Spruch:
Ein in einem Schriftsatz erklärtes Anerkenntnis wird erst durch Vortrag des Schriftsatzes bei der Verhandlung wirksam.
Entscheidung vom 9. Februar 1967, 1 Ob 304/66.
I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.
Text
Der Kläger war bis 31. Dezember 1964 persönlich haftender Gesellschafter der erstbeklagten Partei, einer offenen Handelsgesellschaft, welcher der Zweit-, der Dritt- und der Viertbeklagte nach wie vor als persönlich haftende Gesellschafter angehören. Der Kläger brachte vor, daß ihm auf Grund der vertraglichen Bestimmungen ein bereits fällig gewordenes Ausscheidungsguthaben von mindestens 5.079.776.80 S samt 5% Zinsen seit 1. Jänner 1965 zustehe, und begehrte die Verurteilung der beklagten Parteien zur ungeteilten Hand zur Zahlung dieses Betrages. Es ist unbestritten, daß der Zweit-, der Dritt- und der Viertbeklagte - sie sind alle Brüder des Klägers - jeder für sich alleine vertretungsbefugt für die erstbeklagte Partei ist.
Am 7. Juni 1966 langte beim Erstgericht eine vom Dritt- und Viertbeklagten, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Jakob L., im eigenen Namen, aber auch im Namen der erstbeklagten Partei erstattete Klagebeantwortung ein (ONr. 3), in der die Ansprüche des Klägers mit dem Teilbetrag von 4.035.037 S samt 5% Zinsen seit 1. Jänner 1965 anerkannt, das Mehrbegehren "vorläufig" aber bestritten und "diesfalls" Klagsabweisung beantragt wurde.
Am 10. Juni 1966 langte beim Erstgericht eine weitere Klagebeantwortung (ONr. 4) ein. Sie wurde vom Zweitbeklagten, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Franz G., im eigenen, aber auch im Namen der erstbeklagten Partei erstattet. Darin wurde einerseits geltend gemacht, daß das Ausscheidungsguthaben des Klägers mit maximal 3.000.000 S zu errechnen sei, die genaue Höhe werde aber erst durch Aufstellung einer echten Liquidationsbilanz zu ermitteln sein, andererseits wurden Gegenforderungen von zusammen 4.738.422.16 S geltend gemacht, und zwar a) in der Höhe von 1.680.000 S wegen seiner - im Vergleich zur Tätigkeit der anderen Gesellschafter - wesentlich geringeren Mitarbeit im Unternehmen, b) in der Höhe von 363.422.16 S wegen der Entnahme von Geldbeträgen und Waren a conto des Auseinandersetzungsguthabens, c) in der Höhe von 2.695.000 S aus der bisher unterlassenen Abrechnung des Verkaufserlöses eines dem Unternehmen seinerzeit gehörigen Anwesens in Israel. Unter Hinweis darauf, daß die Gegenforderungen das dem Kläger maximal zustehende Guthaben bei weitem übersteigen, wurde in dieser Klagebeantwortung die Abweisung des Klagebegehrens beantragt.
Der Kläger brachte daraufhin am 4. Juli 1966 einen Schriftsatz ein, in dem er ankundigte, er werde auf Grund der Klagebeantwortung ONr. 3 bei der Streitverhandlung gemäß § 395 ZPO. gegen die erstbeklagte Partei ein Anerkennungsurteil bezüglich des Betrages von 4.035.037 S samt Zinsen seit 1. Jänner 1965 beantragen, und bekämpfte im übrigen das Vorbringen in der Klagebeantwortung ONr. 4.
Zur Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung am 7. Juli 1966 erschienen außer dem Klagevertreter der Zweit-, der Dritt- und der Viertbeklagte mit den Rechtsanwälten Dr. L. und Dr. G. Im Protokoll (ONr. 6) heißt es nun wörtlich:
"Die klagende Partei trägt vor wie ONr. 1 und 5.
Die erst- und zweitbeklagte Partei tragen vor wie ONr. 4.
Die dritt- und viertbeklagte Partei tragen vor wie ONr. 3.
Sohin vereinbarten der Kläger und die dritt- und die viertbeklagte Partei Ruhen des Verfahrens.
Der Klagevertreter legt sohin eine amtliche Bestätigung des hg. Handelsregisters vom 7. Juli 1966 vor und beantragt die Fällung eines Teilanerkenntnisurteiles gegen die erstbeklagte Partei in der Höhe des in ONr. 3 anerkannten Betrages.
