OGH 8Ob336/66

OGH8Ob336/666.12.1966

SZ 39/209

Normen

ABGB §1052
ABGB §1118
ABGB §1052
ABGB §1118

 

Spruch:

Der Vermieter kann die Räumung der dem Mieter während der Durchführung von Bauarbeiten zur Verfügung gestellten Ersatzwohnung erst nach Rückstellung der vermieteten Wohnung verlangen

Entscheidung vom 6. Dezember 1966, 8 Ob 336/66

I. Instanz: Bezirksgericht Krems an der Donau; II. Instanz:

Kreisgericht Krems an der Donau

Text

Die Beklagten sind Eigentümer des Hauses Krems an der Donau, X-Straße 11, der Kläger ist Mieter der im 2. Stock dieses Hauses gassenseitig gelegenen Wohnung. Aus Anlaß von Umbauarbeiten vereinbarten die Streitteile, daß der Kläger auf einige Monate in die von den Beklagten zu diesem Zweck zur Verfügung gestellten Räume im Hintertrakt des Hauses übersiedle. Das Mietverhältnis wurde nicht aufgelöst. Da der Umbau des Vordertraktes inzwischen beendet worden ist, begehrt der Kläger nunmehr, daß die Beklagten schuldig seien, ihm das gemietete Bestandobjekt, nämlich die gassenseitig gelegene Wohnung im 2. Stock des Vordertraktes des Hauses, zu übergeben.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 1500 S übersteige.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Beklagten vertreten in ihrer Revision die Rechtsansicht, daß sie zur Übergabe der klagsgegenständlichen Wohnung nur Zug um Zug gegen Räumung der vom Kläger benützten Wohnung im Hintertrakt des Hauses verpflichtet seien. Es sei daher mangels einer sie treffenden Vorleistungspflicht das Klagebegehren abzuweisen.

Der Oberste Gerichtshof vermag sich dieser Rechtsauffassung nicht anzuschließen.

Insofern die Bestimmung des § 1052 erster Satz ABGB. zum Ausdruck bringt, daß die Erfüllung eines Vertrages nur gleichzeitig Zug um Zug gegen Erfüllung der Gegenleistung verlangt werden kann, gilt dies nur, sofern die Parteien nichts anderes vereinbart haben.

Es ist unrichtig, daß eine Vorleistungspflicht der Beklagten nur dann gegeben wäre, wenn die Streitteile eine diesbezügliche Abrede ausdrücklich getroffen hätten. Die Parteien können vielmehr ihren Willen auch stillschweigend erklären (§ 863 ABGB.). Auch sind Verträge so zu verstehen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht (§ 914 ABGB.). Eine Räumung der vorübergehend bewohnten Räume im Hintertrakt des Hauses setzt voraus, daß der Kläger die von ihm in Bestand genommenen Räume im Vordertrakt des Hauses wieder beziehen kann. Wenn daher das Berufungsgericht eine Vorleistungspflicht der Beklagten annimmt, entspricht dies dem Sinn und Zweck der von den Parteien am 2. August 1962 geschlossenen Vereinbarung. Die Bestandgeber müssen daher in Erfüllung ihrer Vorleistungspflicht die klagegegenständlichen Räume dem Kläger wieder übergeben und können erst dann, nach Ablauf einer für den Umzug notwendigen Frist, also bei Fälligkeit der Gegenleistung, die Räumung der vom Kläger benützten Räume des Hintertraktes verlangen.

Aber selbst wenn man eine Vorleistungspflicht der Beklagten nicht annehmen wollte, ist im Endergebnis für diese nichts gewonnen, weil sie es unterlassen haben, dem klageweise erhobenen Anspruch des Klägers die Einrede des nicht erfüllten Vertrages entgegenzusetzen. Wie der Oberste Gerichtshof bereits in seiner Entscheidung ZBl. 1924 Nr. 253 dargelegt hat, muß zwar derjenige, der auf die Erfüllung einer vertraglichen Verbindlichkeit dringen will, selbst seine (bereits fällig gewordene oder gleichzeitig fällig werdende) Verbindlichkeit erfüllt haben oder doch zu deren Erfüllung bereit sein. Dazu ist aber keineswegs erforderlich, die Tatsache der bereits erfolgten Erfüllung in der Klage zu behaupten oder die Bereitwilligkeit zur Erfüllung in der Klage zu erklären. Wenn der Kläger ohne derartige Erklärungen die Klage eingebracht hat, ist es Sache der Beklagten, der Klage die exceptio non adimpleti contractus entgegenzusetzen und den Kläger dadurch zu veranlassen, zu dieser Einrede Stellung zu nehmen. Die Beklagten haben aber eine solche Einrede, wie erwähnt, in erster Instanz nicht erhoben, sondern bloß das Zustandekommen des Vertrages und ihre Verpflichtung zur Übergabe der klagsgegenständlichen Wohnung bestritten.

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