OGH 6Ob279/65

OGH6Ob279/6526.10.1965

SZ 38/171

Normen

ABGB §863
HGB §346
ABGB §863
HGB §346

 

Spruch:

Die Bestimmung in den Geschäftsbedingungen einer Putzerei, daß im Falle des Abhandenkommens eines zur Reinigung übernommenen Kleidungsstückes nur der 5fache Putzlohn vergütet werde, wird durch den bloßen Hinweis auf der Übernahmsbestätigung, daß die Übernahme auf Grund der im Geschäftslokal ausgehängten Bedingung erfolge, nicht Vertragsinhalt

Entscheidung vom 26. Oktober 1965, 6 Ob 279/65

I. Instanz: Bezirksgericht für Handelssachen Wien; II. Instanz:

Handelsgericht Wien

Text

Der Kläger behauptet, er habe der Beklagten - einem Wäschereiunternehmen - eine Hose zur Reinigung übergeben. Im Betrieb dieses Unternehmens sei sie in Verlust geraten. Er beantragt - nach Einschränkung des Begehrens infolge Zahlung von 150 S - ihre Verurteilung zur Zahlung des Wertes des gesamten Anzuges im Betrage von 1950 S s. A.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte im wesentlichen fest, der Kläger habe eine Hose und zwei weitere Kleidungsstücke in einer Filiale der Beklagten durch eine Mittelsperson übergeben. Es seien dafür drei Annahmebestätigungen ausgefolgt worden, die je den Hinweis enthielten, daß die Übernahme auf Grund der im Geschäft ausgehängten und dem Kunden bekannten Bedingungen erfolge. Im Geschäftslokal seien diese Bedingungen unter der Firmenbezeichnung des Vorgängers der Beklagten in größerer Schrift, als es Maschinschrift ist, neben der Preisliste und somit für die Kunden sichtbar angebracht gewesen. Ihr Punkt 5 habe gelautet: "Die Ware ist von uns gegen Brand und Einbruch versichert, bei einem Abhandenkommen eines Kleidungsstückes wird der fünffache Putzlohn vergütet" und ihr Punkt 6: "Sollten Sie mit diesen Konditionen nicht einverstanden sein, so bitten wir um Verständigung innerhalb von 24 Stunden. Unterbleibt diese Reklamation, nehmen wir Ihr Einverständnis an." Eine solche Erklärung des Klägers ist unterblieben. Die Hose ist im Betrieb der Beklagten verlorengegangen.

Rechtlich führte das Erstgericht aus, durch die Übergabe bzw. Übernahme des Kleidungsstückes sei ein Werkvertrag zustandegekommen. Für seinen Inhalt seien die Geschäftsbedingungen maßgebend, die im Geschäft ausgehängt seien, auf die in der Übernahmsbestätigung hingewiesen worden und gegen die eine Reklamation nicht erfolgt sei. Danach hafte die Beklagte nur begrenzt. Eine solche Beschränkung der Haftpflicht sei auch nicht sittenwidrig. Den danach geschuldeten Betrag habe die Beklagte aber bereits berichtigt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge und hob das Urteil unter Rechtskraftvorbehalt auf. Das Verfahren sei mangelhaft, weil sich das Erstgericht mit dem Schreiben der Beklagten vom 28. Juli 1964, Beilage C, nicht auseinandergesetzt habe. Es bedürfe der Prüfung, wie die Erklärung "... daß ein Betrag, der dem Gemeinwert des zur Reinigung übergebenen Teilstückes des Anzuges entspricht, als angemessen zu betrachten ist", zu verstehen sei, ob darin ein konstitutives Anerkenntnis liege. Wäre dies der Fall, wäre der Anspruch des Klägers auf Ersatz des Wertes der Hose schon deswegen berechtigt. Sollte ein solches Anerkenntnis nicht erfolgt sein, sei zu prüfen, ob die Übernahms- und Lieferbedingungen zwischen den Streitteilen vereinbart worden seien bzw. ob der Kläger sich ihnen unterworfen habe, gegebenenfalls in welchem Grad ein Verschulden der Beklagten vorliege. Ein Ausschluß einer Haftung für Vorsatz wäre sittenwidrig, für leichte Fahrlässigkeit könne die Haftung dagegen ausgeschlossen werden. Ob ein Ausschluß für grobe Fahrlässigkeit wirksam sei, hänge von den Umständen des Einzelfalles ab.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Es ist davon ausgegangen, daß die allgemeinen Geschäftsbedingungen nur im Geschäftslokal auf einem Zettel angeschlagen waren und in der Übernahmsbestätigung nur in kleiner unauffälliger Schrift auf diese Bedingungen hingewiesen wurde. Daß die Angestellten der Beklagten auf diese Bedingungen bei Ablieferung des Anzuges hingewiesen hätten, hat die Beklagte weder in erster Instanz noch in der Berufungsmitteilung behauptet, sondern auch dort nur aus den angeschlagenen Geschäftsbedingungen in Verbindung mit dem schriftlichen Hinweis in der Übernahmsbestätigung gefolgert, daß diese Bedingungen Vertragsinhalt geworden seien. Dem kann nicht gefolgt werden. Geschäftsbedingungen werden von Unternehmungen und Unternehmerverbänden, welche nach ihrer wirtschaftlichen Bestimmung eine größere Anzahl von Verträgen zu schließen haben, die einer wesentlich gleichartigen Regelung bedürfen, festgesetzt. Diese Allgemeinen Geschäftsbedingungen werden bei schriftlichen Verträgen häufig dadurch Geschäftsinhalt, daß sie in ein vom Vertragsgegner auszufüllendes und zu fertigendes Antragsformular aufgenommen werden. Vorausgesetzt ist dabei, daß es sich um Unternehmungen handelt, welche ihrem objektiven Charakter nach wirklich dem Massenbetrieb gewidmet sind. Solche Unternehmungen sind zum Beispiel Versicherungsgesellschaften, Banken, Spediteure, Elektrizitätswerke und dergleichen. Andere Geschäftsleute müssen weitergehende Vorsichten anwenden, wenn sie ihre "Bedingungen" zum Vertragsinhalt erheben wollen. Der bloße Hinweis auf nicht dem Wortlaut nach mitgeteilte Bedingungen genügt hier nicht, nicht einmal unter allen Umständen der Abdruck auf der Rückseite der Geschäftspapiere (Gschnitzer in Klang[2], IV 58). Die Rechtsprechung hat daher selbst beim geschäftlichen Verkehr unter Kaufleuten auch nur Vertragsbedingungen, die nicht ganz außer der üblichen Linie liegen und auch nicht nur versteckt auf einer Urkunde angebracht waren, als verbindlich anerkannt (SZ.XVIII 144).

Es ist hier ein strenger Maßstab anzulegen, weil verhindert werden soll, daß nicht leicht bemerkbare Vertragsbedingungen auf einer Urkunde zum Vertragsinhalt werden, bei deren Kenntnis der andere Vertragspartner den Abschluß des Vertrages allenfalls abgelehnt hätte (JBl. 1961 S. 635). Auch derjenige, der einen Massenvertrag abschließt, unterwirft sich den allgemein zur Einsicht offenen Vertragsbedingungen nur insoweit, als sie sich im Rahmen des Üblichen halten und nichts bestimmen, was in ihnen nicht vermutet werden kann. Solche Bedingungen können nicht Inhalt des Vertrages werden (RSpr. 1929 Nr. 154, JBl. 1961 S. 635). Die Prüfung der gegenständlichen Bestimmungen des Punktes 5 der Geschäftsbedingungen, nach denen für den Fall des Abhandenkommens eines der Beklagten zur Reinigung übergebenen Kleidungsstückes lediglich der fünffache Putzlohn vergütet werde, führt nach den vorstehenden Ausführungen dazu, daß sie nicht Inhalt des zwischen den Streitteilen zustande gekommenen Vertrages geworden sind. Ein bloßer Anschlag im Geschäftslokal, noch dazu in einer Schrift, die kaum größer als die einer Schreibmaschine ist, auf den in der Übernahmsbestätigung verwiesen wird, kann nicht genügen, eine derart weitgehende und außergewöhnliche Haftungsbeschränkung verbindlich festzusetzen. Es ist daher davon auszugehen, daß ein Haftungsausschluß nicht vereinbart wurde, und daher auch entbehrlich, zu prüfen, ob die Haftung der Beklagten auch wegen der Sittenwidrigkeit des Haftungsausschlusses und wegen eines Anerkenntnisses dieser Haftung begrundet ist. Die Beklagte, die selbst nicht behauptet, daß der Schaden ohne ihr Verschulden entstanden sei (§ 1298 ABGB.), haftet nach allgemeinen Schadenersatzgrundsätzen und es ist nur mehr die Höhe des Schadens festzustellen.

Im Ergebnis ist damit die Aufhebung des erstgerichtlichen Urteiles durch das Berufungsgericht berechtigt.

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