OGH 5Ob270/66

OGH5Ob270/6629.9.1966

SZ 39/157

Normen

EO §109
EO §111
KO §81
EO §109
EO §111
KO §81

 

Spruch:

Zur Aufkündigung einer Wohnung in einem unter Zwangsverwaltung stehenden Haus ist an Stelle des Vermieters nur der Zwangsverwalter berechtigt. Dies gilt auch, wenn über das Vermögen des Hauseigentümers der Konkurs eröffnet wurde und das Haus zur Masse gehört

Entscheidung vom 29. September 1966, 5 Ob 270/66

I. Instanz: Bezirksgericht Neulengbach; II. Instanz: Kreisgericht St. Pölten

Text

Die Beklagten sind Mieter einer Wohnung im Haus Nr. 34, dessen Eigentümer Leopold M. ist. Mit dem Vorbringen, Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen des Leopold M. zu sein, kundigte der Kläger den Beklagten den Mietvertrag über ihre Wohnung, gestützt auf § 19 (2) Z. 3 MietG., gerichtlich auf. Obwohl das Erstgericht mit Amtsvermerk vom 13. Mai 1966 festgehalten hatte, daß hinsichtlich dieses Hauses zu E .../66 des Bezirksgerichtes N. eine Zwangsverwaltung anhängig sei, erließ es mit Beschluß vom gleichen Tag die der Aufkündigung entsprechenden Aufträge an die beklagten Parteien. Diese erhoben gegen die Aufkündigung Einwendungen, worin sie lediglich das Vorliegen des behaupteten Kündigungsgrundes bestritten. Bei der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung wendeten sie jedoch außerdem noch den Mangel der Aktivlegitimation des Klägers ein, da das Haus Nr. 34 infolge seiner Zwangsverwaltung der Konkursmasse des Hauseigentümers entzogen sei. Die Tatsache der anhängigen Zwangsverwaltung dieses Hauses wurde außer Streit gestellt.

Das Erstgericht hob ohne Durchführung eines Beweisverfahrens die Aufkündigung mit Urteil auf und wies das Räumungsbegehren ab. Es vertrat den Standpunkt, daß zur Aufkündigung des Mietvertrages ausschließlich der Zwangsverwalter legitimiert sei. Obwohl der Mangel der Klagslegitimation des Masseverwalters in den Einwendungen nicht geltend gemacht worden sei, müsse er im vorliegenden Fall trotz der im Kündigungsverfahren herrschenden Eventualmaxime berücksichtigt werden, weil die Eventualmaxime die Konzentration des Verfahrens bezwecke, das Verfahren aber ohne Beweisaufnahme spruchreif sei und daher durch die verspätete Einwendung keine Verzögerung erfahre.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes und erklärte die Revision für zulässig. Die Begründung seiner Entscheidung läßt sich wie folgt zusammenfassen:

Wenn auf eine im übrigen zu einer Konkursmasse gehörige Liegenschaft durch einen Absonderungsgläubiger Exekution mittels Zwangsverwaltung geführt werde, entstehe eine Sondermasse, auf welche der Masseverwalter nicht mehr Einfluß nehmen könne, als die Exekutionsordnung dem Verpflichteten einräume. Da zur Kündigung von Bestandverträgen an Stelle des Verpflichteten als Hauseigentümer nur der Zwangsverwalter berechtigt sei, stehe auch dem Masseverwalter dieses Recht nicht zu. Die Sanierung der Prozeßführung des Masseverwalters durch den Zwangsverwalter sei ausgeschlossen, weil dies zu einer unzulässigen Parteiänderung führen würde. Es könne dahingestellt bleiben, ob es sich bei dem Mangel des Kündigungsrechtes des Masseverwalters um eine von Amts wegen wahrzunehmende Verfügungsbeschränkung oder um einen Mangel der Sachlegitimation handle, die nur über Einrede zu beachten wäre, da die Tatsache der anhängigen Zwangsverwaltung nach dem Aktenvermerk vom 13. Mai 1966 gerichtsbekannt sei. Eine gerichtsbekannte Tatsache bedürfe aber keiner Behauptung und keines Beweises, sondern sei von Amts wegen wahrzunehmen. Die Frage der Rechtzeitigkeit der Einwendung der mangelnden Aktivlegitimation durch die Beklagten sei daher belanglos. Wenn der Antrag auf Erlassung der Aufkündigung nicht bereits wegen dieses Mangels zurückgewiesen werde, müsse eine Sachentscheidung im Sinne der Aufhebung der Aufkündigung ergehen.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Soweit sich die Revision zur Begründung ihrer Auffassung, daß trotz der anhängigen Zwangsverwaltung der Masseverwalter zur Aufkündigung des mit dem Beklagten bestehenden Mietvertrages berechtigt sei, auf die Entscheidung ZBl. 1931 Nr. 88 beruft, ist ihr entgegenzuhalten, daß gerade der in dieser Entscheidung ausgesprochene Rechtssatz, wonach sich der Geschäftskreis des Masseverwalters nach § 81 KO. und jener des Zwangsverwalters nach § 109 EO. nicht decken, für den Standpunkt der Untergerichte spricht. Es ist wohl richtig, daß der Masseverwalter das Recht und die Pflicht hat, im Interesse aller Gläubiger des Gemeinschuldners Rechtsstreitigkeiten, die die Masse ganz oder teilweise betreffen, zu führen, und daß zur Konkursordnung auch jene Vermögenswerte des Gemeinschuldners gehören, an denen Absonderungsrechte bestehen (EvBl. 1965 Nr. 222). Wenn aber, wie hier, zur abgesonderten Befriedigung eines Pfandgläubigers, dessen Rechte durch die Konkurseröffnung nach § 11 KO. unberührt bleiben, die Zwangsverwaltung des Pfandgegenstandes bewilligt wurde, tritt neben den Masseverwalter der Zwangsverwalter. Es kann in einem solchen Fall auch zu einer Vereinigung dieser beiden Ämter in einer Person kommen (vgl. § 123 KO., Bartsch - Pollak I, S. 424, Anm. 12 zu § 86 KO., GlU. 9177, 12.194).

