Normen
HGB §125
HGB §161 (2)
HGB §125
HGB §161 (2)
Spruch:
Wirkung einander widerstreitender Rechtshandlungen zweier selbständig vertretungsbefugter Komplementäre einer Kommanditgesellschaft (§§ 125. 161 (2) HGB.)
Entscheidung vom 5. Oktober 1965, 4 Ob 85/65.
I. Instanz: Arbeitsgericht Graz; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz
Text
Die klagende Partei ist eine Kommanditgesellschaft. Dr. Gottfried I. und Erika I. sind Komplementäre dieser Gesellschaft. Jeder der beiden Gesellschafter ist für sich allein vertretungsbefugt. Nach der Aktenlage ist die Ehe dieser beiden Gesellschafter geschieden und es bestehen zwischen Dr. Gottfried I. und Erika I. weitgehende persönliche Differenzen. Die vorliegende Klage hat Dr. Gottfried I. als vertretungsbefugter Gesellschafter eingebracht. Es wird begehrt, den Beklagten zu verurteilen, jede Tätigkeit für die klagende Partei E. & Co. und das Betreten ihrer Geschäftsräume zu unterlassen. Die klagende Partei behauptet, die ebenfalls für die klagende Partei allein vertretungsbefugte Erika I. habe unmittelbar vor dem 2. Dezember 1964 den Beklagten als Buchhalter angestellt. Doktor Gottfried I. habe die Einstellung des Beklagten als nicht erforderlich und daher als nachteilig für die Firma angesehen, weshalb er das Dienstverhältnis des Beklagten am 2. Dezember 1964 vormittags unter Ausfolgung eines schriftlichen Kündigungsschreibens gekundigt und den Beklagten unter Verzicht auf seine weitere Dienstleistung zum Verlassen der Geschäftsräume der klagenden Partei aufgefordert habe. Am 9. Dezember 1964 sei der Beklagte neuerlich in den Geschäftsräumen der klagenden Partei erschienen und habe diese trotz Aufforderung durch den Gesellschafter Dr. Gottfried I. nicht verlassen. Die klagende Partei habe daher ein rechtliches Interesse, den Beklagten durch Zwangsmittel vom Betreten der Firmenräume abzuhalten. Die beklagte Partei beantragte Abweisung der Klage. Die Anstellung des Beklagten durch die Gesellschafterin Erika I. sei rechtsgültig und sachlich begrundet: Dr. Gottfried I. habe die Einstellung einer weiteren Buchhaltungskraft prinzipiell für notwendig erachtet, weshalb Erika I. den Beklagten aufgenommen habe. Die mit Schreiben vom 2. Dezember 1964 ausgesprochene und dem Beklagten im Laufe des vormittags des gleichen Tages zugegangene Kündigung des Dienstverhältnisses sei unwirksam, weil die Gesellschafterin Erika I. der Vornahme dieser Kündigung ausdrücklich widersprochen habe. Die Kündigung des Beklagten hätte daher ebenso unterbleiben müssen wie die Entfernung des Beklagten aus den Betriebsräumen, der die Gesellschafterin Erika I. gleichfalls widersprochen habe.
Mit dem Ersturteil wurde dem Klagebegehren stattgegeben. Das Erstgericht gelangte auf Grund vorliegender Außerstreitstellungen zur Annahme, Dr. I. habe das von Erika I. begrundete Dienstverhältnis wirksam aufgelöst und dem Beklagten jede weitere Tätigkeit und das Betreten der Geschäftsräume wirksam verboten.
