OGH 5Ob237/65

OGH5Ob237/654.11.1965

SZ 38/181

Normen

EheG §49
EheG §49

 

Spruch:

Ein Zusammenhang zwischen beiderseitigen Eheverfehlungen braucht gemäß § 49 letzter Satz EheG. nicht auf jeden Fall zu bestehen

Entscheidung vom 4. November 1965, 5 Ob 237/65

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien

Text

Der Kläger begehrte die Scheidung seiner mit der Beklagten am 26. Jänner 1938 geschlossenen Ehe wegen schwerer Eheverfehlungen der Frau nach § 49 EheG.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Seine Begründung läßt sich dahin zusammenfassen, daß von den der Beklagten zur Last gelegten Eheverfehlungen als erwiesen anzunehmen sei, daß die Beklagte den Kläger - wenngleich zum Teil nach vorausgehenden Beschimpfungen seinerseits - mit "Hurenkerl" und "Schwein" bezeichnet habe, daß sie in die Lokale gegangen sei, in denen der Kläger musizierte, um ihn dort bloßzustellen und ihn vor allen Leuten als "Hurenkerl" zu bezeichnen, daß die Beklagte dem Kläger Küchenabfälle an den Kopf geworfen und ihm anläßlich ihres Urlaubes ein geringes Kostgeld zurückgelassen habe und sie die Fortsetzung der Ehe verweigert habe. Das Verhalten der Beklagten stelle zwar eine Reihe schwerer Eheverfehlungen dar, doch sei im Hinblick auf die vom Kläger begangenen schwerwiegenden Eheverfehlungen das Scheidungsbegehren nicht gerechtfertigt.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

In seiner Rechtsrüge wendet sich der Kläger gegen die Auffassung, daß auch die Beschimpfungen des Klägers seitens der Beklagten und das Bloßstellen seiner Person in öffentlichen Lokalen, das Aufgeben der ehelichen Gemeinschaft und die Schikanen der Beklagten nicht als schwere Eheverfehlungen der Beklagten im Sinne des § 49 EheG. anzusehen seien, die eine Scheidung der Ehe rechtfertigen. Die Beklagte, die nicht gewillt sei, die Ehe fortzusetzen, wäre sonst in der Lage, den Kläger bis zu seinem Lebensende mit Bosheiten zu verfolgen.

Damit zeigt der Revisionswerber keine maßgeblichen Gesichtspunkte auf. Das Vorliegen von Eheverfehlungen auf Seiten der Beklagten ist kein Hindernis für die Anwendung des zweiten Satzes des § 49 EheG. Nach dieser Gesetzesstelle kann derjenige, der selbst eine Verfehlung begangen hat, die Scheidung der Ehe nicht begehren, wenn nach der Art seiner Verfehlung, insbesondere wegen des Zusammenhanges der Verfehlung des anderen Ehegatten mit seinem eigenen Verschulden, sein Scheidungsbegehren bei richtiger Würdigung des Wesens der Ehe sittlich nicht gerechtfertigt ist. Ein Zusammenhang zwischen den beiderseitigen Eheverfehlungen braucht nach der Vorschrift des § 49 EheG. nicht bestehen. Doch muß nach dem Schrifttum (Godin[2], EheG. S. 178 ff., Scanzoni 1943, S. 118; Hoffmann - Stephan, Komm. zum Ehegesetz 1950, S. 190) und der Rechtsprechung (3 Ob 7/56 = EvBl. 1956 Nr. 253; 5 Ob 356/64; 5 Ob 106/65 u. a.) die Art der Verfehlungen des Scheidungsklägers in einem solchen Fall die Verfehlungen des anderen Ehepartners in den Hintergrund treten lassen. Diesfalls gab sich der Kläger durch Jahre, wenn er musizierte, dem Trunke hin. Er verursachte Ausschreitungen, wenn er betrunken nach Hause kam, beschimpfte die Beklagte und ging auch gegen sie vor. Im Jahre 1958 mußte er am "Steinhof" angehalten werden. Seine Ausschreitungen zur Nachtzeit werden von der Nachbarschaft wahrgenommen. Das Verhalten des Klägers führte damit zur Zerrüttung der Ehe. Die Beschimpfungen seitens der Beklagten und das Bloßstellen des Klägers in den Praterlokalen, wenn er musizierte, stehen - wenngleich nur in einem losen - Zusammenhang zu den schweren Verfehlungen des Klägers. Denn die Beklagte wendet sich bei ihrem Vorgehen dagegen, daß der Kläger weiter in Gasthäusern aufspielt und trinkt. Auch die weiteren von der Revision ins Treffen geführten Umstände, wie das Ausschrauben einer Glühbirne seitens der Beklagten, treten gegenüber den schweren Eheverfehlungen des Klägers in den Hintergrund. Die unverhältnismäßig größere Schwere der Verfehlungen des Klägers gegenüber jenen der Beklagten nimmt seinem Scheidungsbegehren die sittliche Rechtfertigung. Im übrigen ist die Beklagte zur Fortsetzung der ehelichen Gemeinschaft bei entsprechender Änderung des Verhaltens des Klägers ohnehin bereit.

Soweit aber der Revisionswerber die Auffassung vertritt, daß im Falle der Verneinung der sittlichen Rechtfertigung seines Scheidungsbegehrens die Beklagte zeitlebens gegen ihn Bosheitsakte setzen könne, kann dem nicht beigetreten werden. Setzt die Beklagte neue schwere Eheverfehlungen, so kann dies allenfalls zu einer anderen Beurteilung führen. Bei der gegebenen Sach- und Rechtslage fehlt aber dem Begehren des Klägers auf Scheidung seiner Ehe die sittliche Rechtfertigung.

Der Revision war somit der Erfolg zu versagen.

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