In einem solchen Fall ist eine Pflichtenkollision möglich, die nur durch Enthebung des Verwalters von einer seiner Funktionen gelöst werden kann. Dies ist der Fall, wenn ein unter Zwangsverwaltung stehendes, aber zu einer Konkursmasse gehöriges Haus veräußert werden soll, wozu zwar der Masseverwalter, nicht aber der Zwangsverwalter berechtigt ist (vgl. Bartsch - Pollak I, S. 425 Anm. 13 zu § 86 KO.). Zur Aufkündigung des Mietvertrages über eine in einem solchen Haus gelegene Wohnung ist jedoch nach § 111 EO. nur der Zwangsverwalter berechtigt. Dieser ist nach herrschender Lehre (vgl. Neumann - Lichtblau I, S. 412 und die dort in Fußnote 1 angeführte weitere Literatur) und der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (GlUNF. 4082, SZ. IX 302 und andere) innerhalb der ihm übertragenen Verwaltung ein Organ des Gerichtes, das als solches die Verwaltungsrechte des Verpflichteten in Durchführung der vom Gericht bewilligten Exekution ausübt (ebenso EvBl. 1957 Nr. 243). Der Zwangsverwalter ist daher auch nicht berechtigt, auf seine Rechte ganz oder teilweise zu verzichten oder deren Ausübung durch dritte Personen zuzustimmen (ZBl. 1936 Nr. 257). In bezug auf die dem Zwangsverwalter nach dem Gesetz obliegenden Rechtshandlungen besteht daher keine Vertretungsbefugnis des Masseverwalters. Der Kläger war somit tatsächlich zur Einbringung der vorliegenden Aufkündigung nicht befugt und es könnte daran auch eine allfällige Zustimmung des Zwangsverwalters nichts ändern.

Es besteht auch kein Grund, von der in der zuletzt angeführten Entscheidung (ZBl. 1936 Nr. 257) ausgesprochenen Auffassung abzugehen, daß dieser Mangel der Vertretungsbefugnis nicht dem nur über Einwendung wahrzunehmenden Mangel der Klageberechtigung gleichgestellt werden kann. "Einschränkungen der Verfügungsbefugnis, die sich aus besonderen gesetzlichen Vorschriften ergeben und in der Absicht erlassen wurden, den Rechtsbereich einer Person für die Dauer eines bestimmten Verfahrens durch Aufstellung besonderer Organe einzuengen, muß der Richter auch dann beachten, wenn sie der Prozeßgegner der durch die Verfügung betroffenen Partei nicht eingewendet hat."

Es kann daher in der Auffassung der Untergerichte, daß der vorliegende Mangel der Vertretungsbefugnis des Klägers trotz der Verspätung der diesbezüglichen Einwendung der Beklagten zu berücksichtigen war und daß wegen dieses Mangels die Kündigung aufgehoben werden mußte, ein Rechtsirrtum nicht erblickt werden. Nach den obigen Ausführungen bestand nämlich auch entgegen der Auffassung der Revision kein Grund, von Amts wegen zu prüfen, ob der Zwangsverwalter der Einbringung der vorliegenden Aufkündigung durch den Masseverwalter zustimmte. Es handelt sich dabei auch um keinen Mangel der gesetzlichen Vertretung, der nach §§ 6 und 7 ZPO. saniert werden könnte, da zwar der Masseverwalter als gesetzlicher Vertreter des Gemeinschuldners hinsichtlich des Konkursvermögens anzusehen ist (vgl. Bartsch - Pollak I. S. 402 Anm. 7 zu § 83 KO.), der Zwangsverwalter aber weder gesetzlicher Vertreter des Verpflichteten noch des Masseverwalters im Konkurs des Verpflichteten ist.

Aus diesen Erwägungen war der Revision der Erfolg zu versagen.

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