Spruch:
Die Rechnung des Machthabers (§ 1012 ABGB.) muß Einnahmen und Ausgaben im einzelnen ausweisen; der Auftraggeber hat nur das Auftragsverhältnis nachzuweisen, nicht aber auch, daß der Beauftragte Geldbeträge infolge der Geschäftsführung eingenommen hat.
Entscheidung vom 22. Dezember 1964, 4 Ob 579/64. I. Instanz:
Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:
Oberlandesgericht Wien.
Text
Die Kläger haben begehrt, die beiden Beklagten Ernst St. und Dr. Ernst Sta. schuldig zu erkennen, ihnen über die Verwendung des mit legalisierter Vollmacht am 21. Juni 1957 aufgenommenen Darlehens von 200.000 S binnen 14 Tagen Rechnung zu legen, wobei die Beklagten sich durch Bezahlung eines Betrages von 100.000 S samt 12% Zinsen seit 21. Juni 1957 von der Rechnungslegung befreien können.
Das abweisende Urteil des Erstgerichtes vom 9. September 1963 wurde vom Berufungsgericht mit Beschluß vom 3. Februar 1964 ohne Rechtskraftvorbehalt aufgehoben und dem Erstgericht Ergänzung der Verhandlung und eine neuerliche Entscheidung aufgetragen.
Mit Urteil vom 12. Mai 1964 hat das Erstgericht erkannt: "Die beklagten Parteien sind schuldig, der klagenden Partei 1. Josef Sch. und 2. Aloisia Sch. über die Verwendung des mit legalisierter Vollmacht vom 21. Juni 1957 aufgenommenen Darlehens von 200.000 S binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution Rechnung zu legen.
Die beklagte Partei kann sich durch Bezahlung eines Betrages von 100.000 S samt 12% Zinsen seit 21. Juni 1957 von der Rechnungslegung befreien."
Die Berufung der beiden Beklagten gegen dieses Urteil blieb erfolglos. Das Berufungsgericht hat das Ersturteil mit der Maßgabe bestätigt, daß es zu lauten hat:
"Die beklagten Parteien sind schuldig, den klagenden Parteien Josef Sch. und Aloisia Sch. über die Verwendung des mit legalisierter Vollmacht am 21. Juni 1957 aufgenommenen Darlehens von 200.000 S binnen 14 Tagen bei Exekution Rechnung zu legen.
Die beklagten Parteien können sich durch Bezahlung eines Betrages von 100.000 S samt 12% Zinsen seit 21. Juni 1957 von der Rechnungslegung befreien."
Gegen dieses Berufungsurteil haben beide Beklagte Revision erhoben, doch wurde die Revision des Zweitbeklagten Dr. Ernst Sta. mit rechtskräftigem Beschluß vom 22. Oktober 1964 als verspätet zurückgewiesen.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Erstbeklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Das Berufungsgericht ist von folgenden unbekämpft gebliebenen Feststellungen des Erstgerichtes ausgegangen:
Im Februar 1957 benötigten die Kläger einen größeren Kredit, weshalb sich der Erstkläger zunächst an den Zeugen Josef P. wandte. Dieser vermittelte die späteren Beziehungen der Kläger zum Erstbeklagten. Darüber hinaus hat sich der Erstkläger - auch zum Zwecke der Beschaffung eines Darlehens - an den Zweitbeklagten gewandt, der damals als Rechtsanwalt seinen Sitz in Sch. hatte. In der Folge brachte der Erstbeklagte eine gewisse Josefa K. als Geldgeberin in Erfahrung. Die Kläger erteilten dem Erstbeklagten eine notarielle Vollmacht, auf Grund welcher der Erstbeklagte dann namens der Kläger einen Schuldschein über den Darlehensbetrag von 200.000 S unterfertigte. Am 21. Juni 1957 hat Josefa K. diesen Betrag an Notar Dr. M. in W. als Darlehen für