Das Berufungsgericht änderte infolge Berufung des Beklagten das Ersturteil dahin ab, daß es das Klagebegehren abwies. Das Berufungsgericht verhandelte die Sache gemäß § 25 (1) Z. 3 ArbGerG. von neuem. Im Berufungsverfahren erklärte die Gesellschafterin Erika I., daß sie von allem Anfang an der vorliegenden Prozeßführung widersprochen habe. Das Berufungsgericht hielt diesen Umstand für belanglos. Das Berufungsgericht stellte fest, Erika I. habe im Oktober 1964 vom Rechtsvertreter des Dr. I. ein Schreiben erhalten, in welchem u. a. die mangelhafte Besetzung der Buchhaltung erörtert und insbesondere darauf hingewiesen worden sei, daß mit einer Besetzung von einer Angestellten und einem Lehrling die Buchhaltung und die Kasse nicht ordnungsgemäß geführt werden könnten. Dr. I. behalte sich daher alle Ersatzansprüche wegen obiger Nachteile für die Firma infolge dieser ungenügenden arbeitsmäßigen Besetzung der Buchhaltungsabteilung vor. Erika I. habe sich daher bemüht, einen Buchhalter zu bekommen. Sie sei schließlich auf den Beklagten gestoßen. Erika I. habe als für die Gesellschaft allein vertretungsbefugte Gesellschafterin vor dem 2. Dezember 1964 den Beklagten für die Gesellschaft als zweiten Buchhalter auf unbestimmte Zeit und ohne Vereinbarung einer besonderen Kündigungsfrist aufgenommen. Dabei habe sie dem Beklagten auch erklärt, daß er eine Kündigung durch Dr. Gottfried I. nicht anzunehmen brauche, seine Dienste leisten müsse und daß sie jeder Kündigung durch Dr I. widersprechen werde. Gewitzigt dadurch, daß Dr. Gottfried I. etwa einen Widerspruch gegen die Einstellung des Beklagten als Buchhalter erheben könnte, habe Erika I. ihren Anwalt am 30. November oder 1. Dezember 1964 beauftragt, Dr. I. von der Aufnahme des Beklagten zu verständigen. Hierauf sei das Schreiben Dris. K. vom 1. Dezember 1964 an Dr. B. - den damaligen Rechtsvertreter des Dr. I. - ergangen, in welchem die Mitteilung an Dr. Gottfried I. erfolgte, daß Erika I. ab 2. Dezember 1964 einen weiteren Buchhalter in der Person des Beklagten angestellt habe.
Weiter heiße es in diesem Schreiben: "Die Anstellung des Herrn Dr. T. erscheint deshalb notwendig, weil die Buchhaltungshilfskraft Gabriele H. drei Monate die Schule in F. besuchen muß und eine buchhalterische weitere Kraft dringend geboten erscheint. Herr Dr. T. wird am 2. Dezember 1964 ihrem Herrn Klienten vorgestellt werden. Nachdem nach dem bisherigen Verhalten Ihres Klienten meine Klientin damit rechnen muß, daß Ihr Klient neuerlich Schwierigkeiten hinsichtlich der Anstellung des Herrn Dr. T. macht, widerspricht meine Klientin Frau Erika I. schon jetzt einer allfälligen Kündigung oder Auflösung des Dienstverhältnisses zu Herrn Dr. T." Dieses Schreiben sei am Nachmittag des 2. Dezember 1964, ungefähr um 15 Uhr, in der Kanzlei des Rechtsvertreters des Dr. I. eingelangt. Bereits mit Schreiben vom 7. September 1964 habe der Rechtsvertreter Erika I.s dem Rechtsvertreter Dris. I. mitgeteilt, daß Erika I. es ab sofort ablehne, mit Dr. Gottfried I. persönlich über die Kinder oder wie sonst geartete Fragen zu verhandeln und daß sie sämtliche diesbezügliche Fragenkomplexe nur mehr über die Anwälte abwickeln werde. Mit einem weiteren Schreiben vom 8. September 1964 habe Erika I. bekanntgegeben, daß sie u. a. gegen die Kündigung bzw. Entlassung und Aufnahme von Angestellten und Arbeitern durch Dr. Gottfried I. ohne Einholung ihres Einverständnisses Widerspruch erhebe.
