Normen
Arbeitsgerichtsgesetz §1 (1) Z1
Arbeitsgerichtsgesetz §1 (3)
Arbeitsgerichtsgesetz §1 (4)
Arbeitsgerichtsgesetz §2 (2)
JN §104 (3)
ZPO §411 Satz 2
Arbeitsgerichtsgesetz §1 (1) Z1
Arbeitsgerichtsgesetz §1 (3)
Arbeitsgerichtsgesetz §1 (4)
Arbeitsgerichtsgesetz §2 (2)
JN §104 (3)
ZPO §411 Satz 2
Spruch:
Bei Rechtsstreitigkeiten zwischen juristischen Personen des privaten Rechtes und ihren gesetzlichen Vertretern (§ 1 (4) ArbGerG.) kommt es nicht darauf an, daß im Zeitpunkt der Klage das anspruchsbegrundende Rechtsverhältnis zwischen der juristischen Person des privaten Rechtes und ihrem gesetzlichen Vertreter noch besteht, sondern darauf, daß der Anspruch aus einem solchen Rechtsverhältnis abgeleitet wird
Entscheidung vom 9. März 1965, 4 Ob 21/65.
I. Instanz: Arbeitsgericht Salzburg; II. Instanz: Landesgericht Salzburg.
Text
Der Kläger begehrt Verurteilung der erstbeklagten Gesellschaft m. b. H. und der zweitbeklagten Geschäftsfrau zur ungeteilten Hand, ihm den Ertrag von 131.092.69 S samt Anhang zu bezahlen. Er behauptet, mit der Zweitbeklagten übereingekommen zu sein die erstbeklagte Partei zu grunden, um dadurch jener auf die Dauer von zehn Jahren eine Sicherung für die Übernahme einer Ausgleichsbürgschaft zu geben. Der Zweitbeklagten seien formell 70% des Gesellschaftskapitals der erstbeklagten Partei zugeschrieben worden. Die Zweitbeklagte und der Kläger seien zu Geschäftsführern derselben bestellt worden, doch habe die Zweitbeklagte die ihr eingeräumte Stellung vertragswidrig mißbraucht, die Ausbezahlung des Geschäftsführergehaltes an den Kläger seit 1. Juni 1961 bis 31. Dezember 1963 zum Teil und seither zur Gänze verhindert sowie bei der Generalversammlung vom 13. Dezember 1963 seine Abberufung als Geschäftsführer erwirkt. Die Zweitbeklagte hafte aus dem Vertrag und dem Titel des Schadenersatzes neben der Erstbeklagten für die rückständigen Gehälter.
Nach der ersten Tagsatzung, in der die Rechtssache zur Punktensache erklärt worden war, wandten die Beklagten in einem vorbereitenden Schriftsatz Unzuständigkeit des Arbeitsgerichtes ein. Dieses schränkte das Verfahren auf die Erörterung der Zuständigkeitsfrage ein, erklärte sich schließlich für sachlich unzuständig und wies die Klage zurück (Punkt 1 des angefochtenen Beschlusses). Gleichzeitig wies es den Antrag der klagenden Partei auf Kostenseparation und Bewilligung des Armenrechtes ab (Punkt 2 des angefochtenen Beschlusses).
Der Rekurs des Klägers gegen diesen Beschluß hatte insoweit Erfolg, als der Ausspruch über die sachliche Unzuständigkeit, die Zurückweisung der Klage und die Verurteilung der klagenden Partei zum Kostenersatz an die beklagte Partei aufgehoben, die Einrede der sachlichen Unzuständigkeit zurückgewiesen und dem Erstgericht die Durchführung des Verfahrens aufgetragen wurde. Das Rekursgericht führte aus: Die beklagte Gesellschaft m. b. H. sei als juristische Person anzusehen und der Kläger in seiner Geschäftsführereigenschaft als gesetzlicher Vertreter. Durch Vereinbarung könnten Streitigkeiten zwischen juristischen Personen des privaten Rechtes und ihren gesetzlichen Vertretern vor die Arbeitsgerichte gebracht werden. Insoweit müsse auch die Bestimmung des § 104 (3) JN. gelten, wonach das Gericht auch dadurch zuständig werde, daß die beklagte Partei, ohne rechtzeitig die Einwendung der Unzuständigkeit zu erheben, in der Hauptsache mündlich verhandle. Die Beklagten hätten in der ersten Streitverhandlung die Unzuständigkeit einwenden müssen, bevor sie erklärt hätten, zu bestreiten, und beantragt hätten, die Rechtssache zur Punktensache zu erklären. Hinsichtlich der Zweitbeklagten sei die Zuständigkeit gemäß § 1 (3) ArbGerG. gegeben, weil zumindest der wirtschaftliche Zusammenhang nicht zu bezweifeln sei. Demnach sei der Beschluß des Erstgerichtes über die Unzuständigkeitserklärung und die Zurückweisung der Klage aufzuheben. Die von der Beklagten nachträglich erhobene Unzuständigkeitseinwendung sei zurückzuweisen.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Der Revisionsrekurs begrundet die Unzuständigkeit des Arbeitsgerichtes hinsichtlich der erstbeklagten Partei damit, daß der Kläger im Zeitpunkt der Einbringung der Klage nicht mehr deren Geschäftsführer gewesen sei und daß die Zuständigkeit des Arbeitsgerichtes auch nicht darauf gegrundet werden könnte, der gegenständliche Rechtsstreit betreffe Nachwirkungen eines Arbeitsverhältnisses, weil der Kläger als gesetzlicher Vertreter einer juristischen Person nicht Beschäftigter gewesen sei (§ 2 (2) ArbGerG.); Heilung der Unzuständigkeit durch Präklusion sei nicht eingetreten.
