OGH 2Ob85/67

OGH2Ob85/6721.4.1967

SZ 40/54

Normen

Gewerbliches Selbständigen-Pensionsversicherungsgesetz §3 (1) Z3
Gewerbliches Selbständigen-Pensionsversicherungsgesetz §75
Gewerbliches Selbständigen-Pensionsversicherungsgesetz §77 (1)
Gewerbliches Selbständigen-Pensionsversicherungsgesetz §109
ZPO §228
Gewerbliches Selbständigen-Pensionsversicherungsgesetz §3 (1) Z3
Gewerbliches Selbständigen-Pensionsversicherungsgesetz §75
Gewerbliches Selbständigen-Pensionsversicherungsgesetz §77 (1)
Gewerbliches Selbständigen-Pensionsversicherungsgesetz §109
ZPO §228

 

Spruch:

Die Feststellung der Ersatzpflicht nach § 109 GSpVG., § 228 ZPO. kann verlangt werden, solange noch ein Leistungsanspruch gegen den Sozialversicherungsträger zu gewärtigen ist.

Entscheidung vom 21. April 1967, 2 Ob 85/67.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Nach dem festgestellten Sachverhalt ist der Taxiunternehmer Leopold W. bei einem Verkehrsunfall am 10. Juli 1962 getötet worden. Der Erstbeklagte hat diesen Unfall mit einem Fahrzeug des Zweitbeklagten verschuldet. Er ist vom Strafgericht rechtskräftig verurteilt worden. Für das Verschulden des Erstbeklagten haftet der Zweitbeklagte als Kraftfahrzeughalter. W. war bei der klagenden Partei (Pensionsversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft) pensionsversichert. Seine Witwe Magdalena W. hat nach dem Tod ihres Gatten das Taxiunternehmen im Witwenfortbetrieb fortgeführt und dieses Unternehmen seit 20. September 1963 verpachtet. In dem gegen die Beklagten durchgeführten Prozeß wurde ihr eine monatliche Rente von 2588 S bis 21. Juni 1970, längstens bis zur Wiederverehelichung, als entgangener Unterhalt nach § 1327 ABGB. zugesprochen, wobei ihre Einkünfte aus der Verpachtung von monatlich 800 S berücksichtigt wurden.

Die klagende Partei hat nun die Feststellung begehrt, daß die Beklagten solidarisch für alle Pflichtaufwendungen haften, die die klagende Partei an die Witwe Magdalena W. zu erbringen haben werde. Sie hat behauptet, daß Magdalena W. nach dem Tod ihres Gatten das Recht erlangt habe, einen Antrag auf Zuerkennung einer Witwenpension bei der klagenden Partei zu stellen. Sie würde auch eine Pension erhalten, wenn sie die Konzession für das Taxiunternehmen zurücklege. Bisher habe sie dies nicht getan und auch keinen Antrag auf Leistung einer Witwenrente gestellt. Mit einem solchen Antrag müsse aber jederzeit gerechnet werden.

Die Schadenersatzansprüche der Witwe W. seien gemäß § 109 GSPVG. auf sie übergegangen. Diese abgeleiteten Ansprüche verjähren in drei Jahren vom Tode des Leopold W. (10. Juli 1962). Sie hätte daher ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung.

Die Beklagten haben ein rechtliches Interesse der klagenden Partei bestritten und eingewendet, daß die Witwe W. die Taxikonzession noch ausübe und daher derzeit keinen Pensionsanspruch habe. Sie könne aber auch in späterer Zeit keine Witwenpension begehren, sondern eine Pension kraft eigenen Rechtes als Konzessionsträgerin, wobei auch die Versicherungszeiten des verstorbenen Gatten für die Berechnung der Höhe der Pension zu berücksichtigen seien. Falls sie die Konzession zurücklege, erhalte sie somit keine Witwenpension, sondern eine Selbständigenpension aus eigenem Recht. Ein Regreßanspruch könne für die klagende Partei nicht mehr entstehen, weil keine Schadenersatzansprüche der Witwe auf sie übergehen können. Die Witwe W. habe bisher auch keinen Pensionsantrag gestellt, weshalb auch aus diesem Gründe das rechtliche Interesse der klagenden Partei an der begehrten Feststellung fehle.

