 2Ob333/67 (2Ob332/67)

OGH2Ob333/67 (2Ob332/67)23.11.1967

SZ 40/151

Normen

ABGB §1497
ABGB §1497

 

Spruch:

Gehörige Fortsetzung der Klage, wenn die Parteien einverständlich den Ausgang eines Vorprozesses abwarten wollen.

Entscheidung vom 23. November 1967, 2 Ob 332, 333/67.

I. Instanz Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Mit der am 10. September 1964 eingebrachten Klage hat der Kläger Schadenersatzansprüche gegen die Beklagten mit der Behauptung erhoben, daß der Zweitbeklagte mit einem dem Erstbeklagten gehörigem LKW am 12. Februar 1962 auf der Triester Bundesstraße einen Verkehrsunfall verschuldet habe. Er sei plötzlich, ohne seine Richtungsänderung anzuzeigen, nach links in die Fahrbahn des Klägers gefahren und dort mit diesem zusammengestoßen. Dabei sei der Kraftwagen beschädigt und er schwer verletzt worden. Der Zweitbeklagte sei vom Bezirksgericht rechtskräftig verurteilt worden.

Der Kläger hat die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von 64.774.80 S und die Feststellung begehrt, daß ihm die Beklagten als Fahrzeughalter und Fahrzeuglenker auch die zukünftigen aus diesem Verkehrsunfall entstehenden Schäden zu ersetzen haben.

Die Beklagten haben ein 50%iges Mitverschulden des Klägers eingewendet und behauptet, daß dieser bei Abblendlicht mit einer Geschwindigkeit von zirka 90 km/h und daher nicht auf Sicht gefahren sei. Er habe daher die Vorgänge vor ihm nicht rechtzeitig wahrnehmen und darauf nicht richtig reagieren können. Sie haben die Ansprüche auch der Höhe nach und das Feststellungsbegehren auch dem Gründe nach bestritten.

In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 6. November 1964 hat das Erstgericht einen Beweisbeschluß nur bezüglich der Verletzungen und des Verdienstentganges des Klägers, nicht aber auch bezüglich des Unfallsherganges gefaßt und einen ärztlichen Sachverständigen zugelassen. In der fortgesetzten Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 31. März 1965 hat das Erstgericht den Beweisbeschluß ergänzt und einen Buchsachverständigen zwecks Feststellung des Verdienstentganges des Klägers bestellt. Es hat dem Kläger aufgetragen, binnen 14 Tagen einen weiteren Kostenvorschuß für den ärztlichen Sachverständigen von 400 S und für den neu bestellten Buchsachverständigen von 2000 S zu erlegen. Der Kläger hat den Kostenvorschuß von 400 S am 5. April 1965 erlegt. Daraufhin hat der ärztliche Sachverständige sein Gutachten ergänzt und das Erstgericht hat seine Kosten mit 1200 S bestimmt und aus den Erlägen des Klägers überweisen lassen. In einem Aktenvermerk vom 23. April 1965 hat das Erstgericht festgehalten, daß der Kläger den Kostenvorschuß für den Buchsachverständigen nicht erlegt habe. Am 31. Dezember 1965 hat es angeordnet, daß die Streitsache gemäß § 391 Z. 7 Geo. im Register abgestrichen werde.

Mit dem am 3. März 1963, also zirka zwei Jahre danach, eingebrachten Schriftsatz hat der Kläger den Antrag auf Anberaumung einer Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung und auf neuerliche Untersuchung durch den ärztlichen Sachverständigen gestellt. Er hat diesen Antrag damit begrundet, daß inzwischen der zu 31 Cg.../64 beim Landesgericht für ZRS. Wien anhängig gemachte Vorprozeß rechtskräftig erledigt worden sei. In diesem Prozeß sei das alleinige Verschulden des Beklagten an dem Verkehrsunfall rechtskräftig festgestellt worden. Daraufhin hat das Erstgericht mit Beschluß vom 3. März 1963 das "ruhende" Verfahren fortgesetzt und eine Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung anberaumt. Mit Rücksicht auf den inzwischen eingetretenen Richterwechsel ist die Verhandlung neu durchgeführt worden. Die bisherigen Verhandlungsergebnisse wurden einvernehmlich zu Gründe gelegt. Daraufhin haben die Beklagten mit Rücksicht auf die Entscheidung im Vorprozeß ihren Mitverschuldenseinwand zurückgezogen, haben jedoch Verjährung mit der Begründung eingewendet, daß der Kläger den ihm aufgetragenen Kostenvorschuß für den Buchsachverständigen innerhalb der Frist nicht erlegt habe, dadurch untätig geblieben sei und das Verfahren nicht gehörig fortgesetzt habe.

