OGH 2Ob425/65

OGH2Ob425/6523.2.1966

SZ 39/35

Normen

ABGB §936
ABGB §936

 

Spruch:

Bezugsverträge sind als Vorverträge zu behandeln. Es kann nur auf Zuhaltung des Vertrages geklagt werden, nicht auf Zahlung des Kaufpreises

Entscheidung vom 23. Februar 1966, 2 Ob 425/65

I. Instanz: Landesgericht Salzburg; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz

Text

Die klagende Partei, die einen Großhandel mit Optikwaren betreibt und die Beklagte, die Eigentümerin mehrerer Einzelhandelsgeschäfte für Optikwaren, insbesondere auch Teilhaberin der X Ges. m. b. H. in Salzburg ist, haben am 31. Jänner 1961 eine schriftliche Vereinbarung geschlossen, wonach sich die Beklagte für die Dauer ihrer Beteiligung an der X Ges. m. b. H. verpflichtete, für diese und ihre sonstigen Betriebe jährlich Waren im Mindestfakturenwert von 1.500.000 S käuflich zu erwerben. Die Art der Warenlieferungen ist von Fall zu Fall festzulegen. Gegenstand der Liefervereinbarung sind nur diejenigen Erzeugnisse, die von der klagenden Partei geführt werden.

Nachdem die klagende Partei die Beklagte zur Warenbestellung vergeblich aufgefordert hatte, verlangte sie Bezahlung eines Kaufpreisteilbetrages von 100.000 S, wobei sie sich bereit erklärte, der Beklagten den Gegenwert in Waren aus ihrem Sortiment nach Wahl der Beklagten zu Listenpreisen zur Verfügung zu stellen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf folgende Feststellungen:

Die Beklagte stand schon vor dem Vertragsabschluß mit der klagenden Partei in Geschäftsbeziehung. Der Wert ihrer jährlichen Bestellungen belief sich auf zirka 30.000 S. Bei den Bestellungen wurde von Fall zu Fall eine bestimmte Rabattgewährung vereinbart, die nicht immer genau 10% betrug, und die Art der Rabattgewährung in Form eines Warenrabattes vereinbart. Die Beklagte bezog Brillenfassungen der S. Brillenfabrik, ferner japanische Feldstecher, Feldstecher der Firma P. und Barometer der Firma L. Die klagende Partei führte damals lediglich Waren der S. Brillenfabrik, deren Generalvertretung für Österreich sie besaß, ferner Waren der Firmen F., G., De L., P. und M. Bereits im Dezember 1960 erklärte Dipl.-Kfm. Theodor M., der Inhaber der klagenden Partei, der Beklagten, daß er die Vertretung der Firma Y. bekommen werde und die Vertretung der Firma L. innehabe, sodaß die Beklagte schon deshalb bei Vertragsabschluß annehmen mußte, daß sie auch Waren dieser Erzeugerfirmen bei der Klägerin bestellen könne. Die Vereinbarung wurde in einer Gaststätte in Innsbruck von den Parteien unterzeichnet, nachdem sie vorher in der Kanzlei des Rechtsanwaltes Dr. P. über den von Dipl.-Kfm. M. angeregten Eintritt der Beklagten in die neu gegrundete X. Ges. m. b. H. verhandelt hatten. Als die Beklagte vor der Unterfertigung wegen der vorgesehenen hohen Warenmenge Bedenken äußerte, bemerkte Dipl.-Kfm. M. auch bei dieser Verhandlung, daß er sein Verkaufsprogramm durch Waren der Firma Y. und anderer Firmen erweitern werde und daß er die Vertretung der Firma Y. auch tatsächlich bekommen werde. Über die abzunehmenden Waren und über die Preise wurde nicht gesprochen. Dipl.-Kfm. M. sagte der Beklagten aber zu, daß die Preise bei den einzelnen Bestellungen ausgehandelt werden sollten und die Beklagte 10% Rabatt erhalten könnte, was ebenfalls bei jeder Bestellung vereinbart werden sollte.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, daß es sich bei der Vereinbarung um eine Wahlschuld nach § 906 ABGB. handle, der aber keine Rechtswirksamkeit zukomme, weil weder die zu verkaufende Ware noch deren Preis von den Parteien näher bestimmt wurden oder objektiv bestimmbar seien, wozu komme, daß infolge der fälschlichen Zusicherung des Inhabers der klagenden Partei, daß er auch die Vertretung anderer Firmen, insbesondere der Firma Y. bekommen werde, eine Irreführung der Beklagten über wesentliche Geschäftsumstände vorliege, die diese nach § 871 ABGB. zur Nichteinhaltung der geschlossenen Vereinbarung berechtige.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil, ohne auf die Berufungsgrunde der unrichtigen Beweiswürdigung und der Mangelhaftigkeit des Verfahrens einzugehen, aus rechtlichen Erwägungen. Es trat der Meinung des Erstgerichtes bei, daß es sich um einen Wahlkauf handle, der als Wahlobligation nach § 906 ABGB. angesehen werden müsse. Für einen solchen Wahlkauf sei aber erforderlich, daß ebenso wie für jeden anderen Kauf Ware und Preis bestimmt oder zumindest objektiv bestimmbar sind. Beides treffe aber nicht zu. Die Art der Warenlieferung sollte erst von Fall zu Fall festgelegt werden. Es seien mit keinem Wort die verschiedenen in Frage kommenden Warengruppen näher bezeichnet worden, und auch nicht ausgeführt worden, was bei einer gänzlichen oder teilweisen Betriebsumstellung bzw. Übernahme neuer Vertretungen durch die Klägerin zu erfolgen hätte. Auch die Preisvereinbarung sei völlig offen. In der Bezugnahme auf den Fakturenwert könne ein Hinweis auf den sonst handelsüblichen oder angemessenen Preis nicht erblickt werden, weil die Preisfestsetzung in der Faktura allein vom Verkäufer erfolgt. Es liege auch keine Bezugnahme auf den Preis vor, der anderen Abnehmern gewährt wird oder auf Listenpreisen, von denen gar nicht feststunde, ob sie hinsichtlich sämtlicher von der Klägerin geführten Erzeugnisse bestehen. Es fehle auch jede Bezugnahme auf die bei derart großen Abnahmen allgemein üblichen, im Einzelfalle der Höhe nach aber jeweils verschiedenen der Vereinbarung vorbehaltenen Rabatte.