Das Erstgericht hat dem Feststellungsbegehren stattgegeben. Es hat angenommen, daß die Beklagten dem Gründe nach für den Schaden haften, der durch den Tod des Leopold W. entstanden sei. Dieser sei bei der klagenden Partei pensionsversichert gewesen. Die Witwe führe derzeit das Taxiunternehmen im Witwenfortbetrieb und habe noch keinen Pensionsantrag gestellt. Gemäß § 75 GSPVG. habe Magdalene W. im Zeitpunkt der Rücklegung der Taxikonzession die Wahl, ob sie einen Antrag auf Witwenpension oder einen Antrag auf Pension kraft eigenen Rechtes stellen wolle. Für den ersteren Fall sei die klagende Partei verpflichtet, die Witwenpension zu leisten. Gemäß § 109 GSPVG. stehe der klagenden Partei ein Regreßrecht gegen die Beklagten zu. Es sei daher das rechtliche Interesse der klagenden Partei an der begehrten Feststellung zu bejahen, auch wenn die Leistungen der klagenden Partei aus dem Unfall noch nicht feststehen.

Das Berufungsgericht hat der Berufung der Beklagten Folge gegeben und das erstgerichtliche Urteil dahin abgeändert, daß es das Feststellungsbegehren abgewiesen hat. Es hat auf den vom Erstgericht unberücksichtigt gelassenen Umstand hingewiesen, daß im Zeitpunkt der Fällung des Urteiles erster Instanz Leopold W. bereits mehr als drei Jahre tot gewesen sei. Die klagende Partei habe ihre Behauptung, daß die Witwe W. das Taxiunternehmen weiterführe, nicht widerrufen. Es müsse daher von der unbestrittenen Tatsache ausgegangen werden, daß Magdalena W. im Zeitpunkt des Urteiles erster Instanz das Unternehmen des Verstorbenen bereits länger als drei Jahre weitergeführt habe. In diesem Falle könne ein Antrag auf Gewährung einer Witwenpension gemäß § 77 (1) GSPVG. nur mehr dann gestellt werden, wenn Magdalena W. im Zeitpunkt der Aufgabe der Erwerbstätigkeit keinen Anspruch auf eine Alterspension hätte. Es könne daher der Fall eintreten, daß die klagende Partei an Magdalena W. keine Witwenpension zu leisten habe. Bei diesem Sachverhalt hätte das Erstgericht das Klagebegehren abweisen müssen.

Eine Aufhebung des Urteiles erster Instanz und eine Zurückverweisung der Sache sei aber nicht erforderlich, weil entgegen der Rechtsprechung des OGH. für die Rechtswirksamkeit der Legalzession nicht der Todestag, sondern der Tag der Antragstellung beim Sozialversicherungsträger maßgebend sei. Es könne daher vor der Antragstellung keine Legalzession im Sinne des § 109 GSPVG. eintreten. Die klagende Partei habe daher auch derzeit keinen Regreßanspruch und auch keinen Anspruch darauf, daß ein solcher festgestellt werde. Nur ein gegenwärtiges Recht könne festgestellt werden. Das Feststellungsbegehren sei daher abzuweisen, weil die zur Begründung des festzustellenden Rechtes erforderlichen Tatsachen noch nicht eingetreten seien.

Infolge Revision der klagenden Partei hat der Oberste Gerichtshof mit Beschluß vom 16. Mai 1966, 2 Ob 84/66-18, die Urteile der Untergerichte aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen. Der OGH. hat seine Rechtsansicht im Sinne der bisherigen Rechtsprechung beibehalten, wonach die Legalzession mit dem Zeitpunkt des Todes des Leopold W. eingetreten sei, weshalb das rechtliche Interesse der klagenden Partei grundsätzlich nicht verneint werden könne. Das Berufungsgericht habe richtig auf § 77 (1) GSPVG. verwiesen. Die Voraussetzungen hiefür seien aber noch nicht geklärt. Wenn Magdalena W. bis zum Schluß der mündlichen Streitverhandlung ihren Anspruch auf Witwenpension bereits endgültig verwirkt hätte, dann stunde der klagenden Partei der festzustellende Anspruch nicht zu und das Klagebegehren müßte abgewiesen werden.

