OGH 5Ob195/66

OGH5Ob195/668.7.1966

SZ 39/126

Normen

KO §3
KO §6 (3)
KO §7
KO §81
KO §3
KO §6 (3)
KO §7
KO §81

 

Spruch:

Während des Konkursverfahrens steht dem Gemeinschuldner nicht das Recht zu, vom Masseverwalter vorgenommene Veräußerungen von Liegenschaften aus der Masse mittels Klage selbständig anzufechten

Entscheidung vom 8. Juli 1966, 5 Ob 195/66

I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt Wien; II. Instanz:

Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien

Text

Das Handelsgericht W. eröffnete am 15. März 1963 über das Vermögen der widerklagenden Partei das Konkursverfahren und bestellte Rechtsanwalt Dr. Harald S. zum Masseverwalter. Das Verfahren ist noch anhängig.

Die zur Konkursmasse gehörige Liegenschaft EZ. X KG. Innere Stadt, Wien wurde im Rahmen der Verwertung der Konkursmasse an die klagende und widerbeklagte Partei verkauft, deren Eigentumsrecht im Jänner 1964 im Grundbuch einverleibt wurde.

Die nunmehrige Liegenschaftseigentümerin brachte am 21. Jänner 1965 gegen die Widerklägerin und deren Tochter die Klage auf Räumung von Wohnungen im Hause der genannten Liegenschaft ein.

Mit der gegenständlichen Widerklage vom 17. Juli 1965 stellte die Gemeinschuldnerin, ohne durch den Masseverwalter vertreten zu sein, das Begehren, die Klägerin (Widerbeklagte) zu verhalten, ob der genannten Liegenschaft in die grundbücherliche Einverleibung der Löschung der Bewilligung der Einverleibung des Eigentumsrechtes der Widerbeklagten sowie in die Einverlebung des Eigentumsrechtes der Widerklägerin einzuwilligen. Zugleich beantragte sie die Anmerkung des Streites bei der Einverleibung des Eigentumsrechtes der Widerbeklagten. Zur Begründung brachte sie vor, daß der dem bücherlichen Eigentumserwerb der Widerbeklagten zugrunde liegende Kaufvertrag vom 14. Jänner 1964 gemäß § 1 Wucherges. bzw. § 879 (2) Z. 4 ABGB. nichtig sei, weil die Liegenschaft durch den Masseverwalter verschleudert worden sei.

Das Erstgericht wies den Antrag auf Streitanmerkung ab. Es hielt die Aktivlegitimation der Widerklägerin zur Führung des Prozesses für gegeben, weil diese Prozeßhandlungen keine Verfügung über die Konkursmasse beinhalten und bloß auf deren Erhaltung gerichtet seien. Es vermeinte jedoch, die Widerklage sei nicht schlüssig, zumal mit der Klage die Einwilligung in die Einverleibung der Widerklägerin und nicht bloß die Löschung des Eigentumsrechtes der Widerbeklagten begehrt werde.

Diesen Beschluß bekämpfte die Widerklägerin mit Rekurs.

Das Rekursgericht gab dem Rechtsmittel keine Folge, erklärte aber aus Anlaß des Rekurses das Verfahren ab Klagezustellung für nichtig und wies die Klage sowie den damit verbundenen Antrag auf Bewilligung der Streitanmerkung zurück. Zu diesem Ergebnis gelangte es aus folgenden Erwägungen:

Der Gemeinschuldner sei in Ansehung der Konkursmasse nicht verpflichtungsfähig und gemäß § 1 KO. in diesem Umfange auch prozeßunfähig. Der Mangel der Verfügungsfähigkeit sei in jeder Lage des Verfahrens amtswegig wahrzunehmen (§ 6 ZPO.).