Das Erstgericht hat daraufhin die Verhandlung geschlossen und mit Urteil das Leistungsbegehren des Klägers abgewiesen, dem Feststellungsbegehren jedoch stattgegeben. Das Erstgericht war der Meinung, daß das Feststellungsbegehren nicht verjähren konnte, daß aber das Leistungsbegehren verjährt sei, weil der Kläger die Klage nicht gehörig fortgesetzt habe. Der Kläger habe keine Umstände dargetan, die seine Untätigkeit im Prozeß gerechtfertigt hätten. Durch diese Untätigkeit sei dem Kläger die durch die Klagserhebung eingetretene Unterbrechung der Verjährung wieder verlorengegangen. Das Feststellungsbegehren sei nach dem Gutachten des medizinischen Sachverständigen gerechtfertigt, weil danach weitere Unfallsfolgen nicht auszuschließen seien.

Das Berufungsgericht hat der Berufung der Beklagten, die auch die Abweisung des Feststellungsbegehrens erreichen wollten, nicht Folge gegeben, der Berufung des Klägers jedoch Folge gegeben. Es hat das erstgerichtliche Urteil bezüglich des Feststellungserkenntnisses als "Teil- und Zwischenurteil" bestätigt, wobei es darauf hingewiesen hat, daß der Kläger die Abweisung eines Schmerzengeldbetrages von 15.000 S unangefochten gelassen habe. Das Berufungsgericht hat jedoch mit Beschluß das erstgerichtliche Urteil, soweit es das Leistungsbegehren von 49.477.80 S abgewiesen hat, aufgehoben und die Rechtssache in diesem Umfang an das Erstgericht unter Beifügung eines Rechtskraftvorbehaltes zurückverwiesen.

Das Berufungsgericht war der Meinung, daß der Verfahrensstillstand in der Zeit vom 31. März 1965 bis 3. März 1967 nicht auf eine Untätigkeit des Klägers zurückzuführen sei, sondern seine Ursache in einer Unterlassung des Erstgerichtes hatte. Wenn auch der Kläger den ihm aufgetragenen Kostenvorschuß für den Buchsachverständigen nicht erlegt habe, so sei kein Grund vorgelegen, das Verfahren nicht fortzusetzen. Die Beweisführung durch den Buchsachverständigen habe sich nur auf den Verdienstentgangsanspruch des Klägers bezogen, nicht aber auf die anderen Ansprüche. Diesbezüglich hätte das Verfahren auch ohne Antrag des Klägers auf jeden Fall fortgesetzt werden müssen. Schließlich habe der Kläger aber auch in seinem Schriftsatz auf die Gründe hingewiesen, warum er sich inzwischen nicht um die Fortsetzung des Verfahrens bemüht hat, nämlich, weil im Sinne aller Parteien die Entscheidung über das Verschulden im Vorprozeß abgewartet werden sollte. Die Ansprüche des Klägers seien daher nicht verjährt.

Die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht mit der Begründung nicht für gerechtfertigt gehalten, daß zwischen den Feststellungsbegehren, die einer Verjährung nicht unterliegen und dem hier in Betracht kommenden Feststellungsbegehren bezüglich der Ersatzpflicht künftiger Schäden ein Unterschied gemacht werden müsse. Gegenüber einem solchen Feststellungsbegehren könnte die Einrede der Verjährung von Bedeutung sein. In diesem Falle aber sei auch eine Verjährung bezüglich des Feststellungsbegehrens nicht gegeben.

Die Beklagten haben gegen das "Teil- und Zwischenurteil", betreffend das Feststellungsbegehren des Klägers, Revision und gegen den Aufhebungsbeschluß Rekurs erhoben. Sie machen den Revisionsgrund nach § 503 Z. 4 ZPO. geltend und beantragen, ihrer Revision Folge zu geben und das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß das Feststellungsbegehren abgewiesen werde. Sie stellen weiter den Antrag, ihrem Rekurs Folge zu geben, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das erstgerichtliche Urteil in seinem das Klagebegehren abweisenden Teil wiederherzustellen.

Der Oberste Gerichtshof gab beiden Rechtsmitteln nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

I. Zum Rekurs:

Im vorliegenden Fall erscheint es zweckmäßig, zuerst den Rekurs der Beklagten in Behandlung zu ziehen, weil damit die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, daß die Leistungsansprüche des Klägers nicht verjährt seien, bekämpft wird und von der Entscheidung dieser Frage auch das Schicksal der Revision abhängt.