Der Beklagtenvertreter spricht sich gegen die Fällung eines Teilanerkennungsurteils gegen die erstbeklagte Partei mit der Begründung aus, daß der Kläger den Klagsbetrag von allen Beklagten zur ungeteilten Hand begehre und daß die erstbeklagte Partei Gegenforderungen geltend gemacht habe, und zwar zur ungeteilten Hand mit dem Zweitbeklagten. Der Beklagtenvertreter bestreitet das Vorbringen ONr. 5."
Daraufhin wurde gegen die erstbeklagte Partei das Teilanerkenntnisurteil über 4.035.037 S samt Zinsen gefällt. Die Verhandlung wurde mit einer Einschränkung des sohin noch offenen Klagebegehrens unter Berücksichtigung der oben unter b) erwähnten Gegenforderung und einem Beweisbeschluß fortgesetzt.
Das Erstgericht stützte sich in der Begründung des Teilanerkenntnisurteils darauf, daß der Dritt- und der Viertbeklagte jeder für sich allein für die erstbeklagte Partei vertretungsbefugt seien und deshalb auch für die erstbeklagte Partei gültig ein gerichtliches Anerkenntnis abgegeben hätten; daß der Kläger alle Beklagten zur ungeteilten Hand belangt und auch die erstbeklagte Partei - und zwar zur ungeteilten Hand mit dem Zweitbeklagten - Gegenforderungen eingewendet habe, hindere die Wirksamkeit des Anerkenntnisses nicht; der Dritt- und der Viertbeklagte hätten durch das Anerkenntnis auch für die erstbeklagte Partei auf die aufrechnungsweise Geltendmachung der Gegenforderungen verzichtet.
Dagegen erhob die erstbeklagte Partei, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. G., Berufung.
Das Berufungsgericht gab ihr Folge, hob das Teilanerkenntnisurteil auf, wies den Antrag auf Fällung einer solchen Entscheidung ab und wies die Rechtssache unter Rechtskraftvorbehalt zur Fortsetzung des Verfahrens an das Erstgericht zurück. Die Begründung seines Beschlusses läßt sich wie folgt zusammenfassen: Vor dem erkennenden Gericht hätten die Parteien mündlich zu verhandeln, wobei die Verhandlung in Rechtssachen mit Anwaltszwang mit Schriftsatz vorbereitet werde; daraus folge, daß die Erklärungen der beklagten Parteien in den beiden Klagebeantwortungen dem Erstgericht gegenüber erst mit deren Vortrag in der mündlichen Streitverhandlung vom 7. Juli 1966 als abgegeben anzusehen seien; wenn zwei oder mehrere selbständig vertretungsbefugte Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft in deren Namen gleichzeitig Rechtshandlungen vornähmen oder gleichzeitig Erklärungen abgäben, die einander widersprechen, liege nach Lehre und Rechtsprechung überhaupt keine wirksame Erklärung der Gesellschaft vor; daraus ergebe sich für den vorliegenden Fall, daß vor der Vereinbarung des Ruhens des Verfahrens, die der Kläger mit dem Dritt- und Viertbeklagten getroffen habe, überhaupt keine für die erstbeklagte Partei wirksame Erklärung der vertretungsbefugten Gesellschafter vorhanden gewesen sei, da das von ihnen gleichzeitig zum Vortrag Gebrachte einander ausgeschlossen habe; nach der Ruhensvereinbarung bezüglich des Dritt- und des Viertbeklagten habe sich der für die erstbeklagte Partei und den Zweitbeklagten einschreitende Anwalt ausdrücklich gegen die Fällung des Teilanerkenntnisurteils ausgesprochen und vorgebracht, daß gegen die gesamte Klagsforderung Gegenforderungen seitens der erstbeklagten Partei geltend gemacht werden; abgesehen davon könne auch ein prozessuales Anerkenntnis widerrufen werden, solange noch nicht ein Urteil gefällt worden sei; überdies stunden die beiden noch geltend gemachten Gegenforderungen mit dem Klagsanspruch in rechtlichem Zusammenhang, was ein Teilurteil ausschließe; die Fällung eines Teilanerkenntnisurteils sei somit unzulässig gewesen.