Die Rekurswerberin beziehe sich u. a. auch auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes zu 5 Ob 62/65, in der es sich um die von der Gemeinschuldnerin beantragte Anmerkung des Streites gemäß § 66 GBG. gehandelt habe. Der Oberste Gerichtshof habe diesen Antrag bewilligt, weil der Gemeinschuldner berechtigt sei, diese Streitanmerkung zu begehren, wenn der Antrag auf die Behauptung gestützt werde, daß die Masse infolge eines strafbaren Vorgehens des Masseverwalters oder anderer Organe des Konkursverfahrens durch die bekämpfte Eintragung geschmälert worden sei. Damit sei aber für die Rekurswerberin im vorliegenden Falle nichts gewonnen. Die Einschränkungen der Verfügungsbefugnis und der prozessualen Handlungsfähigkeit des Gemeinschuldners auf Grund der Bestimmungen der KO. berühren zwar nicht seine selbständige Berechtigung, eine Strafanzeige gegen den Masseverwalter zu erstatten. Dieses Recht gelte aber nicht für die Führung von Zivilprozessen, die nach der Konkursordnung nicht vom Gemeinschuldner, sondern nur vom Masseverwalter anhängig gemacht und fortgesetzt werden dürfen (§§ 3, 7, 81 KO.). Aus der Sonderbestimmung des § 66 GBG. ergäbe sich für diese Streitanmerkung als Voraussetzung nur der Nachweis der erfolgten Strafanzeige. Anders sei die Anmerkung der Löschungsklage nach § 61 GBG. zu beurteilen, bei der die Beschränkungen der prozessualen Handlungsfähigkeit zu berücksichtigen seien. Dabei sei nicht zu übersehen, daß die Veräußerung der Masse ein Zwangsmittel sei, das der Gemeinschuldner hinnehmen müsse. Der Erfolg des Konkursverfahrens würde weitgehend in Frage gestellt werden, würde man dem Gemeinschuldner das Recht einräumen, vom Masseverwalter vorgenommene Veräußerungen im Prozeßwege anzufechten. Sei die Widerklägerin mangels der gesetzlichen Vertretung zur selbständigen Klageführung nicht berechtigt, dann sei dieser Mangel auch beim Antrag auf Bewilligung der Streitanmerkung gegeben. Die Nichtbeachtung der Bestimmung des § 6 KO. und das Fehlen der gesetzlichen Vertretung habe sohin anläßlich des Rekurses zur Nichtigerklärung des Verfahrens und zur Zurückweisung der Klage, infolgedessen auch zur Zurückweisung des Antrages auf Bewilligung der Streitanmerkung führen müssen.

Diese Entscheidung des Rekursgerichtes bekämpfte die Widerklägerin, soweit das Verfahren ab Klagezustellung für nichtig erklärt und die Klage und der damit verbundene Antrag auf Bewilligung der Streitanmerkung zurückgewiesen wurden.

Der Oberste Gerichtshof gab diesem Rekurs nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Rekurs ist zwar zulässig (JBl. 1958 S, 212), aber nicht begrundet.

Die Rekurswerberin will, so wie im Rekurs gegen den

erstgerichtlichen Beschluß, unter Hinweis auf die

oberstgerichtlichen Entscheidungen zu 1 Ob 154/64 = JBl. 1965, S.

323, 1 Ob 63/65 und 5 Ob 62/65 = EvBl. 1965 Nr. 408 neuerlich

dartun, daß ihr ohne Vertretung durch den Masseverwalter das selbständige Klagerecht im vorliegenden Prozeß deshalb zustehe, weil dem Masseverwalter nicht zuzumuten sei, den gegenständlichen Klageanspruch geltend zu machen, zumal dieser selbst an der wucherischen Veräußerung der Liegenschaft beteiligt gewesen sei.

