Spruch:
Bei Bewertung der Entschädigung hat der Wert der besonderen Vorliebe und die Werterhöhung außer Betracht zu bleiben, die die abzutretende Liegenschaft durch die straßenbauliche Maßnahme erfährt. Dagegen ist auf die Verminderung des Wertes eines etwa verbleibenden Grundstückrestes Bedacht zu nehmen.
Entscheidung vom 25. Jänner 1967, 5 Ob 20/67.
I. Instanz: Bezirksgericht Radstadt; II. Instanz: Landesgericht Salzburg.
Text
Mit Bescheid des Amtes der zuständigen Landesregierung vom 7. Jänner 1965 wurden zum Zwecke des Ausbaues der Ennstal- und Katschbergbundesstraße, Baulos Umfahrung Radstadt, von den im Eigentum der antragstellenden Partei stehenden Liegenschaften, und zwar von der EZ. 157 KG. L. eine Fläche von 70 m2 und von der EZ. 3 KG. H. Flächen im Ausmaß von 4400 m2 und 6 m2 enteignet. Für die enteigneten 70 m2 der EZ. 157 KG. L. wurde als Gartenland 15 S je Quadratmeter und für die übrigen enteigneten Grundstücksteile als Wiesengrund ein Betrag von 10 S je Quadratmeter enteigneter Fläche als Entschädigung festgesetzt.
Der Antragsteller begehrte die Festsetzung einer höheren, dem Verkehrswert der enteigneten Flächen entsprechenden Entschädigung.
Das Erstgericht setzte die von der Antragsgegnerin dem Antragsteller zu leistende Entschädigung 1. für 70 m2 der EZ. 157 KG. L. mit 40 S je m2 enteigneter Fläche, sohin insgesamt mit 2800 S, 2. für 4400 m2 und 6 m2 der EZ. 3 KG. H. mit 15 S je Quadratmeter enteigneter Fläche, sohin insgesamt mit 66.090 S fest.
Das Erstgericht gelangte auf Grund der Gutachten der Sachverständigen Josef X. und Dipl.-Ing. Herbert Y. zu einer Entschädigung von 40 S je Quadratmeter enteigneter Fläche für die aus der EZ. 3 KG. L. enteigneten 70 m2. Bezüglich der 4400 m2 und 6 m2 der EZ. 3 KG. H. nahm das Erstgericht als erwiesen an, daß es sich um Liegenschaften handle, die im Grüngürtel von R. liegen, landwirtschaftlich genutzt werden und weder als Bauerwartungsland noch als Industriegrunde in Betracht kommen. Je Quadratmeter enteigneter Fläche sei von einem Betrag von 12 S auszugehen. Doch sei auf Grund der Enteignung eine Wirtschaftserschwerung gegeben. Für den Fall als die Gründe von der vorgesehenen Hofstelle, der Hofmühle, in welcher sich derzeit Mietwohnungen befinden, wieder bewirtschaftet werden, sei darauf Bedacht zu nehmen, daß die neue Straßentrasse näher zur Hofstelle herangezogen werde und die Verbindung zu einzelnen Grundstücken erschwere. Für die Wirtschaftserschwernis sei neben dem Betrag von 12 S ein weiterer Betrag von 3 S je Quadratmeter enteigneter Fläche bei den Grundstücken der EZ. 3 KG. H. zu berücksichtigen.
Das Rekursgericht gab den Rekursen des Antragstellers und der Antragsgegnerin nicht Folge.
Der dagegen erhobene Revisionsrekurs der Antragsgegnerin ficht den Beschluß des Rekursgerichtes insoweit an, als die Entschädigung für 4400 m2 und 6 m2 der EZ. 3 KG. H. mit einem höheren Betrag als 12 S je Quadratmeter enteigneter Fläche festgesetzt werde.
