OGH 5Ob349/66

OGH5Ob349/6622.12.1966

SZ 39/220

Normen

ABGB §513
ABGB §520
ABGB §513
ABGB §520

 

Spruch:

Der Eigentümer einer mit einem Fruchtgenußrecht belasteten Liegenschaft kann wegen Substanzverletzungen des Fruchtnießers diesen auch auf Unterlassung belangen

Entscheidung vom 22. Dezember 1966, 5 Ob 349/66

I. Instanz: Bezirksgericht Lienz; II. Instanz: Landesgericht Innsbruck

Text

Der Kläger ist Eigentümer der Liegenschaft EZ. X.; die Beklagte hat an dieser Liegenschaft das Fruchtgenußrecht. Zum Gutsbestande dieser Liegenschaft gehören u. a. mehrere Waldparzellen. Die Beklagte hat um die Bewilligung der Schlägerung von 30 fm Nutzholz angesucht; die zuständige Bezirkshauptmannschaft erteilte am 16. März 1964 die Bewilligung.

Der Kläger begehrte - unter Hinweis darauf, daß die von der Beklagten beabsichtigte Schlägerung eine Vorgriffsnutzung auf sechs Jahre darstelle, außerdem bei Durchführung dieser Schlägerung der übrige Waldbestand kaum mehr eine Brandreserve biete, überdies das Holz auch für die Instandhaltung der Wohn- und Wirtschaftsgebäude, die sich in einem schlechten Bauzustand befänden, verwendet werden müsse -, der Beklagten die Unterlassung dieser Schlägerung aufzutragen.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Es stellte fest, daß die Holzschlägerung sowohl nach forsttechnischen als auch nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen zulässig sei, und verneinte die Verpflichtung des Fruchtnießers zur Erhaltung einer Brandreserve.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil, ging aber auf die geltend gemachten Berufungsgrunde nicht ein, weil es der Ansicht war, der Kläger als Eigentümer dürfe sich in die Wirtschaftsführung der beklagten Fruchtnießerin nicht einmengen. Er habe kein Recht, auf Unterlassung zu klagen; es stunde ihm nur unter Umständen gemäß § 520 ABGB. das Recht zu, auf Sicherstellung zu klagen.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers Folge, hob das zweitinstanzliche Urteil auf und verwies die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die Revision ist zulässig, weil im Berufungsurteil ausgesprochen wurde, daß der Wert des Streitgegenstandes 15.000 S übersteigt (§ 500 (2) ZPO.). Die Revision ist auch begrundet.

Der Ansicht des Berufungsgerichtes, dem Eigentümer stehe gegenüber dem Fruchtnießer keine Unterlassungsklage zu, kann nicht beigetreten werden. Da Dienstbarkeiten nicht erweitert werden dürfen (§ 484 ABGB.), sieht sich der Eigentümer des mit einer Dienstbarkeit belasteten Grundstückes häufig zu einer aus dem Eigentumsrecht abgeleiteten Klage auf Unterlassung gegen den Servitutsberechtigten genötigt. Daß § 520 ABGB. einen mit Klage geltend zu machenden materiellrechtlichen Anspruch auf Sicherstellung der Substanz vorsieht, wenn sich eine Gefahr äußert, kann nicht dahin verstanden werden, daß dem Eigentümer deshalb ein Unterlassungsanspruch überhaupt nicht zustehen solle. Beide Möglichkeiten bestehen vielmehr nebeneinander; die Unterlassungsklage ist sogar das den Fruchtnießer schonendere Mittel, um Substanzschädigungen hintanzuhalten, weil er weder eine Sicherstellung zu leisten braucht, noch Gefahr läuft, das Fruchtgenußrecht zu verlieren oder unter gerichtliche Verwaltung zu kommen. (Im gleichen Sinne Klang in Klang[2] II 591, zu § 513 ABGB. fußend auf Klang in JBl. 1937 S. 1 ff.).

Von seinem Rechtsstandpunkt ausgehend, hat das Berufungsgericht es unterlassen, sich mit den geltend gemachten Berufungsgrunden zu befassen. Es hat daher auch nicht zum Ausdruck gebracht, welchen Sachverhalt es als festgestellt ansieht, sodaß es dem Obersten Gerichtshof derzeit nicht möglich ist, die Revision sachlich zu erledigen. Wenn sich das Fruchtgenußrecht der Beklagten nicht nur auf Waldgrundstücke (im Ausmaß von 2.1368 ha), sondern - nach Angabe der Beklagten in ihrem Armenrechtszeugnis - auf eine Land- und Forstwirtschaft von insgesamt 4.27 ha erstreckt, wird die Frage der Zulässigkeit der Holzentnahme auch nicht vom Standpunkt der Bewirtschaftung der Waldparzellen aus allein betrachtet werden können, sondern es wird unter Umständen erforderlich sein, durch Heranziehung eines auch für die Landwirtschaft zuständigen Sachverständigen Klarheit zu schaffen.

Ob sich demnach die Notwendigkeit ergeben wird, auch das erstinstanzliche Urteil aufzuheben, bleibt dem Berufungsgericht überlassen.

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