OGH 7Ob56/66

OGH7Ob56/6625.5.1966

SZ 39/94

Normen

VersVG §158c (3)
ZPO §228
ZPO §240 (3)
ZPO §411
VersVG §158c (3)
ZPO §228
ZPO §240 (3)
ZPO §411

 

Spruch:

In der Abweisung eines positiven Feststellungsbegehrens wegen Risikoausschluß (§ 158c (3) VersvG.j ist eine der materiellen Rechtskraft fähige Negation des Deckungsverhältnisses gelegen; einem Leistungsbegehren, bei dem als Vorfrage ebenfalls die Deckungspflicht des Versicherers zu prüfen ist, kann daher mit der Einrede der Rechtskraft begegnet werden

Entscheidung vom 25. Mai 1966, 7 Ob 56/66

I. Instanz: Landesgericht Klagenfurt; II. Instanz: Oberlandesgericht Graz

Text

A. A. ist Eigentümer und Halter eines Traktors, der bei der beklagten Partei haftpflichtversichert ist. B. B., ein Dienstnehmer des A. A., stürzte am 22. April 1958, als er mit dem Traktor Blochholz führte, in eine Schlucht und starb an den Unfallsfolgen. Die klagende Sozialversicherungsanstalt, bei der B. B. unfallversichert war, erbrachte Leistungen an ihn und an seine Hinterbliebenen. A. A. wurde wegen des Unfalles nach § 335 StG. rechtskräftig verurteilt, weil er es unterlassen hatte, dem Lenker des Traktors einen Bremser für den Anhänger, auf dem das Blochholz gelagert war, beizustellen. Die klagende Partei erwirkte gemäß § 334 ASVG. gegen A. A. zu 15 Cg .../63 des Landesgerichtes Klagenfurt ein Urteil, das diesen zur Zahlung des aus der Unfallversicherung geleisteten Betrages samt Kosten an die klagende Partei verpflichtet. Wegen dieser Forderung erwirkte die klagende Partei die Exekutionsbewilligung auf den Deckungsanspruch des A. A. aus der Haftpflichtversicherung gegen die beklagte Versicherungs-A. G. Da die beklagte Partei im Exekutionsverfahren in ihrer Äußerung nach § 301 EO. einen solchen Deckungsanspruch verneinte, brachte die klagende Partei die vorliegende Klage ein, womit sie gegen die beklagte Partei als Haftpflichtversicherer die angeblich dem A. A. zustehende Forderung auf Grund der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung geltend macht.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es führte aus, gemäß § 149 VersVG. habe der Versicherer zwar dem Versicherungsnehmer die Leistungen zu ersetzen, die dieser einem Dritten zu bewirken habe, der mitversicherte Fahrer B. B. sei aber kein Dritter im Sinne dieser Bestimmung. Auch seine Hinterbliebenen seien nicht Dritte, weil sie nicht originäre, sondern nur vom mitversicherten Fahrer abgeleitete Ansprüche geltend machen könnten.

Im Berufungsverfahren brachte die beklagte Partei vor, der Deckungsanspruch des A. A. gegen die beklagte Partei sei im Verfahren zu 18 Cg .../65 vom Landesgericht Klagenfurt mit Urteil vom 22. Juni 1965 rechtskräftig abgewiesen worden.

Das Berufungsgericht änderte das Urteil im Sinne des Klagebegehrens ab. Es führte im wesentlichen aus, im vorliegenden Fall handle es sich nicht um Ansprüche des mitversicherten Fahrers gegen den Versicherungsnehmer, sondern um einen auf § 334 ASVG. gestützten originären Anspruch der klagenden Partei aus einem vom Arbeitgeber grob fahrlässig verschuldeten Arbeitsunfall seines Dienstnehmers. Dritter sei jeder, dem der Versicherungsnehmer haftpflichtig werde, also auch die klagende Partei. Wenn die beklagte Partei auch gegenüber A. A. gemäß § 61 VersVG. leistungsfrei geworden sei, könne sie sich gemäß § 158c VersVG, dem geschädigten Dritten gegenüber auf die Leistungsfreiheit nicht berufen.

