OGH 5Ob39/65

OGH5Ob39/656.7.1965

SZ 38/116

Normen

KO §35 (1) Z2
KO §35 (1) Z2

 

Spruch:

Zur Anfechtbarkeit einer nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder nach dem Antrag auf Konkurseröffnung erfolgten Befriedigung (Bezahlung) einer Forderung, für die der Gläubiger ein (unanfechtbares) Pfandrecht erworben hat, aus dem übrigen Vermögen des späteren Gemeinschuldners gemäß § 31 (1) Z. 2 KO.

Entscheidung vom 6. Juli 1965, 5 Ob 39/65

I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt - Wien; II. Instanz:

Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien

Text

In der am 23. Jänner 1964 eingebrachten Klage behauptete der Kläger als Masseverwalter in dem mit Beschluß vom 23. Jänner 1963 eröffneten Konkurs über das Vermögen der Firma X. & Co., daß die Gemeinschuldnerin mindestens seit August 1961 zahlungsunfähig gewesen sei. Die beklagte Partei hätte aus länger zurückliegenden Warenlieferungen gegen die Gemeinschuldnerin eine Reihe von Forderungen gehabt, die sie trotz Klags- und Exekutionsführung nicht habe hereinbringen können. Unter dem Druck eines Versteigerungstermins habe die Gemeinschuldnerin jedoch am 4. August 1962 der Beklagten eine Zahlung von 1602.09 S geleistet. Da die beklagte Partei die Zahlungsunfähigkeit der Gemeinschuldnerin gekannt habe oder kennen hätte müssen, fechte der Kläger diese für die übrigen Gläubiger nachteilige Zahlung gemäß § 31 KO. an und fordere die Rückzahlung dieses Betrages samt 4% Zinsen seit 23. Jänner 1963 in die Konkursmasse.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Es stellte fest, daß die Beklagte auf Grund eines Zahlungsbefehles vom 5. September 1961 gegen die Gemeinschuldnerin Fahrnisexekution geführt habe, wobei am 23. Oktober 1961 ein PKW Citroen und eine Kühltruhe gepfändet worden seien. Als am 4. August 1962 die Gemeinschuldnerin an die Beklagte die nunmehr angefochtene Zahlung geleistet habe, hätten die genannten Pfandgegenstände nur mehr für insgesamt 4 vorangehende bzw. gleichrangige Forderungen anderer Gläubiger im Gesamtbetrag von 12.909.40 S gehaftet und hiefür einschließlich der Forderung der beklagten Partei volle Deckung geboten. Deshalb sei eine Benachteiligung anderer Gläubiger durch die angefochtene Zahlung nicht erfolgt. Zur Frage, ob die Gemeinschuldnerin im Zeitpunkt der Zahlung zahlungsunfähig war und ob dies der beklagten Partei bekannt war oder bekannt sein mußte, nahm das Erstgericht nicht Stellung.

Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil dahin ab, daß die Beklagte für schuldig erkannt wurde, dem Kläger einen Betrag von 1602.09 S samt 4% Zinsen seit 23. Jänner 1964 zu bezahlen; die Abweisung des Zinsenmehrbegehrens wurde bestätigt und blieb unangefochten.