Die Beklagten versuchen mit ihren Ausführungen die Auffassung des Erstgerichtes zu stützen, daß die Leistungsansprüche des Klägers verjährt seien. Sie verweisen auf den oben dargelegten Verlauf des Verfahrens und auf das Verhalten des Klägers bezüglich des ihm aufgetragenen Kostenvorschusses. Sie sind der Meinung, daß für das Erstgericht nicht der mindeste Anlaß, geschweige denn gar eine Pflicht bestanden habe, von sich aus früher oder später eine Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung anzuberaumen. Es sei völlig belanglos, ob sich der Kostenvorschuß nur auf den Verdienstentgangsanspruch und nicht auch auf die übrigen Ansprüche des Klägers bezogen habe. Durch die Untätigkeit des Klägers sei ein Prozeßstillstand von zwei Jahren eingetreten. Der Kläger habe die Klage nicht gehörig fortgesetzt.

Diesen Ausführungen kann nicht beigepflichtet werden. Das Berufungsgericht hat bereits die richtige Begründung dafür gegeben, daß die Leistungsansprüche des Klägers nicht verjährt sind. Es würde daher ausreichen, auf diese ausführliche Begründung zu verweisen. Es sei aber noch kurz folgendes dargelegt: Der Kläger hat in seiner Klage mehrere Ansprüche geltend gemacht, nämlich einen Anspruch auf Ersatz der Heilungskosten, auf Schmerzengeld und auf Ersatz seines Verdienstentganges. Bezüglich des Heilungskosten- und Schmerzengeldanspruches war die Sache nach der Tagsatzung vom 31. März 1965 jedenfalls entscheidungsreif. Nur bezüglich des Verdienstentgangsanspruches hat sich der Kläger auf den Beweis durch Buchsachverständigen berufen und das Erstgericht hat diesen Beweis zugelassen. Der dem Kläger aufgetragene Kostenvorschuß hat sich somit nur auf diese Beweisführung bezogen. Es kann daher überhaupt nur die Frage sein, ob der Kläger das Verfahren bezüglich dieses Anspruches nicht gehörig fortgesetzt hat. Jedenfalls hat für das Gericht kein Anlaß bestanden, einen Verfahrensstillstand eintreten zu lassen und schon gar nicht kann man von einem "ruhenden" Verfahren sprechen, wie es das Erstgericht in seinem Beschluß vom 3. März 1967 getan hat. Die Parteien haben eine Vereinbarung im Sinne des § 168 ZPO. nicht getroffen. Aus der Tatsache, daß bis zu diesem Zeitpunkt (31. März 1965) vom Erstgericht noch überhaupt kein Beweisbeschluß über den Unfallshergang gefaßt worden ist, ist der Schluß zu ziehen, daß nicht nur das Gericht, sondern auch die Parteien den Ausgang des Vorprozesses abwarten wollten, der zwar nicht zwischen denselben Parteien, aber zwischen der Firma S. Ges. m. b. H. und dem Beklagten geführt worden ist, wobei jedoch der Kläger Gesellschafter und Geschäftsführer dieser Firma ist und daher die Entscheidung über die Verschuldensfrage auch für diesen Prozeß ausschlaggebend sein konnte. Die Beklagten haben ja auch nach der Entscheidung im Vorprozeß ihren Verschuldenseinwand in diesem Verfahren zurückgezogen, wodurch eine wesentliche Verkürzung des Verfahrens eingetreten ist. Gerade aus diesem Verhalten der Beklagten ergibt sich aber die Richtigkeit der oben dargelegten Auffassung, daß die Parteien beabsichtigten, dieses Verfahren erst nach Beendigung des Vorprozesses fortzusetzen. Wenn daher der Kläger auch den Kostenvorschuß für den Buchsachverständigen nicht erlegt hat, so kann daraus bei der gegebenen Sachlage nicht angenommen werden, daß der Kläger die Klage nicht gehörig fortgesetzt hat. Wenn der Kläger nach Zustellung des Urteiles im Vorprozeß noch einige Zeit verstreichen ließ und erst dann den Antrag auf Anberaumung einer weiteren Tagsatzung stellte, so kann ihm dies nicht zum Nachteil gereichen, weil er damit rechnen konnte, daß das Erstgericht den Prozeß von sich aus fortsetzen werde.

Es ist daher die Ansicht des Berufungsgerichtes richtig, daß sämtliche Ansprüche des Klägers noch nicht verjährt sind. Damit erweist sich der Aufhebungsbeschluß als gerechtfertigt, weshalb dem Rekurs kein Erfolg beschieden sein kann.

II. Zur Revision:

Mit diesem Rechtsmittel wenden sich die Beklagten gegen die Ansicht des Berufungsgerichtes, daß das Erstgericht mit Recht dem Feststellungsbegehren des Klägers stattgegeben habe. Nach ihren eigenen Ausführungen sind sie selbst der Meinung, daß eine Verjährung des Feststellungsbegehrens des Klägers nur anzunehmen wäre, wenn eine nicht gehörige Fortsetzung des Prozesses durch den Kläger gegeben wäre. Wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt, ist dies nicht der Fall. Damit ist auch der Revision die Grundlage entzogen.

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