Die Klägerin sei aber auch nicht berechtigt, einen Kaufpreisteilbetrag zu verlangen. Erst wenn die Auswahl aus den verschiedenen zur Wahl stehenden Warensorten getroffen wurde, was allenfalls von der klagenden Partei geschehen müßte, wenn die Beklagte unbegrundet die Vornahme der Wahl verweigere und wenn feststunde, welche Menge von jeder einzelnen Warenart zu liefern sei, könne von einem auf diese Waren entfallenden Kaufpreis gesprochen werden. Die Einklagung des Kaufpreises setze voraus, daß das Kaufobjekt einwandfrei feststehe. Diesbezüglich seien die Bestimmungen für den Spezifikationskauf heranzuziehen.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Entgegen der Ansicht der Untergerichte vermag der Oberste Gerichtshof in der getroffenen Vereinbarung keinen Kaufvertrag zu erblicken. Mit Rücksicht darauf, daß die Vereinbarung nicht für einen begrenzten Zeitraum geschlossen wurde, muß sie zunächst als Dauerschuldverhältnis angesehen werden. Der Beschränkung für die Dauer der Beteiligung der Beklagten an der X. Ges. m. b. H. kommt mit Rücksicht darauf, daß die Vereinbarung auch für die Rechtsnachfolger gelten soll, keine Bedeutung zu. Die übernommene Verpflichtung geht dahin, jährlich Waren aus dem Sortiment der klagenden Partei käuflich zu erwerben. Der Vertrag kann daher nicht als Kaufvertrag, sondern höchstens als Vorvertrag zum Abschluß von Kaufverträgen oder als Rahmenvertrag angesehen werden, auf Grund dessen jährlich Kaufverträge abzuschließen sind. In beiden Fällen liegen daher Kaufverträge noch nicht vor, sodaß bei Nichtzuhaltung nicht auf den Kaufpreis geklagt werden kann, sondern nur auf Zuhaltung der übernommenen Verpflichtung. Bei einem Vorvertrag zum Abschluß eines Kaufvertrages kann unter Umständen der Vorvertrag bereits als der Kaufvertrag selbst angesehen werden. Nicht aber dann, wenn - wie hier - es sich um eine dauernde Verpflichtung handelt. Die klagende Partei kann sich daher auch nicht mit Erfolg auf die Entscheidung 1 Ob 164/59 (HS. Band I Nr. 229) berufen, in welcher Sache die Verpflichtung, Büromaschinen und Büroeinrichtungsgegenstände bis zu einem Fakturenbetrag von 15.000 S innerhalb von zwölf Monaten zu kaufen, als gültiger Wahlkauf angesehen wurde, weil in diesem Falle Ware und Preis bestimmbar waren. Zwar ist im Gegensatz zu der Meinung der Untergerichte auch im vorliegenden Fall die Vereinbarung nicht deshalb ungültig, weil der Preis der zu beziehenden Waren nicht genügend bestimmbar wäre. Es würde sich hier um Handelskäufe handeln. Nach Handelsrecht kommt aber ein Kaufvertrag auch dann zustande, wenn der Preis nicht vereinbart ist und auch kein Laden- oder Richtpreis besteht. Die Vorschrift des § 1054 ABG. gilt für den Bereich des Handelsrechtes nicht, da für den Handelskauf ein abweichender Handelsbrauch besteht. In einem solchen Falle ist ein angemessener Preis zu entrichten (SZ. XXVI 284). Der vorliegende Fall unterscheidet sich aber von dem der Entscheidung 1 Ob 164/59 zugrunde liegenden dadurch, daß es sich dort um einen einmaligen Kaufvorgang handelte, kein Dauerschuldverhältnis vorlag. Derartige Bezugsverpflichtungen auf unbeschränkte Zeit können nicht als Kaufverträge angesehen werden. Sie unterliegen vielmehr der Regel des § 936 ABGB. und gelten unter der Voraussetzung, daß die "wesentlichen Stücke des Vertrages bestimmt und die Umstände inzwischen nicht dergestalt verändert worden sind, daß dadurch der ausdrücklich bestimmte oder aus den Umständen hervorleuchtende Zweck vereitelt oder das Zutrauen des einen oder anderen Teiles verloren wird." Der Klagsanspruch geht in diesem Falle immer nur auf Zuhaltung des Vertrages (Klang[2] IV 579).

Das Klagebegehren auf Kaufpreiszahlung war schon aus diesem Gründe abzuweisen.

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