Unter Zugrundelegung der unbekämpft gebliebenen Feststellungen des Erstrichters, die das Berufungsgericht auch nicht ergänzte, war dieses der Rechtsauffassung, daß trotz der unanfechtbaren Pfanddeckung der restlichen Forderung der Beklagten durch die Bezahlung dieser Forderung aus dem allgemeinen Vermögen der Gemeinschuldnerin deren übrige Gläubiger benachteiligt worden seien, weil hiedurch die Pfandsache vom Pfandrecht frei geworden sei und die Gemeinschuldnerin darüber hätte verfügen können. Aus dem bewiesenen Vorbringen der klagenden Partei ergebe sich eine Benachteiligung der übrigen Gläubiger der Gemeinschuldnerin insofern als ohne die Anfechtung der Schuldenstand größer geworden sei. Die Beklagte habe keine Umstände behauptet, aus denen sich keine solche Benachteiligung der Gläubiger ergeben würde. Die Beklagte könne sich auch nicht darauf berufen, von der Zahlungsunfähigkeit der Gemeinschuldnerin im August 1962 keine Kenntnis gehabt zu haben, weil sie selbst vorgebracht habe, vor Erhalt der angefochtenen Zahlung einen Konkursantrag gegen die Gemeinschuldnerin gestellt zu haben. Darauf, ob auf Grund dieses Antrages der Konkurs eröffnet worden sei, komme es nicht an. Deshalb sei auch ohne Bedeutung, welche Angaben der Alleininhaber der Gemeinschuldnerin zum Konkursantrag der Beklagten gemacht habe. Das Zinsenbegehren für die Zeit vor Klagseinbringung sei jedoch unberechtigt, weil die Fälligkeit der Kapitalsforderung erst mit der Klagseinbringung gegeben sei.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei Folge, hob die Urteile beider Unterinstanzen, die hinsichtlich der Abweisung des Zinsenbegehrens für die Zeit vom 23. Jänner 1963 bis 22. Jänner 1964 als im Revisionsverfahren unangefochten unberührt blieben, im übrigen auf und verwies die Rechtssache zur weiteren Verhandlung und neuerlichen Urteilsfällung im Rahmen der Aufhebung an das Erstgericht zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Gemäß § 31 (1) Z. 2 erster Fall KO. sind Rechtshandlungen, durch die ein anderer Konkursgläubiger Befriedigung erlangt, anfechtbar, wenn sie nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder nach dem Antrag auf Konkurseröffnung vorgenommen wurden und dem anderen Teil die Zahlungsunfähigkeit oder der Eröffnungsantrag bekannt war oder bekannt sein mußte. Im Gegensatz zum Tatbestand nach § 30 (1) Z. 1 KO. wird hier ausdrücklich gefordert, daß die Deckung einem Konkursgläubiger gewährt wurde. Die Verschiedenheit der Textierung begrundet aber keinen sachlichen Unterschied. Den entweder ist die Deckung des Anspruches, der nicht als Konkursforderung geltend gemacht werden kann, an sich unanfechtbar oder sie fällt unter die für die Gläubiger nachteiligen (notwendig zweiseitigen) Rechtsgeschäfte, die von der gleichen Gesetzesstelle (2. Fall) unter eben denselben Voraussetzungen für anfechtbar erklärt werden. Ersteres ist der Fall bei unanfechtbar begrundeten Aussonderungs- und Absonderungsansprüchen als solchen, d. h. insoweit sie aus dem Erlös der haftenden Sache gedeckt werden - in diesen Fällen sind die Gläubiger nicht "benachteiligt", die Anfechtung könnte ihnen ja keine Befriedigungsquelle erschließen -; letzteres bei der Befriedigung von Absonderungsansprüchen aus dem ihnen nicht haftenden Schuldnervermögen (Ehrenzweig, Komm. zur Anfechtungsordnung und zu den Anfechtungsnormen der Konkursordnung, S. 272). Da auch Befriedigungen unter den Begriff der zweiseitigen Rechtsgeschäfte fallen (Bartsch - Pollak, Komm. zur KO. I 211, Anm. 6 zu § 31), ist die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder nach dem Antrag auf Konkurseröffnung erfolgte Befriedigung (Bezahlung) einer Forderung, für die der Gläubiger ein (unanfechtbares) Pfandrecht erworben hat, aus dem übrigen Vermögen des späteren Gemeinschuldners gemäß § 31 (1) Z. 2 KO. unter der Voraussetzung anfechtbar, daß dieses Rechtsgeschäft für die Gläubiger nachteilig war (Objektive Voraussetzung) und dem anderen Teil die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners oder der Konkurseröffnungsantrag bekannt war oder bekannt sein mußte (Subjektive Voraussetzung; siehe hiezu auch 5 Ob 121/62 = RZ. 1962 S. 205).

Die Behauptung des Klägers, daß die angefochtene Zahlung für die Gläubiger nachteilig gewesen sei, wurde im Verfahren I. Instanz jedoch nicht ausreichend konkretisiert und es unterblieben dazu auch entsprechende Feststellungen. Die Annahme des Berufungsgerichtes, daß die spätere Gemeinschuldnerin infolge Aufhebung des Pfandrechtes der beklagten Partei über die gepfändeten Fahrnisse frei habe verfügen können und dadurch ohne die Anfechtung der Schuldenstand größer geworden sei, ist durch den bisher festgestellten Sachverhalt nicht gedeckt. Den objektiven Tatbestand für einen Anfechtungsanspruch, wozu auch die Tatsache gehört, daß das angefochtene Rechtsgeschäft für die Gläubiger nachteilig war, hat der Anfechtungskläger zu behaupten und zu beweisen (Bartsch - Pollak a. a. O. S. 211 Anm. 7 zu § 31). Sind, wie im vorliegenden Fall, die erforderlichen Behauptungen zu dürftig, hat gemäß § 182 ZPO. der Vorsitzende durch Fragestellung oder in anderer Weise darauf hinzuwirken, daß die für die Entscheidung erheblichen tatsächlichen Angaben gemacht oder ungenügende Angaben vervollständigt werden. Dies hat das Erstgericht nicht getan.

Auch der Auffassung des Berufungsgerichtes, es könne die beklagte Partei sich keinesfalls auf die Unkenntnis der im August 1962 tatsächlich bestehenden Zahlungsunfähigkeit der späteren Gemeinschuldnerin berufen, weil sie selbst vorgebracht habe, vor Erhalt der Zahlung einen Konkursantrag gegen die Gemeinschuldnerin gestellt zu haben, kann nicht ohne weiteres beigetreten werden. Wurde nämlich nicht auf Grund dieses, sondern eines erst später gestellten Antrages der Konkurs über das Vermögen der Gemeinschuldnerin eröffnet (wie dies die klagende Partei in ihrer Berufung neu behauptet hatte), dann kommt diesem ersten Konkursantrag allein noch keine ausschlaggebende Bedeutung zu (Bartsch - Pollak a. a. O. S. 212, Anm. 10 zu § 31; GlU. 14.013).

Da der Kläger aber ausdrücklich behauptet und unter Beweis gestellt hatte, daß der Beklagten die Zahlungsunfähigkeit der späteren Gemeinschuldnerin im Zeitpunkt der Entgegennahme der angefochtenen Zahlung bekannt war oder bekannt sein mußte, hätten die Untergerichte auch hierüber Feststellungen zu treffen bzw. zunächst auf eine Ergänzung des auch in dieser Beziehung dürftigen Vorbringens des Klägers hinzuwirken gehabt.

Da die Vorinstanzen infolge ihrer unrichtigen rechtlichen Beurteilung die erforderlichen Feststellungen unterließen und der maßgebende Sachverhalt daher nicht festgestellt ist, waren die Urteile beider Untergerichte aufzuheben und die Sache an das Erstgericht zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Urteilsfällung zurückzuverweisen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte