Spruch:
Klagslegitimation des Verpflichteten nach § 110 KO. bezüglich des nicht gepfändeten und nicht überwiesenen Teiles der Forderung
Entscheidung vom 20. Oktober 1966, 5 Ob 313/66
I. Instanz: Kreisgericht Steyr; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz
Text
Über das Vermögen des Georg K. wurde am 15. Juli 1964 und über das der Margarethe K. am 1. September 1964 der Konkurs eröffnet.
Die klagenden Parteien meldeten im Konkurs des Georg K. unter PZl. 84 und im Konkurs der Margarethe K. unter PZl. 76 eine Forderung von 110.000 S s. A. als Gesamtschuld aus dem Titel der ungerechtfertigten Bereicherung als Konkursforderung dritter Klasse an.
Die Forderung wurde vom Masseverwalter in beiden Konkursen bestritten.
Mit Beschluß vom 5. Februar 1962 wurde dem betreibenden Gläubiger Leopold H. wider die nunmehrigen klagenden Parteien die Exekution zur Sicherstellung zugunsten seiner Forderung in der Höhe von 40.000 S samt 6% Zinsen seit 2. Dezember 1961, 1/3 Provision sowie 350 S und 472.26 S an Kosten u. a. durch Pfändung der den klagenden Parteien gegen die Ehegatten Georg und Margarethe K. zustehenden Forderung auf Rückzahlung von 110.000 S bis zur Höhe der vollstreckbaren Forderung bewilligt. Mit Beschluß vom 9. März 1962 wurde dem betreibenden Gläubiger Leopold H. die Exekution zur Befriedigung zugunsten der angeführten Forderung sowie einer weiteren vollstreckbaren Kostenforderung von 1508.73 S durch Pfändung und Überweisung bis zur Höhe der vollstreckbaren Forderung bewilligt.
Mit der vorliegenden Klage begehren die klagenden Parteien die Feststellung, daß ihnen die in den Konkursen Georg und Margarethe K. angemeldeten Forderungen mit 122.787.16 S und 123.350 S je als Konkursforderungen dritter Klasse zustehen und beide Konkursmassen bis zum Betrage von 122.787.16 S zur ungeteilten Hand hiefür haften.
Der beklagte Masseverwalter brachte u. a. vor, daß die klagenden Parteien zur Klagsführung nicht legitimiert seien, weil die eingeklagte Forderung zugunsten Dritter gepfändet und überwiesen sei.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, das Berufungsgericht bestätigte.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei teilweise Folge; er hob die Urteile der beiden Vorinstanzen, soweit sie das Begehren auf Zurechtbestehen einer Forderung von 80.456.17 S im Konkurs über das Vermögen des Georg K. sowie das Zurechtbestehen einer Forderung von 81.019.01 S im Konkurs über das Vermögen der Margarethe K. abweisen, auf und verwies die Rechtssache im Umfang der Aufhebung an das Prozeßgericht zurück.
Im übrigen, also soweit eine Forderung von 42.330.90 S in beiden Konkursen als nicht zu Recht bestehend angenommen wird, wurde der Revision nicht Folge gegeben und das angefochtene Urteil in diesem Umfang als Teilurteil bestätigt.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Gründen:
Dem Berufungsgericht ist beizupflichten, daß den klagenden Parteien bezüglich der bereits gepfändeten und überwiesenen Ansprüche, soweit die Überweisung reicht, die Legitimation zur Erhebung der Klage gegen den Drittschuldner fehlt (8 Ob 275, 276/64 = JBl. 1965 S. 591 u. a.). Mit der Pfändung und Überweisung zur Einziehung ist der Verpflichtete zu einer Verfügung über die Forderung gegen den Drittschuldner nicht mehr befugt (§ 294 EO.). Als berechtigt ist mit der Rechtskraft der Überweisung der Überweisungsgläubiger anzusehen. Das hat zur Folge, daß bezüglich des Teilbetrages von 40.000 S, der Kostenforderungen von 350 S, 472.26 S und des Betrages von 1508.73 S, somit hinsichtlich eines Betrages von insgesamt 42.330.99 S, den klagenden Parteien die Legitimation zur Klage mangelt, sodaß in diesem Umfang das Urteil des Berufungsgerichtes frei von Rechtsirrtum ist und zu bestätigen war. Bezüglich der Zinsenforderung seit 2. Dezember 1961, der Provision und allfälliger weiterer bewilligter Exekutionskosten bedarf die Höhe des überwiesenen Betrages im fortgesetzten Verfahren noch einer Erörterung mit den Parteien, sodaß in diesem Umfang die Sache noch nicht spruchreif ist.
