OGH 7Ob255/65

OGH7Ob255/6515.9.1965

SZ 38/138

Normen

Allgemeine Bedingungen für die Kraftfahrversicherung §14
KFG §85 (6)
VersVG §6 (1)
VersVG §61
Allgemeine Bedingungen für die Kraftfahrversicherung §14
KFG §85 (6)
VersVG §6 (1)
VersVG §61

 

Spruch:

1. Keine grobe Fahrlässigkeit, wenn der Lenker seinen Wagen unversperrt im Hofe seines Dienstgebers abstellt und mit Sicherheit annehmen konnte, der Hof werde versperrt sein.

2. Die Berufung auf § 14 AKB. ist die Einwendung der mangelnden Fälligkeit.

3. Obliegenheitsverletzung nur bei Verletzung besonderer Pflichten, die unter der Sanktion der Leistungsfreiheit stehen.

4. Ein Antrag auf Sachverständigenbeweis über die Höhe des Schadens bei Unterlassung der Berufung auf § 14 AKB. bedeutet Verzicht auf dieses Verfahren.

Entscheidung vom 15. September 1965, 7 Ob 255/65

I. Instanz: Bezirksgericht Salzburg; II. Instanz: Landesgericht Salzburg

Text

Unbestritten ist, daß der dem Kläger gehörige PKW. bei der Beklagten unter anderem auch gegen Diebstahl versichert war und daß er aus dem Hofraum des Dienstgebers des Klägers in der Nacht vom 25. auf den 26. Februar 1964 gestohlen wurde, sowie daß der PKW. des Klägers unversperrt mit dem Zundschlüssel im unversperrten Handschuhfach im Hof der Dienstgeberin des Klägers abgestellt gewesen ist. Der Kläger bemerkte hiezu, daß er damit habe rechnen können, daß das Grundstück wie immer versperrt sei. Dieses Sperrverhältnis hätten die Diebe des Wagens erbrochen.

Der Kläger begehrt auf Grund des Versicherungsvertrages Zuspruch des Betrages von 12.896.10 S.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und stütze sich hiebei auf den Umstand, daß der Kläger es unterlassen habe, den Sachverständigenausschuß anzurufen. Er könne daher nur eine Feststellungsklage einbringen. Die Gegeneinwendung des Klägers, die Beklagte habe durch ihr Verhalten im Prozeß darauf verzichtet, sich auf § 14 AKB. zu berufen, wurde nicht für begrundet erachtet.

Das Berufungsgericht hob das Urteil unter Rechtskraftvorbehalt auf. Im Gegensatz zum Erstgericht vertrat es die Ansicht, daß die Beklagte durch ihr prozessuales Verhalten die Berufung auf § 14 AKB. verwirkt habe.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die Beklagte bekämpft vor allem die Ansicht, daß sie sich nicht mehr auf § 14 AKB. berufen könne, und verweist darauf, daß sie diese Einwendung noch vor Durchführung des Sachverständigenbeweises erhoben habe. Die Beweisaufnahme beginne erst mit dem Vortrag des Sachverständigen bei der mündlichen Verhandlung.

Die Berufung auf § 14 AKG. stellt sich nicht als Einrede der Schiedsgerichtsklausel dar und bewirkt daher weder die der Unzulässigkeit des Rechtsweges noch die der Unzuständigkeit des ordentlichen Gerichtes. Vielmehr handelt es sich um die Festsetzung von Schiedsgutachten. Dies besagt nichts anderes, als daß vor Erstattung des Gutachtens oder vor der Unmöglichkeit eines solchen die Forderung nicht fällig ist (SZ XXXIV/171 u. a.). Die Einwendung ist daher rein privatrechtlicher Natur.

Die Klägerin hat dadurch, daß sie den Sachverständigenbeweis über die Höhe des Anspruches anbot und auch den ihr aufgetragenen Kostenvorschuß erlegte, im Sinne des § 863 ABGB. zum Ausdruck gebracht, daß sie auf die Anrufung des Sachverständigenausschusses verzichte. Ihr Verhalten läßt keinen anderen vernünftigen Grund übrig. Denn es wäre sinnlos, den kostspieligen Sachverständigenbeweis zu führen und gleichzeitig die Feststellung desselben Umstandes durch den Ausschuß im Sinne des § 14 AKB. zu verlangen.

