Spruch:
Wenn das Werk in der Anfertigung einer Sache besteht, ist der Unternehmer gemäß § 1052 ABGB. in der Regel nur verpflichtet, die Sache Zug um Zug gegen Zahlung des Lohnes an den Besteller herauszugeben.
Entscheidung vom 4. April 1967, 8 Ob 74/67.
I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.
Text
Die klagende Partei brachte vor, sie habe für die Beklagten um den Betrag von 42.615.60 S am Ende des Jahres 1965 Buchbindearbeiten durchgeführt. Sie begehrt in der Klage diesen Betrag und für kapitalisierte Zinsen einen Betrag von 1385 S, zusammen 44.000.60 S.
Die Beklagten bestritten die Forderung der Klägerin hinsichtlich der geleisteten Buchbindearbeiten nicht, wendeten aber aufrechnungsweise eine Gegenforderung von 87.848.40 S bis zur Höhe der Klagsforderung deshalb ein, weil infolge Mangelhaftigkeit der Buchbindearbeiten den beklagten Parteien ein Schaden in der genannten Höhe entstanden sei.
Das Erstgericht hat die Klagsforderung mit dem Betrag von 42.340.54 S als zu Recht, mit dem Betrag von 1660.06 S als nicht zu Recht bestehend, die Gegenforderung bis zur Höhe der Klagsforderung als nicht zu Recht bestehend und die Beklagten zur ungeteilten Hand schuldig erkannt, der Klägerin den Betrag von 42.340.54 S zu bezahlen. Es hat jedoch übersehen, das Teilbegehren wegen 1660.06 S im Urteilsspruch ausdrücklich abzuweisen.
Die von den beklagten Parteien eingewendete Gegenforderung stelle einen Schadenersatzanspruch dar, der ihnen nur dann zustehe, wenn die Klägerin hinsichtlich der Fehlerhaftigkeit der Bindearbeiten ein Verschulden treffe. Dies sei hier nicht der Fall, weil die festgestellte Anzahl von fehlerhaften Büchern (70 Stück) auch bei sorgfältiger Arbeit nicht vermeidbar und die Klägerin zur Nachforschung nach "inneren" Bindefehlern nicht verpflichtet gewesen sei. Davon sei die Frage der Gewährleistungspflicht, betreffend Verbesserung der fehlerhaften Exemplare, unabhängig. Ein Schadenersatzanspruch aus der Lieferung fehlerhafter Bücher stehe den Beklagten nicht zu. Die Klägerin habe mit Recht die zur Reparatur rückübernommenen Exemplare zurückbehalten und deren Herausgabe von der Bezahlung ihrer Gesamtforderung für die Bindearbeiten abhängig gemacht (§ 369 HGB.).
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil mit der Maßgabe, daß das Mehrbegehren nach weiteren 1660.06 S und das überhöhte Zinsenbegehren abgewiesen wurden.
Die Frage des Zurückbehaltungsrechtes der Klägerin hinsichtlich der 48 reparierten Bücher stehe weder mit der Klags- noch mit der Gegenforderung im Zusammenhang. Das Klagebegehren sei berechtigt, weil die von den beklagten Parteien eingewendete Schadenersatzforderung nicht begrundet und die Klägerin zur Ausfolgung der verbesserten Stücke gegen volle Zahlung bereit gewesen sei. Abgesehen davon, sei der Klägerin das Retentionsrecht nach § 369 HGB. zugestanden.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Parteien nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Nach den Feststellungen der Untergerichte sind die an die klagende Partei zurückgestellten 48 Exemplare ausgebessert und der erstbeklagten Partei zur Lieferung angeboten worden, wobei allerdings die Klägerin die Bezahlung des gesamten Werklohnes bei Ausfolgung dieser Bücher verlangt hat. Diese Forderung der Klägerin war berechtigt. Wenn § 1170 ABGB. auch bestimmt, daß in der Regel das Entgelt nach Vollendung des Werkes zu entrichten ist, ist doch, wenn das Werk, wie im vorliegenden Fall, in der Anfertigung einer Sache besteht, der Unternehmer nur verpflichtet, die Sache gegen Zahlung des Lohnes an den Besteller herauszugeben. Insoweit gilt auch hier die Regel der Leistung Zug um Zug gemäß § 1052 ABGB. (Ehrenzweig II 1, § 321 Punkt I, S. 212 und § 375 Punkt III/2, S. 523, Klang-komm.[2] V 417 f., zu § 1170 ABGB. vor Anm. 20). Die klagende Partei war hinsichtlich der 48 Bücher lieferbereit, sie durfte aber deren Auslieferung von der Zahlung des Werklohnes abhängig machen, der infolge Erstellung der Faktura und Vollendung des Werkes bereits fällig geworden war (JBl. 1966 S. 250). Die Beklagten können sohin der Klagsforderung nicht entgegenhalten, die Klägerin habe sich durch Verweigerung der Herausgabe der zur Verbesserung zurückerhaltenen Bücher schadenersatzpflichtig gemacht.
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