Die im Berufungsverfahren erhobene Einrede der rechtskräftig entschiedenen Streitsache hielt das Berufungsgericht nicht für begrundet, weil im Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung erster Instanz im vorliegenden Rechtsstreit (24. März 1965) das Urteil im Rechtsstreit 18 Cg .../65 noch nicht ergangen war, es könnte daher nur Streitanhängigkeit gegeben sein, weil die Klage in diesem Rechtsstreit bereits am 17. November 1961 eingebracht worden sei. Streitanhängigkeit aber liege nicht vor, weil in beiden Rechtsstreitigkeiten der Klagsanspruch und der Rechtsgrund verschieden seien. Im Rechtsstreit 18 Cg .../65 sei es um die Abwehr drohender Ansprüche der Unfallversicherungsanstalt gegangen und sei als Klagegrund mangelndes grobes Verschulden des A. A. geltend gemacht worden, während hier ein auf § 334 ASVG. gestützter Anspruch eines Sozialversicherungsträgers im Drittschuldnerprozeß geltend gemacht werde.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei Folge, hob die Urteile erster und zweiter Instanz und das vorausgegangene Verfahren auf und wies die Klage zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die klagende Partei hat zwar im Rechtsstreit 15 Cg .../63, den sie gegen A. A. führte, ihr selbständig gemäß § 334 ASVG. zustehende Ansprüche geltend gemacht und zugesprochen erhalten. Im vorliegenden Rechtsstreit, einem Drittschuldnerprozeß, macht sie aber als Überweisungsgläubiger Deckungsansprüche des Verpflichteten A. A. gegen dessen Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsanstalt geltend. Es kommt also nicht darauf an, ob der klagenden Partei selbständige Ansprüche gegen A. A. zustehen, sondern darauf, ob A. A. aus dem genannten Unfall ein Deckungsanspruch gegen seine Versicherungsanstalt zusteht. Nun hat A. A. bereits am 17. November 1961 gegen die jetzige beklagte Partei eine Klage eingebracht (18 Cg .../65), worin er ausführt, die jetzige klagende Partei mache gegen ihn wegen Aufwendungen, die sie für den verunglückten B. B. und dessen Hinterbliebene gemacht habe, Ansprüche geltend. Er beantragte die Feststellung, daß die beklagte Partei schuldig sei, ihm Versicherungsschutz gegen diese Haftpflichtansprüche zu gewähren. In diesem Verfahren wurde mit Urteil vom 22. Juni 1965 das Klagebegehren rechtskräftig abgewiesen, weil A. A. seinem Dienstnehmer nicht schadenersatzpflichtig sei, eine vom Versicherer übernommene Gefahr daher nicht vorliege.

Der Überweisungsgläubiger kann zwar die ihm überwiesene Forderung gegen den Drittschuldner selbständig einklagen, er macht dies aber in Vertretung des Verpflichteten (§ 308 EO.). Er kann in den vom Verpflichteten gegen den Drittschuldner bereits eingeleiteten Rechtsstreit eintreten, auf die Stellung der Parteien hat die Überweisung der Forderung aber keinen Einfluß (Neumann - Lichtblau S. 968 ff.). Die Identität der Parteien in beiden Rechtsstreitigkeiten muß daher bejaht werden (GlUNF. 3379). Aber selbst wenn man den Überweisungsgläubiger wie einen Zessionar als Rechtsnachfolger des Verpflichteten ansähe, ändert das nichts daran, daß sich die Wirkung einer rechtskräftigen Entscheidung auch auf diesen Rechtsnachfolger erstreckt. Wirkt die Rechtskraft des zwischen den Parteien ergangenen Urteils für und gegen ihre Rechtsnachfolger, so ist damit die an sich gegebene Verschiedenheit der Personen zwischen Parteien und Sukzessoren weggefallen und ein neuer Rechtsstreit des Rechtsnachfolgers oder gegen ihn mit einem gleichen Prozeßgegenstand ausgeschlossen (Judikat 63 neu = EvBl. 1956 Nr. 88).