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Klägers nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Ob die prozessuale Wirkung eines Anerkenntnisses an die Abgabe der Anerkennungserklärung bei der Verhandlung geknüpft ist oder ein Anerkenntnis auch schriftlich erfolgen kann, ist in Lehre und Rechtsprechung umstritten. In seiner Entscheidung JBl. 1948 S. 188 hat der Oberste Gerichtshof den Standpunkt eingenommen, rechtliche Wirkung komme einem Anerkenntnis erst zu, wenn es in der mündlichen Verhandlung abgegeben wurde; daher könne ein in einem vorbereitenden Schriftsatz erklärtes Anerkenntnis bei der mündlichen Verhandlung noch zurückgezogen werden. In der Entscheidung SZ. XXV 234 hat der Oberste Gerichtshof hingegen auch die Möglichkeit einer bindenden schriftlichen Anerkennungserklärung erwähnt, allerdings ohne diese Auffassung näher zu begrunden, worauf Fasching, der sich den vom Obersten Gerichtshof in der Entscheidung JBl. 1948 S. 188 vertretenen Standpunkt zu eigen macht, ebenfalls hinweist (Komm. III S. 608, Anm. 3 zu § 395 ZPO.). Es soll nicht übersehen werden, daß der Oberste Gerichtshof in SZ. XXV 234 - ohne dies freilich zu erwähnen - der Ansicht eines anderen Rechtslehrers, nämlich der Pollaks (System, S. 407), gefolgt ist, doch gibt auch dieser Autor für sie keine durchschlagende Begründung. Seine Ausführungen laufen nämlich darauf hinaus, daß die Bestimmung des § 395 ZPO. "zu eng gefaßt" worden sei, weil dabei nur an den "Normalfall" gedacht worden sei. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, daß auch Sperl diesen Standpunkt einnimmt (S. 496). Die gegenteilige Ansicht vertritt mit aller Deutlichkeit hingegen Neumann (Komm. II S. 1130 zu § 395 ZPO. unter III), der sich dabei auch auf die Fragenbeantwortung des Justizministeriums (siehe die Beilage zur JMV. vom 3. Dezember 1897, JMVBl, Nr. 44) stützen konnte.
Der Oberste Gerichtshof kommt bei abermaliger Prüfung des Problems zunächst zum Ergebnis, daß der Anführung der Möglichkeit einer bindenden schriftlichen Anerkennungserklärung in SZ. XXV 234 schon deshalb keine allzu große Bedeutung beigemessen werden kann, weil es sich damals nur um eine mehr oder weniger beiläufige Erwähnung handelte; denn das in der Klagebeantwortung enthalten gewesene Anerkenntnis war damals jedenfalls auch bei den Streitverhandlung zunächst wiederholt worden und erst im weiteren Verlauf des Prozesses versuchten die damaligen Beklagten, von ihrem Teilanerkenntnis abzugehen. Darüber hinaus hat die schon seinerzeit in der Fragebeantwortung des Justizministeriums, dann auch von Neumann und nunmehr auch von Fasching vertretene, vom Obersten Gerichtshof in der Entscheidung JBl. 1948 S. 188 gebilligte Ansicht, es komme auf die Erklärung bei der Verhandlung bzw. den Vortrag des Schriftsatzes mit der Anerkenntniserklärung bei der Verhandlung an, den Wortlaut des Gesetzes für sich. Zutreffend hat das Berufungsgericht auf die Bestimmungen des § 176 ZPO. hingewiesen, in denen der Grundsatz der Mundlichkeit der Verhandlung vor dem erkennenden Gericht verankert erscheint. Soll einer Parteihandlung - abweichend davon - unter anderen Bedingungen prozessuale Wirkung zukommen (Einlangen einer Eingabe bei Gericht; Absendung einer Eingabe an das Gericht u. dgl.), bedarf es einer Sondernorm, die für die Anerkenntniserklärung - wenn man von der Bestimmung des § 252
(4) ZPO. absieht - fehlt.
Dem Berufungsgericht ist aus diesen Erwägungen darin beizupflichten, daß beide Klagebeantwortungen als gleichzeitig bei der Tagsatzung vom 7. Juli 1966 vorgetragen nach diesem Zeitpunkt hinsichtlich ihrer prozessualen Wirksamkeit zu beurteilen sind. Dabei hat das Berufungsgericht zugunsten des Klägers ohnehin berücksichtigt, daß ungeachtet der Protokollierung "Die dritt- und viertbeklagte Partei tragen vor wie ONr. 3" in diesem Vortrag auch ein Vortrag namens der erstbeklagten Partei lag, nicht anders wie es beim Vortrag der Klagebeantwortung ONr. 4 ausdrücklich protokolliert wurde: "Die erst- und zweitbeklagte Partei tragen vor wie ONr. 4."
Die beiden Klagebeantwortungen widersprachen einander - bezüglich der erstbeklagten Partei - freilich nicht zur Gänze, da ja auch in ONr. 3 die Abweisung eines Teilbegehrens des Klägers - soweit das Begehren nämlich den Betrag von 4.035.037 S samt Zinsen übersteigt - beantragt wurde. Hinsichtlich des letzteren Betrages lag aber - wie das Berufungsgericht unter Heranziehung von Lehre und Rechtsprechung, insbesondere der Entscheidung EvBl. 1966 Nr. 115 zutreffend erkannte - kein wirksames prozessuales Anerkenntnis der erstbeklagten Partei vor. Den Standpunkt, daß einander widersprechende gleichzeitige Rechtshandlungen selbständig vertretungsbefugter Gesellschafter einander aufheben, hat der Oberste Gerichtshof auch seither eingenommen (6 Ob 351, 352/66).