Gewiß handelt es sich bei dem Beweisantrag der Beklagten um eine Erklärung öffentlichen Rechtes. Dies schließt aber nicht aus, daß ihr wie jedem anderen Verhalten die Bedeutung einer schlüssigen Handlung im Sinne des § 863 ABGB. beigemessen wird.

Die Prozeßparteien sind allerdings befugt, einander widersprechende oder einander ausschließende Einwendungen zu erheben und sind dazu auch mitunter, nämlich wo Eventualmaxime besteht, gezwungen. Doch darum handelt es sich hier nicht. Die Führung des Sachverständigenbeweises ist ebenso ein Weg zur Feststellung der Höhe des Schadens wie die Anrufung des Sachverständigenausschusses, die Einwendung bleibt die gleiche. Da aber beide Wege in einem Rechtsstreit nicht möglich sind, bedeutet der Antrag auf Vernehmung eines Sachverständigen und der Erlag des Kostenvorschusses die Wahl dieses Beweises und eine Ablehnung der Anrufung des Ausschusses.

Es liegt, also in diesem Verhalten der Beklagten ein eindeutiger Verzicht auf die Einrede der mangelnden Fälligkeit des Anspruches. Hiebei ist es gleichgültig, ob diese Einrede vor oder nach Erstattung des Gutachtens bei der mündlichen Verhandlung erhoben wird (siehe Pienitz[2], S. 247 ff.).

Die Beklagte meint, der unbestrittene Sachverhalt lasse den Schluß zu, daß sich der Kläger einer Obliegenheitsverletzung schuldig gemacht habe, die sie von der Leistungspflicht befreie. Dem ist entgegenzuhalten, daß die Beklagte offenbar den Begriff der Obliegenheitsverletzung mißversteht. Es ist darunter nicht jeder Verstoß gegen Verpflichtungen, die dem Versicherungsnehmer obliegen, zu verstehen. Vielmehr muß es sich um solche Verletzungen besonderer Pflichten handeln, die unter der Sanktion der Leistungsfreiheit stehen (§ 6 (1) VVG.). Eine allgemeine Vernachlässigung der Sorgfaltspflicht des Versicherungsnehmers befreit den Versicherer gemäß § 61 VG. nur grober Fahrlässigkeit. Bei anderer Ansicht könnte sich ein Versicherungsnehmer nie darauf berufen, daß ihm nicht grobe, sondern nur leichte Fahrlässigkeit zur Last falle.

Mit Recht hat das Berufungsgericht ausgeführt, daß es bei Beurteilung, ob eine Fahrlässigkeit grob ist, stets auf den Einzelfall ankommt und daß die Außerstreitstellung bei der Tagsatzung vom 11. Juni 1964 eine Entscheidung hierüber nicht zuläßt.

Dem ist noch beizufügen, daß sich aus dem Protokoll nicht ergibt, ob der Kläger den Wagen wissentlich unversperrt mit dem Zundschlüssel im unversperrten Handschuhfach verlassen hat oder ob er dies nur versehentlich tat. Hat der Kläger aber bloß vergessen, die Vorsichtsmaßnahme zu treffen, so kann nach den Umständen des Einzelfalles möglicherweise leichte Fahrlässigkeit gegeben sein. Daß er vorbrachte, er habe damit rechnen können, daß das Grundstück, auf dem der PKW. abgestellt war, versperrt sei, bedeutet noch kein Eingeständnis, daß er den Wagen wissentlich im angeführten Zustand verlassen habe.

Sollte sich, wie der Kläger behauptet, der Dieb des Wagens den Zutritt durch Einbruch verschafft haben, so würde sich daraus ergeben, daß der Kläger seine auf § 85 Abs. 6 KVG. beruhende Verpflichtung, ihn gegen mißbräuchliche Verwendung Dritter zu schützen, erfüllt hätte. Eine Entziehung durch im Haus aus- und eingehende Personen, wie im Fall der Entsch. ZVR. 1963 Nr. 238, wurde nicht behauptet. Ebensowenig würde grobe Fahrlässigkeit vorliegen, wenn der Kläger mit Sicherheit hätte annehmen können das Tor zum Hof werde versperrt sein.

Es fehlt daher, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, zur Entscheidung der Sache an den erforderlichen Feststellungen.

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