Gemäß § 240 (3) ZPO. sind u. a. Streitanhängigkeit und Rechtskraft eines die Streitsache betreffenden Urteiles jederzeit von Amts wegen zu berücksichtigen. Es kann daher auch die Partei selbst das Fehlen dieser Prozeßvoraussetzungen in jeder Lage des Verfahrens rügen und zum Antrag auf amtswegige Überprüfung machen, auch noch im Rechtsmittelverfahren. Die Nichtberücksichtigung der Streitanhängigkeit und der Rechtskraft bewirkt in gleicher Weise die Nichtigkeit des Verfahrens wie die im § 477 ZPO. aufgezählten Nichtigkeitsgrunde. Die amtswegige Wahrnehmung dieser Prozeßhindernisse ist nur dort ausgeschlossen, wo bereits eine bindende Entscheidung des Gerichtes besteht, die ihr Vorliegen verneint (Fasching, zu § 240 ZPO.). Dieser Fall liegt hier nicht vor. Entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes ist auf ein über dieselbe Sache ergangenes rechtskräftiges Urteil daher auch nach Schluß der Verhandlung erster Instanz in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen Bedacht zu nehmen, auch im Rechtsmittelverfahren, wenn ein zulässiges Rechtsmittel vorliegt.

Es ist daher nur noch die Frage zu erörtern, ob die Entscheidung im Rechtsstreit 18 Cg .../65 für den vorliegenden Rechtsstreit eine rechtskräftig entschiedene Streitsache bedeutet. In dem genannten Rechtsstreit handelt es sich um die grundsätzliche Feststellung der Deckungspflicht der beklagten Partei gegenüber dem Versicherungsnehmer. Im vorliegenden Rechtsstreit handelt es sich um Leistungsbegehren, bei dem als Vorfrage ebenfalls die Deckungspflicht der beklagten Partei zu prüfen ist.

Wird in einem Urteil das festzustellende Recht oder Rechtsverhältnis als nicht bestehend erkannt, so wird das Klagebegehren geradeso abgewiesen, als ob in die Feststellung nicht eingegangen worden und die Klage mangels der Voraussetzung des Interesses oder mangels einer anderen Voraussetzung nicht berechtigt wäre. Es wird daher allgemein die Ansicht vertreten, daß in der Abweisung der positiven Feststellungsklage wegen Nichtbestehens des Rechtsverhältnisses eine der materiellen Rechtskraft fähige Negation des Rechtsverhältnisses gelegen ist. Aus Gründen der Prozeßökonomie muß diese Ansicht vertreten werden, weil sonst in einem nächsten, dasselbe Rechtsverhältnis betreffenden Prozeß auf die negative Feststellung oder auf Leistung das ganze Verfahren wiederholt werden müßte und dann die Entscheidung möglicherweise anders ausfallen könnte, sodaß das erste Urteil gar keine Rechtskraftwirkung äußern würde. Im Falle der Abweisung der positiven Feststellungsklage wegen Nichtbestehens des Rechtes oder Rechtsverhältnisses steht der wiederholten Geltendmachung des Bestehens dieses Rechtes daher die Einrede der Rechtskraft entgegen (Neumann S. 891 ff.).

Die Meinung des Berufungsgerichtes, der Anspruch sei deshalb nicht ident, weil im Rechtsstreit 18 Cg .../65 mangelndes grobes Verschulden des Versicherungsnehmers geltend gemacht worden sei, während hier ein auf § 334 ASVG. gestützter Anspruch des Sozialversicherungsträgers geltend gemacht werde, ist nicht richtig. Im Vorprozeß wurde die Deckungspflicht der beklagten Partei vom Versicherungsnehmer als Klagsgrund geltend gemacht. Dieselbe Deckungspflicht wird im vorliegenden Prozeß vom Überweisungsgläubiger geltend gemacht. Der auf § 334 ASVG. gestützte Anspruch wurde dagegen im Rechtsstreit der klagenden Partei gegen A. A. als Dienstgeber des Verunglückten, also in einem anderen Rechtsstreit, geltend gemacht. Entgegen der Meinung der klagenden Partei wird hier auch nicht ein Anspruch eines Dritten nach § 158c

(1) VersVG. geltend gemacht, sondern der regelrechte Deckungsanspruch des Versicherungsnehmers gegen den Versicherer, der im genannten Vorprozeß wegen Risikoausschluß verneint wurde. Es liegt daher ein Fall des § 158c (3) VersVG. vor.

Da also bereits bei Einbringung der vorliegenden Klage Streitanhängigkeit gegeben war und nunmehr rechtskräftig entschiedene Streitsache vorliegt, waren die Urteile der Unterinstanzen und das Verfahren als nichtig aufzuheben und die Klage zurückzuweisen.

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