Wenn der Kläger nun meint, das Berufungsgericht hätte bezüglich der Tagsatzung vom 7. Juli 1966 nicht zwei Phasen des Verfahrens annehmen dürfen, die eine vor seiner Vereinbarung mit dem Dritt- und dem Viertbeklagten über das Ruhen des Verfahrens, die andere nach dieser Vereinbarung, der Dritt- und der Viertbeklagte seien als Vertreter der erstbeklagten Partei ja auch weiterhin bei der Tagsatzung anwesend geblieben und da sie ihre Prozeßerklärungen in dieser Eigenschaft aufrechterhalten hätten, sei die Erklärung des Zweitbeklagten, insoweit er sich als Vertreter der erstbeklagten Partei gegen die Erlassung eines Teilanerkenntnisurteils ausgesprochen habe, unbeachtlich gewesen, so vermag ihm dies nicht zu einem Erfolg zu verhelfen. Abgesehen davon, daß eine Erklärung des vom Dritt- und vom Viertbeklagten namens der erstbeklagten Partei bestellten Vertreters zum Antrag des Klägers auf Fällung des Teilanerkenntnisurteils - zum Unterschied von der Stellungnahme des vom Zweitbeklagten auch namens der erstbeklagten Partei bestellten Anwaltes zu diesem Antrag - aus dem Protokoll ONr. 6 gar nicht ersichtlich ist, kommt es für die Zulässigkeit einer solchen Urteilsfällung nicht auf die Stellungnahme des Beklagten, sondern darauf an, ob wirklich ein prozessual wirksames Anerkenntnis vorlag. Dies war aber nicht der Fall.
Der Hinweis des Rekurswerbers, wenn keine wirksame Prozeßerklärung der erstbeklagten Partei vorliege, wären die Voraussetzungen für die Fällung eines Versäumungsurteils gegeben, geht schon deshalb fehl, weil er ein Versäumnisurteil in erster Instanz gar nicht beantragt hatte. Im übrigen wurde bereits in anderem Zusammenhang festgehalten, daß hinsichtlich jenes Teilbegehrens des Klägers, das den Betrag voürfte, ist nicht einzusehen. Der Beklagte hätte die Handlungsfähigkeit des U. dann prüfen müssen, wenn er in dieser Beziehung durch konkrete Anhaltspunkte hätte Verdacht schöpfen müssen. Der von B. vorgebrachte Vorwand, U., der im Gerichtsbezirk Bruck a. d. Mur wohnte, sei unabkömmlich, war einleuchtend und auch die Beglaubigung der Unterschrift war durch einen Gerichtsbeamten unbeanstandet vorgenommen worden. Den Notar trifft auch nicht die Pflicht, den Inhalt der Schuldurkunde mit den Parteien selbst durchzubesprechen, wenn sich diese beim Geschäftsabschluß vertreten lassen. Würde man diese strenge Anforderung stellen, wäre jede Möglichkeit der rechtsgeschäftlichen Vertretung vor einem Notar ausgeschlossen. Wollte die Klägerin unbedingte Gewißheit über die Verpflichtungsfähigkeit des Darlehensnehmers haben, hätte sie dem Notar einen besonderen Auftrag zur Überprüfung erteilen oder sich selbst oder durch ihren Vermittler diese Gewißheit verschaffen müssen, da sie dem Beklagten durch einen Vermittler den Darlehensabschluß aufgetragen hatte und nicht der Beklagte es war, der den Darlehenswerber ausfindig gemacht hatte. Daß B. die Darlehen zu seinen Handen auszahlen ließ und zu diesem Zweck eine schriftliche Zustimmungserklärung des U. beibrachte, mußte beim Beklagten keinen Verdacht erregen. Im Innenverhältnis der beiden Darlehensnehmer war U. derjenige, der das Pfand bestellte, während B. der eigentliche Darlehensempfänger war. Deshalb war es nicht ungewöhnlich, daß B. die Darlehenssumme in Empfang nahm.
Es kann sohin dem Beklagten als Urkundenverfasser eine schuldhafte Vernachlässigung seiner Pflichten gegenüber der Klägerin nicht zum Vorwurf gemacht werden. Die rechtliche Beurteilung der Untergerichte war zu billigen.
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