Normen
Außerstreitgesetz §9
Außerstreitgesetz §73
Außerstreitgesetz §9
Außerstreitgesetz §73
Spruch:
Der Verlassenschaftsgläubiger, der Eigentümeransprüche an einem Teil der an Zahlungsstatt überlassenen Gegenstände erhebt, ist zum Rekurs gegen den Beschluß, mit welchem der Nachlaß an Zahlungsstatt überlassen wurde, legitimiert
Entscheidung vom 11. Juni 1965, 6 Ob 162/65
I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt Wien; II. Instanz:
Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien
Text
Das Erstgericht hat mit Beschluß vom 23. Februar 1965 den Nachlaß der Gerlinde K., welcher nach der mit Rudolf K., dem Vater der Verstorbenen, aufgenommenen Todfallsaufnahme aus Pretiosen, Kleidung, Wäsche und einer Wohnungseinrichtung im angenommenen Wert von 2950 S besteht, dem Rudolf K. auf Abschlag seiner Forderung an Beerdigungskosten, Kranzkosten und Auslagen für Trinkgelder u. dgl. im Gesamtbetrag von 3520 S an Zahlungsstatt überlassen. Dieser Beschluß wurde u. a. dem Friedrich K., dem geschiedenen Gatten der Verstorbenen, als dem gesetzlichen Vertreter der mj. Kinder Sonja und Monika K. (in der Todfallsaufnahme scheint nur das letztgenannte Kind, geboren 1960, auf) zugestellt. Innerhalb offener Frist hat Friedrich K. gegen den erwähnten Beschluß im eigenen Namen Rekurs mit der Begründung erhoben, daß ein Teil der an Zahlungsstatt überlassenen Wohnungseinrichtung sein Eigentum sei. Er führte ferner aus, daß der Wert der Möbel 7000 S und nicht wie im Beschluß angegeben 2000 S betrage, weshalb von einer Überschuldung des Nachlasses keine Rede sein könne.
Er stellte den Rekursantrag, den angefochtenen Beschluß dahin abzuändern, daß die ihm gehörende Wohnungseinrichtung, bestehend aus einer Bettbank, einem Tisch, zwei Fauteuils, einer Anrichte, einem Frisiertischerl und einem Wandspiegel, aus dem Nachlaß ausgeschieden und nicht dem Rudolf K. an Zahlungsstatt überlassen werde. Hilfsweise wurde ein Aufhebungsantrag gestellt.
Das Rekursgericht wies den Rekurs mit der Begründung zurück, daß die Ehe zwischen Friedrich und Gerlinde K. im Jahre 1964 geschieden worden ist und daher dem Rekurswerber in dem Verfahren über den Nachlaß seiner früheren Gattin keine rechtlich zu berücksichtigende Stellung zukomme.
Gegen diesen Zurückweisungsbeschluß richtet sich der Rekurs des Friedrich K. Es wird ausgeführt, daß Friedrich K. die Stellung eines Nachlaßgläubigers zukomme, denn er mache gegen den Nachlaß eine Forderung geltend nämlich auf Herausgabe seiner Möbel, die sich nur in Verwahrung der Erblasserin befunden hätten. Als Nachlaßgläubiger habe er ein Rekursrecht. Überdies habe er den zurückgewiesenen Rekurs auch in seiner Eigenschaft als gesetzlicher Vertreter der mj. Kinder Monika und Sonja K. erhoben, welche die einzigen gesetzlichen Erben der Verstorbenen seien. In dieser Eigenschaft stehe ihm zweifellos ein Rekursrecht gegen den erstgerichtlichen Beschluß zu. Die Angaben in der Todfallsaufnahme seien unrichtig, denn es betrage der Wert der gesamten Wohnungseinrichtung 20.000 S, wovon Möbel im Wert von 7000 S in seinem Eigentum stehen würden. Der Nachlaß wäre nicht an Zahlungsstatt zu überlassen, sondern die Abhandlung einzuleiten gewesen.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs Folge, hob in Abänderung des angefochtenen Beschlusses den erstgerichtlichen Beschluß auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Entgegen der Auffassung des Rekursgerichtes kann keineswegs gesagt werden, es komme dem Rekurswerber in dem Verfahren über den Nachlaß seiner früheren Gattin keine rechtlich zu berücksichtigende Stellung zu. Der Rekurswerber ist zumindest Verlassenschaftsgläubiger, weil er einen Anspruch auf Ausfolgung von Gegenständen gegen die Verlassenschaft geltend macht. Nun räumt selbst die Entscheidung SZ. XXIII 390, die den in zahlreichen Entscheidungen vertretenen Standpunkt (SZ. VI 266 und die anderen bei Fetter - Edlbacher, Verfahren außer Streitsachen, zu § 73 AußStrG. unter Nr. 14 abgedruckten Entscheidungen), daß die Überlassung an Zahlungsstatt nur mit Zustimmung aller Gläubiger erfolgen dürfe, nicht teilt, dem Gläubiger das Recht ein, die Überlassung aus triftigen Gründen zu verhindern. Daraus folgt, daß die Gläubiger in dem Verfahren als Beteiligte anzusehen sind und das Recht haben, die Überlassung an Zahlungsstatt im Rekursweg zu bekämpfen. Dem steht der Umstand, daß der Rekurswerber seine Forderung im Abhandlungsverfahren nicht angemeldet hat, nicht entgegen, weil ein solches gar nicht durchgeführt wurde, sondern sofort nach der mit dem erblasserischen Vater errichteten Todfallsaufnahme der Beschluß auf Überlassung an Zahlungsstatt ergangen ist. Der Rekurswerber hatte daher in erster Instanz gar keine Gelegenheit, seine Ansprüche anzumelden, konnte aber im Rekurs, in dem Neuerungen zulässig sind (§ 10 AußStrG.), seine Gläubigerstellung geltend machen.