Der Beklagte sei am 2. Dezember 1964 zu der mit Erika I. vereinbarten Zeit im Hauptbüro der klagenden Partei zum Dienstantritt erschienen. Erika I. habe ihm seinen Schreibtisch angewiesen, seinen Spind zeigen lassen und ihn dem übrigen Personal vorgestellt. Als der Beklagte sich geweigert habe, sich dem Dr. I. gegenüber zu legitimieren, habe Dr. I. telephonisch das Erscheinen eines Wachebeamten veranlaßt. Der Wachebeamte "habe aber nichts anfangen können". Schließlich sei es zur Verfassung des folgenden Schriftstückes gekommen: "Herr Dr. T. wurde mir heute von Frau Erika I. als zweiter Buchhalter, der von ihr namens der Firma aufgenommen worden war, vorgestellt. Ich weigere mich, Herrn Dr. T. in der Buchhaltung oder sonst im Bürobetrieb arbeiten zu lassen, und werde ihm unbedingt den Zutritt zur Buchhaltung verwehren. Ich kundige namens der Firma Herrn Dr. T. zum 31. März 1965 und anerkennt die Firma die Gehaltsansprüche von Herrn Dr. T. gleich, als ob er seine Arbeitskraft der Firma zur Verfügung stellen würde. E. & Co. Dr. I. eh." An diesem Schreiben habe Erika I. insofern mitgewirkt, als Dr. I. sehr erregt gewesen sei und das Schreiben sonst stilistisch unbrauchbar gewesen wäre. Der Beklagte habe das Schreiben kommentarlos übernommen. Erika I. habe dem Beklagten zur gleichen Zeit in Gegenwart des Dr. I. bedeutet, er müsse seiner Arbeit nachkommen, die notwendigen schriftlichen Schritte durch ihren Anwalt seien bereits erfolgt. Erika I. habe auch sofort bei Vornahme der Kündigung gegenüber Dr. I. gegen die Kündigung mündlich ausdrücklich Widerspruch erhoben. Diese sei ein Wahnsinn, die Firma könne nicht 20.000 S für nichts bezahlen. Erika I. sei mit der Kündigung nicht einverstanden gewesen. Doch seien sie und der Beklagte sich darüber einig gewesen, daß der Beklagte an diesem Tag die Firma verlasse, damit Ruhe eintrete. Erika I. habe gehofft, Dr. I. werde sich beruhigen oder zumindest sein Anwalt werde ihn beruhigen. Der Beklagte habe sich nicht gekundigt gefühlt. Er sei zur Überlegung gekommen, daß er sich an den Teil halten müsse, der ihm Rechte und Pflichten gebe. Nachdem in den nächsten Tagen der Beklagte in der Firma nicht erschienen war, habe ihn Erika I. zum Arbeitsantritt aufgefordert. Der Beklagte sei dann am 9. Dezember 1964 bei Dienstbeginn wieder im Geschäft erschienen, sei jedoch von Dr. I. an der Arbeit bzw. am Betreten des Buchhaltungsraumes gehindert worden. Das gleiche sei am 10. Dezember 1964 geschehen, an welchem Tage Dr. I. dem Beklagten das Schreiben vom 9. Dezember 1964 habe überreichen wollen. Dieses Schreiben hat folgenden Inhalt: "Ich beziehe mich auf das Ihnen am 2. Dezember 1964 vormittags in Gegenwart des intervenierenden Wachebeamten ausgefolgte Kündigungsschreiben, mit dem Ihr Dienstverhältnis zu unserer Firma zum 31. März 1965 unter Verzicht auf Ihre Dienstleistung gekundigt worden ist. Wir wiederholen, daß wir Ihnen eine Tätigkeit in der Firma untersagen und Sie auffordern, unverzüglich die Firmenräume zu verlassen." Der Beklagte habe die Annahme des Schreibens verweigert. Am 11. Dezember 1964 sei dann die Klage überreicht worden. Alle Handlungen, die der Beklagte im Unternehmen der klagenden Partei ausführte, seien über ausdrücklichen, im Namen der Gesellschaft erteilten Auftrag der Erika I. durchzuführen gewesen.