Bevor auf diese Einwendungen einzugehen ist, sei vorausgeschickt, daß der Oberste Gerichtshof die mit der Lehre (Stanzl, Arbeitsgerichtliches Verfahren, S. 111 f.) und Rechtsprechung SZ. XXXI 124) übereinstimmende Auffassung des Rekursgerichtes teilt, wonach bei Streitigkeiten zwischen einer juristischen Person und ihren gesetzlichen Vertretern die Einrede der Unzuständigkeit (§ 2
(2) ArbGerG.) spätestens bei der ersten Tagsatzung oder, wenn schon die erste Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, bei dieser erhoben werden muß, widrigens das Arbeitsgericht gemäß §§ 104
(3) JN. und 1 (4) ArbGerG. zuständig wird. Da das Erstgericht eine abgesonderte erste Tagsatzung abgehalten hat, hätte bei dieser die sachliche Unzuständigkeit des Arbeitsgerichtes eingewendet werden müssen. Die nachträgliche Einwendung der sachlichen Unzuständigkeit ist im Sinne der vorstehenden Ausführungen sowie des § 441 Satz 2 ZPO. nicht mehr zu berücksichtigen.
Die Ansprüche, die der Kläger gegenüber der erstbeklagten Partei erhebt, entstanden nach den Klagsangaben wenigstens zum Teil vor seiner Abberufung als Geschäftsführer. Die Rechtsprechung legt die Bestimmung des § 1 (1) Z. 1 ArbGerG. dahin aus, daß es für die Zuständigkeit des Arbeitsgerichtes nicht darauf ankomme, daß die Parteien noch im Zeitpunkte der Klage Unternehmer oder Beschäftigte seien; auch ehemalige Beschäftigte oder Unternehmer können beim Arbeitsgericht Ansprüche geltend machen, soweit sich diese auf ihr seinerzeitiges Rechtsverhältnis aus dem Arbeits- oder Lehrverhältnis beziehen (Arb. 6148). Der gleiche Grundsatz muß aber auch für Rechtsstreitigkeiten zwischen juristischen Personen des privaten Rechtes und ihren gesetzlichen Vertretern gelten (§ 1 (4) ArbGerG.). Auch hier kommt es nicht darauf an, daß im Zeitpunkt der Klage das anspruchsbegrundende Rechtsverhältnis zwischen der juristischen Person des privaten Rechtes und ihrem gesetzlichen Vertreter noch besteht, sondern darauf, daß der Anspruch aus einem solchen Rechtsverhältnis abgeleitet wird. Dies trifft im vorliegenden Falle für die angeblichen Forderungen des Klägers gegenüber der erstbeklagten Partei, soweit sie aus der Zeit zwischen 1. Juni 1961 und 13. Dezember 1963 entstanden sein sollen, zu. Die für die folgende Zeit nach der Abberufung als Geschäftsführer erhobenen Ansprüche werden gleichfalls auf den Gesellschaftsvertrag gestützt, entspringen somit dem gleichen Rechtsverhältnis wie die sonstigen Forderungen. Der Kläger kann sich hinsichtlich der angeblich nach seiner Abberufung als Geschäftsführer fällig gewordenen Gehaltsansprüche auf den Gerichtsstand gemäß § 1 (3) ArbGerG., aber auch auf § 1 (1) Z. 1 ArbGerG. berufen, weil für diese Zeit die Bestimmung des § 2 (2) ArbGerG. der Begründung der arbeitsgerichtlichen Zuständigkeit nicht mehr im Wege steht und der Kläger Gehaltsansprüche aus seinem Anstellungsverhältnis gegenüber der erstbeklagten Partei behauptet.
Was die Klage gegenüber der zweitbeklagten Partei betrifft, so grundet sie sich auf angebliche Verletzungen des Gesellschaftsvertrages sowie angebliche Ansprüche des Klägers daraus und aus anderen Verträgen gegenüber der Zweitbeklagten, woraus ihre Haftung für die von der erstbeklagten Partei angeblich geschuldeten Beträge abgeleitet wird. Die Ansprüche des Klägers gegen beide Beklagten wurzeln in einem einheitlichen wirtschaftlichen Verhältnis, ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang ist zu bejahen. Die Klage gegen die zweitbeklagte Partei kann somit gleichfalls vor dem Arbeitsgericht erhoben werden (§ 1 (3) ArbGerG. und Stanzl a. a. O., S. 109).
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