Normen
Außerstreitgesetz §16
4. Durchführungsverordnung zum Ehegesetz §10
Außerstreitgesetz §16
4. Durchführungsverordnung zum Ehegesetz §10
Spruch:
Die Beurteilung der Rechtsverhältnisse zwischen Eltern und ehelichem Kind entgegen § 10 der 4. DHVheG. nach österreichischem Recht ist offenbar gesetzwidrig
Entscheidung vom 28. April 1965, 7 Ob 77/65
I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt - Wien; II. Instanz:
Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien
Text
Die mj. Isaf M. ist die eheliche Tochter der syrischen Staatsangehörigen Adnan K. und der österreichischen Staatsangehörigen Helga M., deren Ehe mit Urteil des Landesgerichtes für ZRS. Wien aus dem Verschulden beider Ehegatten geschieden wurde.
Auf Antrag der Mutter der Minderjährigen hat der Erstrichter hinsichtlich der Minderjährigen gemäß § 14 der 4. DVEheG. ein Pflegschaftsverfahren eingeleitet, die Minderjährige in Pflege und Erziehung der Mutter übertragen, diese zur besonderen Sachwalterin der Minderjährigen bestellt und sie als solche ermächtigt, bei den zuständigen österreichischen Verwaltungsbehörden die Verleihung der österreichischen Staatsangehörigkeit für die Minderjährige zu beantragen.
Dem vom Vater der Minderjährigen gegen diesen Beschluß erhobenen Rekurs hat das Rekursgericht nicht Folge gegeben und den erstrichterlichen Beschluß mit der Maßgabe bestätigt, daß die Worte "gemäß § 14 der 4. DVEheG." zu entfallen haben.
Der Oberste Gerichtshof gab dem a. o. Revisionsrekurs des ehelichen Vaters Folge, hob beide untergerichtlichen Beschlüsse auf und verwies die Sache an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Der Ansicht des Rekurswerbers, gegen den Beschluß des Rekursgerichtes sei ein Revisionsrekurs nach § 14 (1) AußStrG. zulässig, da durch die Entscheidung des Rekursgerichtes der erstrichterliche Beschluß in Wahrheit abgeändert worden sei, kann zwar nicht gefolgt werden. Der Erstrichter war der Ansicht, daß das Pflegschaftsverfahren gemäß § 14 der 4. DVEheG. einzuleiten sei. Er hat sohin mit dieser Gesetzesstelle die von ihm verfügte Einleitung eines Pflegschaftsverfahrens begrundet. Daran ändert auch nichts, daß er den diesbezüglichen Beisatz in den Spruch seiner Entscheidung aufgenommen hat. Durch die Entscheidung des Rekursgerichtes, daß dieser Beisatz zu entfallen habe, wurde sohin nicht der Spruch als solcher, sondern dessen Begründung abgeändert. Es liegt daher ein den erstrichterlichen Beschluß bestätigender Beschluß des Rekursgerichtes vor, der nur im Rahmen eines außerordentlichen Revisionsrekurses nach § 16 AußStrG. bekämpft werden kann.
Als offenbare Gesetzwidrigkeit macht der Rechtsmittelwerber geltend, daß die gesetzlichen Voraussetzungen für eine gerichtliche Anordnung nach § 142 ABGB. nicht gegeben seien. Die Eltern der Minderjährigen hätten sich nach der Scheidung über die Pflege und die Erziehung der Minderjährigen in der Weise geeinigt, daß diese so lange in Pflege und Erziehung ihrer Mutter bleibe, bis der Vater des Kindes Österreich verlasse. Nach § 10 der 4. DVEheG. finde das österreichische Recht auf die Rechtsverhältnisse zwischen den Eltern und der Minderjährigen keine Anwendung, weil der Vater syrischer Staatsbürger sei. Nach syrischem Recht bedürfen Vereinbarungen der Eltern über die Pflege und Erziehung eines Kindes nicht der gerichtlichen Genehmigung.
Mit Recht weist der Rechtsmittelwerber darauf hin, daß nach § 10 der
4. DVEheG. das österreichische Recht auf Rechtsverhältnisse zwischen den Eltern und einem ehelichen Kind nur dann anzuwenden ist, wenn der Vater bzw. nach seinem Tode die Mutter die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt. Diese Kollisionsnorm ist zu einer zweiseitigen zu erweitern, d. h., es ist in diesem Falle das Heimatrecht des Vaters des ehelichen Kindes maßgebend (vgl. EvBl. 1955 Nr. 414). Da der noch lebende Vater der mj. Isaf M. die syrische Staatsbürgerschaft besitzt, ist nach der Bestimmung des § 10 der 4. DVEheG. das syrische Recht auf die Rechtsverhältnisse zwischen den Eltern und dem Kinde anzuwenden.
Die Untergerichte haben die Berechtigung des Antrages der Mutter der mj. Isaf M. auf Grund der österreichischen Gesetze geprüft; sie haben dadurch gegen die ausdrückliche Norm des § 10 der 4. DVEheG. verstoßen, so daß der a. o. Revisionsrekurs wegen offenbarer Gesetzwidrigkeit gerechtfertigt ist. Da von dieser Gesetzwidrigkeit auch die Entscheidung des Erstgerichtes betroffen ist, war auch diese aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen, nach Verfahrensergänzung zu fällenden Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen. Das Erstgericht wird demnach zu prüfen haben, ob die von der Mutter der mj. Isaf M. gestellten Anträge nach syrischem Recht berechtigt sind. Auf die Möglichkeit einer Anfrage nach § 271
(2) ZPO. wird verwiesen.
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