In rechtlicher Beziehung führte das Berufungsgericht aus, es müsse der festgestellte Sachverhalt nach §§ 125f HGB. beurteilt werden. Mangels anderer Vereinbarung habe jeder Gesellschafter und jeder ohne Mitwirkung des anderen Vertretungsmacht. Daß der Beklagte von Erika I. rechtsgültig für die Gesellschaft als Angestellter aufgenommen wurde, sei von Dr. I. auch nicht in Zweifel gezogen worden. Er habe - namens der Gesellschaft - den bereits rechtsgültig begrundeten Dienstvertrag wieder aufgekundigt und dem Beklagten das Betreten der Geschäftsräume untersagt. Dem aber habe Erika I. gleichzeitig widersprochen. Es lägen in diesem Zusammenhang widersprechende Erklärungen der beiden je für sich allein vertretungsbefugten Gesellschafter vor. Diese einander widersprechenden Erklärungen führten zur Aufhebung dieser Erklärungen. Das Dienstverhältnis des Beklagten zur klagenden Partei bestehe daher aufrecht weiter. Da die vom Beklagten entfaltete Tätigkeit und das Betreten der Geschäftsräume über ausdrücklichen Auftrag der für sich allein vertretungsbefugten Gesellschafterin Erika I. erfolgt sei, fehle dem Urteilsbegehren die Grundlage.
Der Oberste Gerichtshof hob das Urteil des Berufungsgerichtes auf und verwies die Sache an dieses Gericht zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung
Das Handelsgesetzbuch - und mit ihm die Rechtsprechung (vgl. z. B. EvBl. 1965 Nr. 272 S. 405) und die Rechtslehre - unterscheiden streng zwischen den Rechtsverhältnissen der Gesellschaft einer Offenen Handelsgesellschaft, untereinander (die im 2. Buch 1. Abschnitt, 2. Titel des Handelsgesetzbuches geregelt sind), zu welchen Vorschriften insbesondere die Vorschriften über die Geschäftsführung (§§ 114 ff.) zählen, und den Rechtsverhältnissen der Gesellschafter zu Dritten (2. Buch, 1. Abschnitt, 3. Titel des HGB.), zu welchen Vorschriften insbesondere die Bestimmungen über die Vertretung der Gesellschaft gehören.
Der Beklagte ist im Verhältnis zur Gesellschaft ein Dritter, auch wenn er deren Angestellter ist (vgl. Staub - Pisko, Komm. zum HGB. S. 490). Nimmt ein einzelvertretungsberechtigter Gesellschafter ein Rechtsgeschäft mit einem Dritten vor, so wird diese Handlung im Innenverhältnis als Geschäftsführungshandlung, im Außenverhältnis als Vertretungshandlung gewertet. Dies gilt auch für Handlungen der unberechtigten Geschäftsführer (Gogos, Die Geschäftsführung der Offenen Handelsgesellschaft, S. 16).
Für die Rechtsbeziehungen des Beklagten zur klagenden Gesellschaft - und nur um diese geht es im vorliegenden Rechtsstreit - ist es daher völlig unerheblich, ob die Anstellung des Beklagten als Buchhalter für die klagende Partei notwendig oder zweckmäßig war, es ist aber auch von keiner Bedeutung, ob Dr. I. oder Erika I. zu der einen oder anderen dem Beklagten gegenüber gesetzten Rechtshandlung im Innenverhältnis berechtigt waren oder nicht (Staub - Pisko a. a. O.). Es können daher alle Erörterungen darüber entfallen, ob im Innenverhältnis Erika I. berechtigt war, den Beklagten als Angestellten der klagenden Partei aufzunehmen, und ob Dr. I. im Innenverhältnis dazu berechtigt war oder ist, den Beklagten zu kundigen, ihn zu entlassen, ihm das Betreten der Geschäftsräume zu untersagen usw. Es können und müssen aber auch alle Erörterungen darüber unterbleiben, ob die Widersprüche, die die Gesellschafter Dr. I. und Erika I. gegen die Handlungen des anderen Gesellschafters erhoben haben, beachtlich waren, beachtlich sind oder nicht. Darüber kann nur in einem Rechtsstreit der Gesellschafter untereinander entschieden werden.