Das Rekursrecht kann dem Rekurswerber umso weniger verwehrt werden, als er behauptet, ein Gläubiger besonderer Art zu sein, weil Sachen an Zahlungsstatt überlassen wurden, die nicht der Erblasserin gehörten, sondern sein Eigentum seien. Das ist insofern von Bedeutung, als die Überlassung an Zahlungsstatt im Gegensatz zur Einantwortungsurkunde einen Titel zum Eigentumserwerb an bestimmten Sachen schafft und der diese Sachen an Zahlungsstatt übernehmende Gläubiger nur für die übernommenen und nicht auch für andere Passiven haftet (Ehrenzweig[2], Familien- und Erbrecht, S. 523). Dazu kommt, daß die Überlassung bei unbedeutenden Nachlässen das Konkursverfahren vertritt. Ebenso wie im Konkursverfahren Eigentumsansprüche dritter Personen als Aussonderungsansprüche zu berücksichtigen sind, muß in dem Verfahren über die iure crediti-Einantwortung darauf Bedacht genommen werden, wenn behauptet wird, daß die Sachen, deren Überlassung an Zahlungsstatt beantragt bzw., wie hier, verfügt wurde, gar nicht zum Vermögen des Erblassers gehörten und daß daher an diesen Sachen durch die iure crediti-Einantwortung ein Titel zum Eigentumserwerb nicht geschaffen werden kann. Der Fall liegt auch anders als bei der Errichtung des Inventars im Falle der Durchführung der Verlassenschaftsabhandlung, weil in diesem Fall der Erbe durch die Einantwortung Eigentümer aller Sachen wird, die dem Erblasser im Zeitpunkt seines Todes gehört haben, ohne Rücksicht darauf, ob sie im Inventar aufscheinen (Ehrenzweig, a. a. O., S. 504). Durch die Aufnahme in das Inventar wird also anders als durch die iure crediti-Einantwortung kein Titel zum Eigentumserwerb geschaffen, vielmehr gibt das Inventar nur Auskunft über Sachen, die sich im Zeitpunkt des Ablebens des Erblassers in dessen Besitz befunden haben.
Aus den dargelegten Gründen ergibt sich sohin, daß das Rekursgericht im vorliegenden Fall zu Unrecht die Stellung des Rekurswerbers (geschiedenen Gatten der Erblasserin) als Beteiligten am Verlassenschaftsverfahren und damit sein Rekursrecht verneint, daher seinen gegen den Beschluß des Erstgerichtes über die Überlassung des Nachlasses an Zahlungsstatt an den Vater der Erblasserin erhobenen Rekurs zurückgewiesen hat.
Hat aber das Rekursgericht den Rekurs als unzulässig zurückgewiesen, obwohl es sachlich hätte entscheiden sollen, dann kann der Oberste Gerichtshof selbst die Sachentscheidung treffen, ohne vorher den Beschluß des Rekursgerichtes aufheben zu müssen (5 Ob 304/60, 2 Ob 693/55 = EvBl. 1956, Nr. 74, SZ. XXIII 390 und 87). Dies führt im vorliegenden Fall zur Abänderung des Zurückweisungsbeschlusses des Berufungsgerichtes im Sinne der Aufhebung des erstgerichtlichen Beschlusses über die Überlassung des Nachlasses an Zahlungsstatt an den Vater der Erblasserin und zu dem Auftrag an das Erstgericht, über den nach dieser Richtung gestellten Antrag neuerlich nach Ergänzung des Verfahrens, insbesondere über die vom Rekurswerber aufgestellten Behauptungen und seinen Aussonderungsantrag, zu entscheiden. Dabei wird auch die Stellung des Rekurswerbers als gesetzlicher Vertreter der beiden mj. Kinder Monika und Sonja K. und sein im gegenständlichen Rekurs nach dieser Richtung erstattetes Vorbringen entsprechend zu prüfen sein.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)