Spruch:
Der an die Unzuständigkeitsentscheidung des Außerstreitrichters gebundene Streitrichter unterliegt bei der Entscheidung von damit im Zusammenhang stehenden materiellrechtlichen Fragen keiner Bindung
Die gleichzeitige Erhebung desselben Anspruches im streitigen und außerstreitigen Verfahren begrundet keine Streitanhängigkeit
Entscheidung vom 19. Jänner 1965, 8 Ob 371/64
I. Instanz: Bezirksgericht Hietzing; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien
Text
Über Antrag der Mehrheit der Miteigentümer des Hauses Wien 14, F.- Gasse 2, EZ.... Kat-Gem. Penzing, erkannte die Schlichtungsstelle des Magistrates der Stadt Wien für den 13./14. Bezirk mit ihren Vorentscheidungen vom 31. Dezember 1961 und 24. Mai 1963, daß die unbedingt notwendigen Instandsetzungsarbeiten an dem genannten Hause einen Aufwand von 133.216.15 S und 91.967.72 S, d. s. zusammen
225.183.87 S, erfordern und die Tilgung dieser Kosten innerhalb eines Zeitraumes von zehn Jahren zulässig sei. Diese auf § 7 MG. gestützten Entscheidungen sind rechtskräftig. Der von der Beklagten gestellte Antrag auf Entscheidung durch das Gericht wurde vom Außerstreitrichter rechtskräftig zurückgewiesen. Gemäß dem von den nunmehrigen Klägern gestellten Antrag erkannte der Außerstreitrichter die nunmehrige Beklagte und Johann P. als weiteren Miteigentümer schuldig, der Aufnahme eines Kredites für Reparaturzwecke des genannten Hauses in der Höhe von insgesamt 247.996.34 S als zinsenfreies Darlehen mit einer Laufzeit von zehn Jahren und für den Fall, daß dieses nicht oder nur teilweise gewährt werden sollte, für den nicht gewährten Betrag der Aufnahme eines Reparaturdarlehens der Zentralsparkasse der Gemeinde Wien mit 7%iger Verzinsung zuzustimmen, alle hiezu notwendigen Erklärungen zum Ansuchen um diesen Kredit sowie zur grundbücherlichen Sicherstellung der Darlehen, ferner Vinkulierungserklärungen der Feuerversicherungspolizze abzugeben, die Promessen zu unterfertigen und der Eröffnung eines Kontos bei der Zentralsparkasse der Gemeinde Wien mit Zeichnungsberechtigung der Erstklägerin zuzustimmen.
Das Rekursgericht vertrat den Standpunkt, daß ein wirksamer Mehrheitsbeschluß der Liegenschaftseigentümer vorliege und daher der erhobene Anspruch im ordentlichen Verfahren durchzusetzen sei. Es hob daher den Beschluß des Erstgerichtes als nichtig auf, ohne jedoch das vorangegangene Verfahren für nichtig zu erklären und den von den Mehrheitseigentümern gestellten, oben wiedergegebenen Antrag wegen Unzuständigkeit des Außerstreitrichters zurückzuweisen (Beschluß des LG. für ZRS. Wien vom 19. Februar 1964).
Die Kläger stellen nunmehr im Rechtsweg das gleiche Begehren, nur mit dem Unterschied, daß sie die Gesamthöhe des Kredites mit 248.023.24 S festlegten, weil sich die notwendigen Instandsetzungskosten durch die Geldbeschaffungs- und Überwachungskosten auf 148.074.25 S und 99.948.99 S, somit auf zusammen 248.023.24 S erhöhten, und begrunden ihr Begehren damit, daß die Beklagte als Eigentümerin von 4/32 Anteilen an der Liegenschaft die Zustimmung zur Aufnahme des Reparaturkredites verweigere.
Das Erstgericht erkannte gemäß dem Urteilsantrag der Kläger, mit der Begründung, daß sowohl die Vornahme notwendiger Ausbesserungen und wiederkehrender Instandsetzungsarbeiten als auch die Aufnahme eines Darlehens zur Finanzierung solcher Arbeiten als eine Maßnahme der ordentlichen Verwaltung anzusehen sei, worüber die Mehrheit der Eigentümer unter Bindung der Minderheit zu entscheiden habe. Die Beklagte sei daher verpflichtet, zur Durchführung des Mehrheitsbeschlusses beizutragen, unabhängig davon, ob die beschlossenen Vorkehrungen unzweckmäßig oder unwirtschaftlich seien.
Das Berufungsgericht vertrat den Standpunkt, daß mit Rücksicht auf die untrennbare Verbindung der Frage, ob die getroffenen Maßnahmen der Mehrheitseigentümer in den Rahmen der ordentlichen Verwaltung fallen, mit der Unzuständigkeitsentscheidung des Außerstreitrichters der Streitrichter an die der Zuständigkeitsentscheidung zugrunde liegende Rechtsansicht des Außerstreitrichters sachlich gebunden sei. Das Berufungsgericht ging daher davon aus, daß bezüglich der Darlehensaufnahme ein bindender Mehrheitsbeschluß vorliege, und bestätigte, ohne auf die Einwendungen der beklagten Partei einzugehen, das Ersturteil. Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 15.000 S übersteige.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Wohl ist der Streitrichter an die Unzuständigkeitsentscheidung des Außerstreitrichters gebunden (s. Fasching I bei § 42 JN., Anm. 12, S. 274), aber diese Bindung bezieht sich nur auf die Zuständigkeit zur Entscheidung über den erhobenen Anspruch, nicht aber auf die Lösung materiellrechtlicher Vorfragen. Auch wenn man davon ausgeht, daß mit der Entscheidung des Rekursgerichtes vom 19. Februar 1964 nur der Beschluß des Bezirksgerichtes Hietzing als Außerstreitgerichtes vom 23. Dezember 1963 als nichtig aufgehoben wurde, nicht aber als notwendige Folge dieser Entscheidung der Antrag zurückgewiesen wurde, daher die Sache noch beim Außerstreitgericht anhängig ist, ist damit im Ergebnis für die Beklagte nichts gewonnen. Denn die gleichzeitige Erhebung desselben Anspruches im streitigen und im außerstreitigen Verfahren begrundet keine Streitanhängigkeit (s. hiezu Fasching III, bei § 233 ZPO., Anm. 3, S. 89).
Unbedingt notwendige Instandhaltungsarbeiten gehören ebenso wie die Aufnahme des für ihre Kostendeckung notwendigen Darlehens und die damit zusammenhängenden Maßnahmen, insbesondere die Verfügungsmöglichkeit der Mehrheit über den Kredit, zu den Angelegenheiten der ordentlichen Verwaltung im Sinne des § 833 ABGB. (Klang[2], III, bei § 834 ABGB. unter 1, S. 1113). Die Höhe der Instandhaltungskosten spielt jedenfalls dann keine Rolle, wenn diese Kosten wie im vorliegenden Fall durch eine Erhöhung der zu entrichtenden Hauptmietzinse der Mieter bzw. der Hausmiteigentümer für einen Zeitraum von zehn Jahren gedeckt werden können. Die Behauptung, der beabsichtigte Aufwand sei höher als der derzeitige Bauwert des Hauses, ist eine Neuerung, auf die nicht einzugehen ist. Soweit die Revision auf die Berufungsschrift verweist, ist sie unbeachtlich (SZ. XXIII 89, JBl. 1961 S 292 u.v. a.).
Es war daher wie im Spruche zu entscheiden.
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