Handeln zwei selbständig vertretungsberechtigte Gesellschafter zeitlich nacheinander, so wird die Gesellschaft durch die Tätigkeit des zuerst Handelnden berechtigt und verpflichtet. Der später Handelnde kann die so entstandene Rechtslage nicht rückwirkend aufheben, sondern nur durch eine neue Handlung, etwa durch eine Kündigung oder durch den Abschluß eines neuen Vertrages, ändern. Nehmen sie gleichzeitig Handlungen vor, die einander widersprechen (z. B. der eine Gesellschafter lehnt ein Anbot ab, der andere nimmt es an), so liegt überhaupt keine wirksame Erklärung der Gesellschaft vor (Weipert im RGR.-Komm. z. HGB.[2] II 232 Anm. 13, Schlegelberger, HGB.[4] S. 1116 Anm. 7, Baumbach - Duden HGB.[16] S 374). Auch Staub - Pisko ist (a. a. O.) der Meinung, daß zur Vertretungsbefugnis auch die Befugnis gehört, die von einem anderen Gesellschafter geschlossenen Geschäfte rückgängig zu machen, auch er vertritt die Meinung, daß widersprechende Rechtshandlungen mehrerer einzelvertretungsberechtigter Gesellschafter einander gegenseitig aufheben, daß im übrigen die früher gesetzte Handlung gilt, weil sie einen endgültigen Zustand schafft. Diese Grundsätze gelten aber auch für Prozeßhandlungen, die einzelvertretungsberechtigte Gesellschafter für die Gesellschaft setzen. Ein solcher Gesellschafter kann - auch gegen den Widerspruch des anderen - einen Rechtsstreit namens der Gesellschaft anhängig machen, der andere Gesellschafter kann aber durch seine Vertretungshandlung auf den geltend gemachten Anspruch verzichten oder die Klage zurückziehen oder im Passivprozeß der Gesellschaft den gegen die Gesellschaft erhobenen Anspruch namens der Gesellschaft anerkennen. Durch ein solches Anerkenntnis, einen solchen Verzicht oder eine solche Klagsrücknahme wird ein endgültiger Zustand geschaffen, der die Gesellschaft bindet und den der andere Gesellschafter hinnehmen muß. Ob sich dadurch der eine oder der andere Gesellschafter etwa schadenersatzpflichtig macht, ist für den Rechtsstreit mit dem Dritten belanglos.
Wendet man diese Grundsätze auf den vorliegenden Rechtsstreit an, so ergibt sich zunächst, daß Erika I. als vertretungsberechtigte Gesellschafterin den Beklagten rechtswirksam für die Gesellschaft als Angestellten aufgenommen hat. Es ergibt sich aber auch, daß Dr. I., der diese Rechtshandlung seiner Mitgesellschafterin hinnehmen muß, auch gegen deren Widerspruch die durch die Anstellung des Beklagten geschaffene Rechtslage jederzeit durch Kündigung oder Entlassung des Beklagten wieder ändern kann. Eine solche Kündigung oder Entlassung ist, wenn Dr. I. hiezu auch im Innenverhältnis wegen des Widerspruches der Erika I. nicht berechtigt sein sollte, nach außen hin gegenüber dem Beklagten wirksam und kann sich dieser nicht darauf berufen, daß Dr. I. zu einer solchen Rechtshandlung nicht berechtigt sei, weil die andere Gesellschafterin Erika I. im Innenverhältnis widersprochen habe. Erika I. muß die durch eine allfällige vom allein vertretungsberechtigten Gesellschafter Dr. I. ausgehende Kündigung oder Entlassung des Beklagten geschaffene Rechtslage auch für die Gesellschaft hinnehmen, wäre aber ihrerseits - auch gegen einen allfälligen Widerspruch des Dr. I. - berechtigt, etwa den Beklagten neuerlich für die Gesellschaft anzustellen oder sonst mit ihm eine Abmachung zu treffen.
Nur wenn, wie am 2. Dezember 1964, beide Gesellschafter gleichzeitig widersprechende Erklärungen gegenüber dem Dritten, hier gegenüber dem Beklagten, abgeben, nämlich Dr. I. die Erklärung, zu kundigen, und Erika I. gleichzeitig unverkennbar die Erklärung, nicht kundigen zu wollen, liegt eine beachtliche Willenserklärung der Gesellschaft überhaupt nicht vor und daher auch keine rechtswirksame Kündigung des Dienstverhältnisses des Beklagten zur klagenden Partei.