Im zweiten Rechtsgang hat das Erstgericht dem Feststellungsbegehren neuerlich stattgegeben. Es hat festgestellt, daß Leopold W. bei der klagenden Partei Versicherungszeiten vom 2. Juli 1924 bis 10. Juli 1962 erworben habe. Magdalena W. habe nach dem Tode ihres Gatten das Taxiunternehmen im Witwenfortbetrieb weitergeführt, habe es aber seit 20. September 1963 an Helmut N. verpachtet. Magdalena W. habe somit das Gewerbe nur vom 10. Juli 1962 bis 20. September 1963 selbst geführt. Sie habe daher ihren Anspruch auf Witwenpension noch nicht verwirkt, weshalb dem Klagebegehren stattzugeben sei.

Das Berufungsgericht hat der Berufung der Beklagten nicht Folge gegeben und ausgesprochen, daß der Wert des Streitgegenstandes 15.000 S übersteige. Das Berufungsgericht war gleich dem Erstgericht der Meinung, daß das rechtliche Interesse der klagenden Partei an der begehrten Feststellung dann nicht verneint werden könne, wenn diese noch in die Lage kommen könnte, eine Witwenpension an Magdalena W. bezahlen zu müssen. Gemäß § 77 (1) GSPVG. habe die Witwe nach dem Tode ihres Gatten nur dann Anspruch auf eine Witwenpension, wenn sie die Erwerbstätigkeit ihres Gatten nicht fortführt oder nicht länger als drei Jahre fortgeführt hat. Die Verpachtung des Unternehmens stelle keine Fortführung des Unternehmens und keine selbständige Erwerbstätigkeit der Witwe dar. Die Witwe W. habe daher ihren Anspruch auf Witwenpension noch nicht verwirkt. Das Feststellungsbegehren der klagenden Partei sei daher gerechtfertigt.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Beklagten sind nicht in der Lage, in ihren Revisionsausführungen überzeugende Umstände aufzuzeigen, denenzufolge die Ansicht des Berufungsgerichtes rechtlich verfehlt wäre. Sie geben nur die bereits vom Berufungsgericht widerlegte Ansicht wieder, daß die Witwe W. auch nach der Verpachtung des Betriebes Konzessionsinhaberin geblieben sei und daß sie den Betrieb durch die verlängerte Hand des Pächters weiterführe. Sie ziehe aus der Verpachtung auch Gewinn. Die Beklagten weisen erneut darauf hin, daß auch der sozial ausgerichtete Gesetzgeber es nicht dem Versicherten anheimstellen wollte, zu wählen, in welchem Fall er günstiger gestellt sei, ob er das Unternehmerrisiko tragen soll oder ob er das Unternehmen verpachte. Damit würden geradezu spekulative Erwägungen Platz greifen. Die Witwe W. habe daher ihren Anspruch auf Witwenpension bereits verloren, weshalb das Klagebegehren im Sinne der Rechtsansicht des OGH. abzuweisen sei.

Diese Ausführungen sind nicht stichhältig. Ob die Verpachtung des Unternehmens als Fortführung des Betriebes anzusehen ist oder nicht, ist nach dem Sinn und Willen des Gesetzgebers zu beurteilen. Danach ist die Verpachtung des Taxiunternehmens nicht als Fortführung des Betriebes anzusehen. Dies ergibt sich aus der vom Gesetzgeber im § 3

(1) Z. 3 GSPVG. vorgesehenen Regelung, wonach der Verpächter von der Versicherungspflicht ausgenommen ist. Dadurch wird es der das Gewerbe verpachtenden Witwe unmöglich gemacht, eigene Versicherungszeiten und damit einen eigenen Anspruch auf Alters(Erwerbsunfähigkeits)rente gemäß § 75 GSPVG. zu erwerben. Wirkt sich aber die Verpachtung des Gewerbes durch die Witwe in dieser Richtung aus und kann sie deshalb keinen eigenen Rentenanspruch erwerben, dann kann die Verpachtung im Sinne des Gewerblichen Selbständigen-Pensionsversicherungsgesetzes (GSPVG.) nicht als Fortführung des Betriebes angesehen werden. Das Berufungsgericht hat daher mit Recht angenommen, daß die Witwe W. im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Streitverhandlung und auch im Zeitpunkt der Fällung des Urteils erster Instanz ihren Anspruch auf Witwenpension nach ihrem bei einem Verkehrsunfall getöteten Gatten nach § 77 (1) GSPVG, noch nicht erwirkt hatte. Die klagende Partei muß daher gewärtigen, daß sie noch einen solchen Anspruch geltend macht. Es ist daher das rechtliche Interesse der klagenden Partei an der begehrten Feststellung mit Recht bejaht worden.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte