OGH 8Ob308/67

OGH8Ob308/677.11.1967

SZ 40/140

Normen

ZPO §104
ZPO §106
ZPO §104
ZPO §106

 

Spruch:

Die Zustellung durch Hinterlegung an den Beklagten ist wirksam erfolgt, wenn sie zwar nicht an der vom Kläger unrichtig angegebenen Anschrift, aber an dem dem Postamt (Postzusteller) bekannten Wohnort des Beklagten vorgenommen wurde.

Entscheidung vom 7. November 1967, 8 Ob 308/67.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Die Beklagten sind spätestens im September 1966 aus dem Hause M., R.-Gasse 24, in das Haus M., R.-Gasse 18, umgezogen. Beide Häuser liegen im gleichen Postzustellbezirk. Die polizeiliche Ummeldung erfolgte erst am 21. Februar 1967. Auf dem Meldezettel hat der Erstbeklagte vermerkt, der Wohnungswechsel habe schon am 12. August 1966 stattgefunden. Den Postzustellern dieses Zustellbezirkes war die neue Wohnung der Beklagten bekannt. Der Zusteller Wolfgang H. hinterließ, ungeachtet dessen, daß das Schriftstück mit der Klage und der Ladung zur ersten Tagsatzung vom 3o. November 1966 an die frühere Wohnung R.-Gasse 24, gerichtet war, den Beklagten, die von ihm in der Wohnung R.-Gasse 18 nicht angetroffen wurden, die Aufforderung, am folgenden Tag zur Empfangnahme anwesend zu sein. Da die in den Postkasten der Beklagten geworfene Aufforderung unbeachtet blieb, hinterlegte der Briefträger am 18. November 1966 die Gerichtsbriefe beim Postamt M. und warf die diesbezügliche Anzeige in den Postkasten der Beklagten im Hause R.-Gasse 18 ein. Die Briefe wurden beim Postamt nicht behoben. Die Beklagten besuchten die erste Tagsatzung am 30. November 1966 nicht, weshalb gegen sie ein der Klage stattgebendes Versäumungsurteil auf Zahlung von 25.500 S s. A. erging. Am 10. Dezember 1966 versuchte der Postzusteller Gunter K., das Urteil vom 30. November 1966 den Beklagten unter deren Anschrift R.-Gasse 18 zuzustellen, traf die Beklagten aber nicht an, weshalb er die Hinterlegungsanzeigen hinterließ und die Briefe beim Postamt erlegte. Der Fristenlauf für die Berufung hat demnach am 27. Dezember 1966 geendet. Die von den Beklagten gegen das Versäumungsurteil erhobene Berufung aus dem Gründe der Nichtigkeit nach § 477 (1) Z. 4 ZPO. wurde erst am 27. Februar 1967 zur Post gegeben.

Das Berufungsgericht wies die Berufung als verspätet zurück. Die Zustellung nicht nur der Klage und der Ladung zur ersten Tagsatzung, sondern auch des Versäumungsurteils sei ordnungsgemäß erfolgt. Die Rechtsmittelfrist vom 11. Dezember bis 27. Dezember 1966 sei längst verstrichen gewesen, als die Berufung eingebracht worden sei. Die Aushändigung einer Urteilsausfertigung an den Konzipienten des Beklagtenvertreter am 13. Februar 1967 habe die Rechtsmittelfrist nicht neuerlich in Gang setzen können, weil inzwischen die Rechtskraft des Urteils eingetreten sei.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Rekurs vertritt den Standpunkt, die Zustellung des Versäumungsurteils wäre ebenso wie die Zustellung der Klage und der Ladung an einer anderen als der auf den Poststücken angeführten Adresse (R.-Gasse 24), die als Wohnort zu gelten gehabt hätte, unzulässig gewesen, ebenso wie auch die Nachsendung eines Briefes mit Rückschein an eine andere Adresse als die auf dem Brief angeführte unstatthaft sei. Der Postzusteller hätte die Schriftstücke nicht an die ihm zufällig bekannt gewordene Anschrift der Beklagten zustellen dürfen, sondern an das Gericht zurücksenden müssen. Erst mit der Behebung des Versäumungsurteils durch den Konzipienten des Beklagtenvertreters am 13. Februar 1967 habe die Berufungsfrist zu laufen begonnen.

Diese Ansicht ist verfehlt. Es besteht keine Vorschrift, wonach es verwehrt wäre, einen Gerichtsbrief mit Rückschein an die tatsächliche Wohnungsanschrift des Adressaten zuzustellen, wenn auch auf dem Brief eine andere Anschrift angegeben ist. Wohnung im Sinne des § 101 ZPO. ist jener Raum, wo sich der Adressat gewöhnlich aufhält (SZ. XXXVII 40, MietSlg. 16.646). Die beiden Beklagten haben zur Zeit des Zustellversuches im Dezember 1966 in der R.-Gasse 18 gewohnt. Der Zustellversuch in der R.-Gasse 18 und die danach vorgenommene Ersatzzustellung widersprechen sohin nicht den Zustellvorschriften, zumal eine Ortsabwesenheit der Beklagten zur Zeit des Zustellversuches nicht eingewendet wurde. Die Rückscheinbriefe konnten im gleichen Zustellbezirk an die richtige Anschrift ohne weiteres zugestellt werden. Das Berufungsgericht hat sohin zutreffend die Berufung als verspätet zurückgewiesen.

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