Das Schreiben, das Dr. I. dem Beklagten am 10. Dezember 1964 übergeben hat, läßt deutlich den Willen desselben erkennen, das Dienstverhältnis der Gesellschaft mit dem Beklagten aufzulösen. Daß der Beklagte sich weigerte, das Schreiben zu übernehmen und damit zur Kenntnis zu nehmen, ändert nichts daran, daß sich dieses Schreiben rechtlich als eine Wiederholung der Kündigung vom 2. Dezember 1964 darstellt. Ob dieses Kündigungsschreiben gegenüber dem Beklagten rechtliche Wirkungen äußerte, hängt nach den obigen Rechtsausführungen davon ab, ob bei der Überreichung dieses Schreibens Erika I. eine gegenteilige Erklärung, nämlich das Dienstverhältnis nicht auflösen zu wollen, abgegeben hat. Wäre dies nicht der Fall gewesen, würde das Dienstverhältnis der klagenden Gesellschaft zum Beklagten am 31. März 1965 geendet haben, da weder die Vereinbarung einer längeren als der gesetzlichen Kündigungsfrist, noch eine neuerliche Anstellung des Beklagten durch Erika I. behauptet wurde. Im Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung zweiter Instanz (6. Mai 1965) - und darauf kommt es im arbeitsgerichtlichen Verfahren an - würde dann kein Dienstverhältnis mehr bestanden haben und damit der Behauptung des Beklagten, er wolle nur seine Pflicht erfüllen, der Boden entzogen sein.
Die gleichen Erwägungen wie hinsichtlich der Anstellung oder einer Kündigung des Beklagten gelten aber auch für alle Weisungen, die dem Beklagten als Dienstnehmer von den allein vertretungsberechtigten Gesellschaftern Dr. I. und Erika I. gegeben wurden. Wenn Erika I. dem Beklagten zwischen dem 2. und 9. Dezember 1964 die Weisung gegeben hat, die Arbeit aufzunehmen, so war der Beklagte verpflichtet, den Arbeitsantritt wenigstens zu versuchen. Hat er am
9. oder 10. oder 11. Dezember 1964 von Dr. I. eine gegenteilige Weisung - nämlich die Weisung, sich zu entfernen - erhalten, so hat er einer solchen Weisung (falls nicht Erika I. gleichzeitig eine gegenteilige Weisung erteilt hätte) gleichfalls nachkommen müssen. Der Beklagte irrt, wenn er glaubt, er müsse sich nur an die Weisungen der Gesellschafterin halten, "die ihm Rechte und Pflichten gibt". Der Beklagte muß sich an die Weisung aller allein vertretungsberechtigter Gesellschafter halten und daher auch die Weisungen des Gesellschafters Dr. I. befolgen, sofern diese Weisungen der im Zeitpunkt der Weisung gegebenen Rechtslage entsprechen und Erika I. nicht gleichzeitig konträre Weisungen erteilt. Der Standpunkt des Beklagten in der Revision, daß Handlungen, die auf Pflichterfüllung zurückzuführen sind, niemals einen Unterlassungsanspruch rechtfertigen, mag im allgemeinen zutreffen, nur könnte es unter den gegebenen Umständen auch Pflicht des Beklagten gewesen sein, Weisungen, die der Gesellschafter Dr. I. namens der Gesellschaft gegeben hat, zu befolgen, um so seine Pflicht gegenüber der Gesellschaft zu erfüllen.
Daraus ergibt sich, daß die Rechtssache nicht spruchreif ist. Es steht weder fest, ob Dr. I. namens der Gesellschaft den Beklagten am 10. Dezember 1964 rechtswirksam gekundigt hat und ob dieser im Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung zweiter Instanz überhaupt noch Angestellter der klagenden Partei war, noch steht fest, welche Weisungen die Gesellschafter Dr. I. und Erika I. dem Beklagten in der Zeit zwischen 11. Dezember 1964 und dem Schluß der Verhandlung zweiter Instanz erteilt haben.
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