Normen
HGB §346
HGB §346
Spruch:
Ein Kaufmann ist verpflichtet, gegen ihm von einer Bank verrechnete Spesen innerhalb angemessener Frist zu remonstrieren, wenn diese Spesen in ihrer Summe höher als üblich sind
Entscheidung vom 24. November 1966, 5 Ob 295/66
I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien
Text
Auf Grund eines von der Klägerin vorgelegten und vom Beklagten als Akzeptanten unterfertigten Wechsels über einen Betrag von 262.256 S erließ das Erstgericht am 16. Oktober 1964 gegen den Beklagten Wechselzahlungsauftrag über die Wechselsumme samt 6% Zinsen seit 14. Oktober 1964.
Der Beklagte erhob gegen den Wechselzahlungsauftrag Einwendungen dahin, daß er behauptete, er habe weit höhere Gegenforderungen gegen die Klägerin, die er aufrechnungsweise einwende. So habe die Klägerin bei der Abwicklung bedeutender Transitgeschäfte des Beklagten diesem wesentlich überhöhte Spesen und Provisionen angerechnet und aus den bei ihr für den Beklagten eingegangenen Zahlungen auf diese Weise zu Unrecht Beträge zurückbehalten, die sie dem Beklagten deshalb noch schulde und die in ihrer Summe jedenfalls den Klagsbetrag erreichen. Im Zuge des Verfahrens bezifferte der Beklagte diese Gegenforderung mit 299.939.39 S.
Das Erstgericht hielt den Wechselzahlungsauftrag aufrecht.
Das Berufungsgericht bestätigte das erstgerichtliche Urteil.
Auszugehen sei von der im Berufungsverfahren unbekämpft gebliebenen Feststellung des Erstrichters, daß der Beklagte gegen die "angehobenen" Abrechnungen, die ihm ordnungsgemäß mitgeteilt worden seien, während der ganzen Geschäftsperiode keine Einwendungen erhoben habe.
Da der Kläger als Kaufmann verpflichtet sei, die ihm übermittelten Abrechnungen auf ihre Richtigkeit zu prüfen, müsse aus seinem Stillschweigen dazu - ohne Rücksicht auf eine vorausgegangene Vereinbarung - auf seine Zustimmung zur Verrechnung überhöhter Spesen geschlossen werden. Bei der Vielzahl der Abrechnungen und angesichts der ungewöhnlichen Höhe der verrechneten Spesen sei der Beklagte nach Treu und Glauben verpflichtet gewesen, zu den Abrechnungen Stellung zu nehmen, wenn er sie nicht hätte anerkennen wollen. Gerade die angeblich maßlose Überhöhung der Spesen hätte dem Beklagten auffallen müssen, da von jedem mit solchen Geschäften befaßten Kaufmann zu erwarten sei, daß er die Angemessenheit von Spesen beurteilen könne. Die Gegenforderung des Beklagten bestehe daher nicht zu Recht.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Die auf die Behauptung der Verrechnung überhöhter Spesen durch die Klägerin gestützte Gegenforderung des Beklagten ist nicht berechtigt.
Auszugehen ist von der unbekämpft gebliebenen Feststellung des Erstrichters, daß dem Beklagten die Abrechnungen seinerzeit zukamen und daß er dagegen während der ganzen diesbezüglichen Geschäftsverbindung mit der Klägerin keine Einwendungen erhob. Nach § 346 HGB. ist unter Kaufleuten in Ansehung der Bedeutung und Wirkung von Handlungen und Unterlassungen auf die im Handelsverkehr üblichen Gewohnheiten und Gebräuche Rücksicht zu nehmen. Das Berufungsgericht hat deshalb ohne Rechtsirrtum erkannt, daß der Beklagte als Kaufmann die üblichen Bankspesen hätte kennen müssen und daß er sich deshalb auf seine allfällige Unkenntnis nicht berufen könne. Da nun außer Streit steht, daß dem Beklagten um 271.797.65 S höhere als übliche Spesen verrechnet wurden, wäre er verpflichtet gewesen, innerhalb angemessener Frist dagegen zu remonstrieren, sollte nicht sein Stillschweigen als Zustimmung zu den ihm mitgeteilten Abrechnungen verstanden werden. Es kommt daher tatsächlich nicht darauf an, ob diese Abrechnungen auf einer vorausgegangenen Vereinbarung der Streitteile beruhten, sowie, ob die allgemeinen Geschäftsbedingungen und insbesondere die dort festgelegte Einwendungsfrist gegen Abrechnungen zum Inhalt des Vertrages zwischen den Streitteilen erhoben wurden. Denn die Klägerin konnte im Hinblick darauf, daß der Beklagte trotz der ihm in den Abrechnungen bekanntgegebenen außerordentlich hohen Belastungen seines Kontos mit Spesen während der mit Jänner 1964 zu Ende gegangenen Geschäftsverbindung niemals dagegen remonstrierte, sein Einverständnis mit diesen Belastungen voraussetzen. Daß sich in jedem Fall die außerordentliche Überhöhung der Spesen bloß aus der Summe der unter den verschiedensten Bezeichnungen angeführten Belastungen ergibt, während die einzelnen Ansätze keine auffällige Höhe erreichten, ändert nichts daran, da von einem Kaufmann nicht nur verlangt werden muß, daß er die ihm übermittelten Abrechnungen liest, sondern auch erfaßt, wenn ihm darin andere als übliche Spesen angerechnet werden.
Soweit die Revision meint, daß sich die Klägerin nicht auf Treu und Glauben berufen könne, weil sie selbst dem Beklagten gegenüber bei der Verrechnung überhöhter Spesen wider Treu und Glauben verstoßen habe, läßt sie außer acht, daß die Verpflichtung des Beklagten als Kaufmann, die Höhe der üblichen Bankspesen zu erkennen, nicht anders beurteilt werden kann, als die ebenso vorausgesetzte Beherrschung der im Geschäftsverkehr üblichen Rechenoperationen. Es ist deshalb der von der Revision als richtig zugegebene Grundsatz, daß es zur Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes gehöre, ihm zugekommene Rechnungen auf allfällige Rechenfehler zu überprüfen, auch auf die Verpflichtung auszudehnen, solche Rechnungen darauf zu untersuchen, ob dem Rechnungsempfänger andere als übliche Spesen angelastet wurden. Wenn aber ein Kaufmann, der eine Reihe von Spesenabrechnungen unbeanstandet gelassen hat, nicht nach Ablauf einer längeren Zeit darauf zurückzukommen kann, daß in den Rechnungen Additions- oder ähnliche Fehler unterlaufen seien, dann gilt dies auch für solche Fehler der Abrechnung, die aus der Belastung des Kunden mit nicht üblichen Spesen entstanden sind.
Der Revision war daher der Erfolg zu versagen.
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