Diese Klage ist aber nicht gegen den Masseverwalter oder gegen sonstige Organe des Konkursverfahrens, sondern gegen einen Dritten gerichtet und bezweckt die Annullierung einer im Konkursverfahren vorgenommenen Rechtshandlung, nämlich einer Veräußerung anläßlich der Verwertung der Konkursmasse. Dies bedeutet einen der Gemeinschuldnerin nicht zustehenden Eingriff in Maßnahmen der nach der Konkursordnung dazu befugten Organe. Streitgegenstand ist ein Vermögen, das zur Konkursmasse gehörte und im Falle der Nichtigerklärung des Kaufvertrages wieder in die Konkursmasse zurückfallen müßte. Damit würden Wirkungen herbeigeführt, die den Stand der Masse betreffen und mit dieser in Zusammenhang stehen. Zur Vornahme derartiger Prozeßhandlungen ist nur der Masseverwalter berechtigt. Auf die Bestimmung des § 6 (3) KO. kann sich die Gemeinschuldnerin nicht berufen, weil nach dieser Gesetzesstelle nur Rechtsstreitigkeiten über Ansprüche, die das Konkursvermögen nicht berühren, insbesondere über Ansprüche aus persönlichen Rechtsverhältnissen des Gemeinschuldners, auch während des Konkurses anhängig gemacht werden können. Nur dem Masseverwalter steht das Recht zu, in der Kläger- oder Beklagtenrolle die Rechte der Masse wahrzunehmen, sofern dadurch auch Rechte der Konkursgläubiger berührt werden. Letzteres ist im vorliegenden Fall gegeben, weil den Konkursgläubigern nach der Konkursordnung das Recht auf konkursmäßige Verwertung des Massevermögens und auf Berichtigung ihrer Forderung aus dem Erlös zusteht. Führt der Gemeinschuldner selbst derartige Prozeßhandlungen durch, so sind sie nichtig. Die Nichtigkeit ist amtswegig zu beachten (4 Ob 175/60 = EvBl. 1961 Nr. 152).

Diese Rechtslage ändert sich auch nicht dadurch, daß der Masseverwalter im Hauptprozeß über die Klage, mit welcher die Gemeinschuldnerin auf Räumung der auf der gegenständlichen Liegenschaft gelegenen Wohnung belangt wird, die Erklärung abgegeben hat, daß er die Vertretung der Gemeinschuldnerin nicht übernehme; denn es handle sich hier nicht um eine Angelegenheit, die in die Konkursmasse falle. Durch diese Erklärung hat die Gemeinschuldnerin für die Erhebung der Widerklage vom Masseverwalter keine Ermächtigung erhalten. Bei dem Prozeß über die Widerklage handelt es sich um einen die Konkursmasse betreffenden Rechtsstreit und um einen selbständigen Prozeß, für den die erwähnte Erklärung des Masseverwalters keine Geltung haben kann.

Auch der Einwand, es müsse der Gemeinschuldnerin gestattet sein, bei der Verwertung der Masse wucherisch getätigte Veräußerungsgeschäfte anzufechten und im Interesse der Masse gerichtliche Schritte zu unternehmen, kann im Hinblick auf die beschränkte Verfügungsfähigkeit des Gemeinschuldners nicht überzeugen. Solange das Konkursverfahren anhängig ist, ist der Gemeinschuldner bloß auf die Möglichkeiten verwiesen, die ihm als Beteiligten am Konkursverfahren zustehen, und kann nur die ihm nach den Vorschriften der Konkursordnung zustehenden Rechte ausüben. Zutreffend hat das Rekursgericht hervorgehoben, daß der Erfolg eines Konkursverfahrens weitgehend in Frage gestellt wäre, wenn man dem Gemeinschuldner das Recht einräumen würde, noch während des anhängigen Konkursverfahrens die vom Masseverwalter nach den Verwertungsvorschriften der Konkursordnung vorgenommenen Veräußerungen anzufechten.

Das Gericht zweiter Instanz hat sohin mit Recht aus Anlaß des Rekurses wegen mangelnder selbständiger Klagebefugnis der Gemeinschuldnerin die Nichtigkeit des Verfahrens wahrgenommen und die Klage sowie den Antrag auf Streitanmerkung zurückgewiesen. Deshalb konnte dem Rekurs kein Erfolg zuteil werden.

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