Der Oberste Gerichtshof wies diesen Rekurs zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Was die Frage der Zulässigkeit des Revisionsrekurses anlangt, so finden gemäß § 15 (5) des Bundesstraßengesetzes, BGBl. Nr. 59/1948, in der derzeit geltenden Fassung BGBl. Nr. 134/1964, auf das gerichtliche Verfahren zur Ermittlung der Entschädigung für die enteignete Grundfläche die Bestimmungen des Eisenbahnenteignungsgesetzes 1954, BGBl. Nr. 71/1954, Anwendung. Der Oberste Gerichtshof hat in der grundlegenden Entscheidung SZ. XXXIII 73 ausführlich begrundet und hält daran seither in ständiger Rechtsprechung fest, daß in einem nach dem Eisenbahnenteignungsgesetz durchzuführenden Verfahren die Vorschriften des Außerstreitverfahrens auch für das Rechtsmittelverfahren gelten (EvBl. 1958 Nr. 362, ZVR. 1964 Nr. 205, 5 Ob 215/65, 5 Ob 74/66 u. v. a.). Da eine bestätigende Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz vorliegt, ist der Revisionsrekurs nach § 16 AußStrG. zu beurteilen.
Eine offenbare Gesetzwidrigkeit soll vorliegen, weil nur der durch die Enteignung verursachte Schaden, nicht aber jeder nur denkbare mögliche Schaden, der vielleicht in der Zukunft einmal eintreten könnte, zu ersetzen sei. Bei dem zuerkannten Betrag von 3 S je Quadratmeter handle es sich jedoch um einen Schaden, der bisher nicht eingetreten sei, sondern um einen solchen, der von einem zukünftigen ungewissen Ereignis abhänge. Der Verkehrswert richte sich aber nach den gegebenen Verwendungsmöglichkeiten, nicht nach einer allenfalls künftigen Bewirtschaftungsart.
Dazu ist zu sagen, daß nach § 13 (1) BStG. dem Enteigneten für alle durch die Enteignung verursachten vermögensrechtlichen Nachteile Schadloshaltung (§ 1323 ABGB.) gebührt. Bei der Bemessung der Entschädigung hat jedoch der Wert der besonderen Vorliebe und die Werterhöhung außer Betracht zu bleiben, die die abzutretende Liegenschaft durch die straßenbauliche Maßnahme erfährt. Hingegen ist auf die Verminderung des Wertes eines etwa verbleibenden Grundstücksrestes Bedacht zu nehmen. Bei der Annahme eines Betrages von 15 S je Quadratmeter enteigneter Fläche wurde aber, wie der Sachverständige Josef X. ausführte, auf die "Restgrundverkleinerung" Bedacht genommen. Auch der vom Sachverständigen gebrauchte Begriff Wirtschaftserschwernis ergibt sich nur daraus, daß das verbleibende Restgrundstück von der dazu bestimmten Hofstelle schwieriger zu bewirtschaften ist als bisher und daher in seinem Verkehrswert gemindert ist.
Eine offenbare Gesetzwidrigkeit ist aber nur gegeben, wenn ein Fall im Gesetz selbst ausdrücklich und so klar gelöst ist, daß kein Zweifel über die Absicht des Gesetzgebers aufkommen kann und trotzdem eine damit im Widerspruch stehende Entscheidung gefällt wird (siehe die in Fetter - Edlbacher, Verfahren außer Streitsachen, Manz 1956 auf S. 78 unter Nr. 10 zu § 16 AußStrG. angeführte Judikatur). Der angezogene Rekursgrund ist jedenfalls nicht gegeben, wenn die Vorinstanzen im Rahmen des ihnen im § 13 (1) BStG. eingeräumten Ermessens die Verminderung des Wertes auf Grund der Enteignung verbleibenden Restgrundstücke unter Berücksichtigung der Ergebnisse des Sachverständigenbeweises festsetzten (ZVR. 1966 Nr. 41, siehe hiezu auch ZVR. 1958 Nr. 150, ZVR. 1963 Nr. 26 u. a.).
Dem steht auch nicht die von der Rekurswerberin zitierte Entscheidung vom 25. Oktober 1911, Rv IV 445 = Röll Jahrgang 1911 Nr. 117 entgegen, weil sie einen anders gelagerten Sachverhalt betrifft.
Der Revisionsrekurs war somit mangels Anfechtungsgrunden im Sinne des § 16 AußStrG. zurückzuweisen.
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