Spruch:
Wurde bei der gemischten Schenkung das Eigentum gegen einen für den ganzen Gegenstand bestimmten Preis übertragen, betrifft der Widerruf der Schenkung im Zweifel nur den Unterschiedsbetrag zwischen Preis und Wert
Entscheidung vom 8. März 1966, 8 Ob 26/66
I. Instanz: Kreisgericht Wiener Neustadt; II. Instanz:
Oberlandesgericht Wien
Text
Die Klägerin hat mit notariellem Kaufvertrag vom 22. März 1954 den Beklagten, ihrem Bruder und ihrer Schwägerin, die Liegenschaft EZ. X KG. N. mit den Grundstücken Baufläche 4389 mit KNr. 3164 und Garten 2252/8 um 10.800 S verkauft. Der Kaufpreis wurde durch ein von den Beklagten zu leistendes Ausgedinge für die Klägerin und deren Gatten im Werte von 5800 S und durch Anrechnung von Forderungen der Käufer für geleistete Arbeiten und Aufwendungen im Hause der Verkäuferin sowie für geleistete Unterstützungen der Verkäuferin berichtigt.
Die Klägerin behauptete, der Kaufvertrag sei tatsächlich eine Schenkung gewesen, die sie widerrufe, und begehrte zunächst, die Beklagten schuldig zu erkennen, in die Einverleibung des Eigentumsrechtes der Klägerin ob der ganzen Liegenschaft einzuwilligen. Im Zuge des Verfahrens schränkte die Klägerin ihr Begehren auf Zustimmung zur Einverleibung ihres Eigentumsrechtes ob drei Viertel Anteilen der angeführten Liegenschaft ein.
Das Erstgericht hat ohne Durchführung einer Beweisaufnahme das Klagebegehren abgewiesen. Es hat ausgeführt, auch wenn man davon ausgehe, daß der Kaufvertrag vom 22. März 1954 ein gemischter Vertrag gewesen sei, könne die Klägerin das Begehren nicht stellen, denn sie habe nicht behauptet, daß die Abtrennung und Rückstellung eines Teilstückes der gesamten Liegenschaft, welches drei Viertel Anteilen entspreche, in natura möglich sei. Daß eine solche Teilung unmöglich sei, ergebe sich, abgesehen von der mangelnden Behauptung, aus der vom Sachverständigen verfaßten Lageskizze. Daher hätte die Klägerin nur den Wert der Schenkung in Geld begehren können. Dessen Zuspruch könne aber ohne Verletzung des Grundsatzes des § 405 ZPO. nicht erfolgen.
Das Berufungsgericht hat das erstgerichtliche Urteil unter Beifügung eines Rechtskraftvorbehaltes aufgehoben. Es hat ausgeführt, es sei zwar richtig, daß bei einem entgeltlichen Geschäft auch eine Schenkung mitenthalten sein und dieser Teil des Vertrages bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen wegen groben Undankes angefochten werden könne. Allerdings reiche das bloße Zurückbleiben des Wertes der Gegenleistung gegenüber jenem der erhaltenen Leistung noch nicht aus, um in dem überschießenden Betrag eine Schenkung zu erblicken. Es komme vielmehr entscheidend darauf an, ob der überschießende, durch die Gegenleistung nicht gedeckte Teil in Schenkungsabsicht gegeben und angenommen worden sei. Die Ansicht des Erstgerichtes, daß das Begehren der Klägerin schon deshalb scheitern müsse, weil die Liegenschaft nicht in natura teilbar sei, könne aber nicht geteilt werden. Es lägen daher Feststellungsmängel vor, da das Erstgericht keine Feststellungen über den von der klagenden Partei behaupteten Sachverhalt getroffen habe.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der Beklagten Folge, hob den zweitinstanzlichen Beschluß auf und trug dem Berufungsgericht eine neuerliche Entscheidung auf.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Die beklagten Parteien meinen zunächst, auch wenn man entgegen ihren Behauptungen davon ausgehe, daß der Kaufvertrag vom 22. März 1954 ein gemischter Vertrag sei, stelle dieser ein einheitliches Rechtsgeschäft dar, das nicht ohne weiteres in zwei getrennte Teile, einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen, zerrissen werden könne. Daher hätte die Klägerin nur Aufhebung des ganzen Vertrages und Rückstellung der beiderseitigen Leistungen begehren können.
Nun hat der Oberste Gerichtshof aber bereits in der Entscheidung vom 17. Juli 1872, SpR. 6, ausgesprochen, daß ein entgeltliches Rechtsgeschäft, wenn und soweit es eine Schenkung enthalte, aus den in den §§ 947 bis 955 ABGB. bezeichneten Gründen angefochten werden könne. In dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatte die klagende Partei allerdings nicht das ganze Geschäft angefochten oder einen ideellen Anteil der Vertragsliegenschaft zurückverlangt, sondern nur jenen Betrag herausverlangt, der dem Werte der Schenkung entsprochen hat. Darüber, ob dann, wenn eine Liegenschaft in einem gemischten Vertrag überlassen worden ist, die Anfechtung des unentgeltlichen Teiles des Vertrages dazu führt, daß die Liegenschaft zu einem ideellen Anteil zurückverlangt werden kann, sagt diese Entscheidung nichts. Sie sagt nur, daß das Klagebegehren auf Zahlung eines bestimmten Betrages nicht zu beanstanden sei, weil die Rückstellung des Bauerngutes in jenem relativen Anteil, womit eine Schenkung an den Beklagten stattfand, in natura nicht mehr möglich sei.
Bei Entscheidung der Frage, welche Folgen der Widerruf der in einem gemischten Vertrag enthaltenen Schenkung hat, kann jedenfalls der Gegenstand der Schenkung nicht außer Betracht bleiben. Wenn - wie im vorliegenden Fall - durch den Vertrag das Eigentum an einem Haus mit Grund gegen Bezahlung eines für den ganzen Gegenstand bestimmten Preises übertragen wird, muß im Zweifel - solange nichts anderes behauptet wird, was in diesem Verfahren nicht geschehen ist - angenommen werden, daß der Unterschiedsbetrag zwischen dem wahren Wert der Liegenschaft und dem Wert der Gegenleistung, nicht aber ein ideeller Hausanteil geschenkt werden sollte. Der Widerruf der Schenkung betrifft daher nur den "überschießenden Betrag". Nur dieser könnte also vom Geschenkgeber zurückverlangt werden. Das Erstgericht hat somit zutreffend, wenn auch aus etwas anderen Erwägungen, ausgesprochen, daß das Klagebegehren, das auf Zustimmung zur Einverleibung von drei Viertel Anteilen des Eigentumsrechtes zugunsten der Klägerin lautet, rechtlich verfehlt ist. Aus diesem Gründe bedurfte es keiner Aufhebung des Ersturteiles, um die Schenkungsabsicht der Parteien festzustellen.
Dem Rekurs war daher Folge zu geben, ohne daß auf seine weiteren Gründe einzugehen war, und der angefochtene Beschluß des Berufungsgerichtes war aufzuheben, da die Rechtssache im Sinne einer Bestätigung des Ersturteiles spruchreif ist.
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