Was die Frage anlangt, ob der Verpflichtete dann ein Klagerecht besitzt, wenn die gepfändete und überwiesene Forderung jene, zu deren Gunsten die Exekution bewilligt wurde, übersteigt, so wurde sie in der Rechtsprechung nicht einhellig beantwortet. Zum Teil wurde der Standpunkt eingenommen, daß sich das Pfandrecht und damit auch das Recht zur Einziehung der gepfändeten Forderung auf die gesamte Forderung beziehe und der Überweisungsgläubiger nur gemäß § 312 EO. verpflichtet sei, jenen Betrag der eingezogenen Forderung, der seine eigene Forderung übersteige, entweder zu Gericht zu hinterlegen oder allenfalls den übrigen Gläubigern oder Verpflichteten auszufolgen (GMA. EO.[10] S. 1335, die unter Nr. 4 angeführte Judikatur, ferner 3 Ob 630/54 = JBl. 1955 S. 309).
Den gegenteiligen Standpunkt, daß die Überweisung immer nur bis zur Höhe der vollstreckbaren Forderung erfolge, und darum, wenn diese geringer ist als die gepfändete Forderung, dem Verpflichteten hinsichtlich des Überschusses das Verfügungs- und Klagerecht bewahrt bleibt, hat der Oberste Gerichtshof u. a. in den Entscheidungen GlUNF. 7324, 2 Ob 16/52 und 8 Ob 275, 276/64 = JBl. 1965 S. 591 eingenommen. Der letzteren Auffassung folgt das Revisionsgericht auch im vorliegenden Fall. Für sie spricht der Grundsatz, daß die Exekution nicht weiter durchgeführt werden darf, als es das Bedürfnis des Einzelgläubigers erfordert. Aber auch der Umstand, daß dem Verpflichteten, wenn er sich mit dem Überweisungsgläubiger nicht einigt, das Stimmrecht nach § 92 KO. bezüglich des nicht gepfändeten und nicht überwiesenen Teiles der Forderung im Falle ihrer Feststellung nicht entzogen werden kann, spricht für die Richtigkeit dieser Auffassung. Der Verpflichtete ist in einem solchen Fall mit dem Teil der Forderung stimmberechtigt, der nicht gepfändet wurde. Eine davon abweichende Regelung enthält § 144 (1) Satz 2 KO. nur für das Zwangsausgleichsverfahren. Es entspricht das auch der Bestimmung des § 92 (2) KO., wonach die Mehrheit der Stimmen nach dem Betrag der Forderung zu berechnen ist. Die bei Bartsch - Pollak, KO.[3] I. Band S. 455, 456 Anm. 17 vertretene Auffassung, daß der Überweisungsgläubiger und der Verpflichtete Solidargläubiger seien sowie die von Hellmann getroffene Unterscheidung (s. hiezu Bartsch - Pollak, KO.[3] I. Band S. 456 Anm. 17, Fußnote 37), ob es sich nur um die Befriedigung des Gläubigers handle (da habe er allein das Stimmrecht) oder um eine Verfügung über die Pfandforderung (da haben es beide) findet im § 92 KO. keine Stütze. Sie wird auch von Pollak, System des Österreichischen Zivilprozeßrechtes[2], III. Band S. 999 nicht geteilt.
Der Bejahung der Klagslegitimation bezüglich des nicht gepfändeten und nicht überwiesenen Teiles der Forderung steht auch nicht entgegen, daß zufolge des über das Vermögen des Georg und der Margarethe K. anhängigen Konkurses von vornherein nicht gesagt werden kann, mit welchem Teilbetrag die Forderung überhaupt befriedigt wird. Dies muß in vereinzelten Fällen, wie bei Klagen nach § 110 KO., in Kauf genommen werden.
Ist aber die Sachlegitimation der klagenden Partei bezüglich des nicht gepfändeten und nicht überwiesenen Teiles der geltend gemachten Forderung aus den angeführten Gründen gegeben, dann sind, da die angemeldete Forderung im Konkurs bestritten wurde, die weiteren Anspruchsvoraussetzungen zu prüfen. Da sich die Vorinstanzen - ausgehend von der von ihnen vertretenen Rechtsauffassung - mit den Anspruchsvoraussetzungen aber nicht auseinandergesetzt haben, ist die Sache im Umfang der Aufhebung noch nicht spruchreif.
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