die Kläger mit dem Auftrag überweisen lassen, die so treuhändig übergebene Darlehensvaluta erst dann auszufolgen, wenn die Sicherstellung der Hypothek durch grundbücherliche Einverleibung nachgewiesen sei. Noch vor Durchführung dieser Verbücherung benötigten die Kläger das gewünschte Darlehen nicht mehr. Trotzdem haben die beiden Beklagten auf die Kläger eingewirkt, das Darlehen doch zu nehmen, wobei sich der Zweitbeklagte über den Sinneswandel ungehalten zeigte. In der Folge wurde der bei Dr. M. erlegte Betrag von 200.000 S nach Abzug verschiedener Spesen und Zinsen in der Höhe eines Restbetrages von 181.402 S an den Zweitbeklagten überwiesen, der von den Klägern zum Geldempfang bevollmächtigt war. Dieser folgte dem Erstkläger aber nur einen Teilbetrag in der Höhe von 100.000 S aus. Der Erstbeklagte hat wiederum bezüglich des anderen Teiles des Darlehens dem Erstkläger gegenüber beschwichtigend erklärt, daß dieses restliche Geld weiter verliehen werde und daß die Kläger auf diese Weise für den übernommenen Teil des Darlehens keine Zinsen zu bezahlen hätten. Der Erstbeklagte hat am 25. Oktober 1957 die damals für das gesamte Darlehen ausständigen Vorauszinsen zugunsten der Kläger bezahlt. Keiner der beiden Beklagten hat aber die von den Klägern geforderte Abrechnung gelegt.
Bei der rechtlichen Beurteilung ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß der Erstbeklagte nicht nur mit der Vermittlung eines Kredits, sondern auch mit der Unterfertigung der Schuldurkunde und sohin mit dem Abschluß des Darlehensvertrages namens der Kläger beauftragt war, wozu ihm auch eine notariell beglaubigte Vollmacht ausgestellt wurde. Der Zweck dieser zweifachen Beauftragung war, den Klägern den gewünschten Darlehensbetrag zu beschaffen. Bei der Kreditvermittlung sei der Erstbeklagte als Handelsvertreter im Sinne des § 29 HVG. tätig gewesen. Er habe aber gleichzeitig als Bevollmächtigter der Kläger den Auftrag zum Abschluß des Darlehensvertrages selbst gehabt. Das dem erfolgten Auftrag zugrundeliegende Motiv - sei es um den Klägern eine Reise nach W. zu ersparen oder aus anderen Gründen - sei für die Beurteilung der aus dem zustandegekommenen Bevollmächtigungsvertrag entsprungenen Rechnungspflicht unmaßgeblich. Es sei auch nicht richtig, daß der Erstbeklagte aus dem aufgetragenen Geschäft nur dann rechnungspflichtig sei, wenn er tatsächlich Geldbeträge erhalten hätte. Die Kläger als Auftraggeber müßten vielmehr, um Rechnungslegung verlangen zu können, nur das Auftragsverhältnis, nicht aber auch nachweisen, daß der Beauftragte Geldbeträge während der Geschäftsführung eingenommen habe. Ob und welche der Geschäftsführer hatte, sei erst in dem etwa folgenden Rechtsstreit zu klären. Die Rechnung müsse Einnahmen und Ausgaben im einzelnen und ferner ausweisen, wofür Zahlungen geleistet wurden oder Geld angenommen wurde. Im vorliegenden Fall sei das Ziel des vom Erstbeklagten übernommenen Auftrages gewesen, den Klägern einen Kredit zu verschaffen, über welchen diese auch selbst verfügen konnten. Da mit der Darlehensgewährung aber auch Kosten verbunden waren und der Erstbeklagte aus dem Kreditbeschaffungsauftrag einen Provisionsanspruch hatte, er nach seinen eigenen Angaben auch Darlehenszinsen für die Klägerin bezahlt und ihm bekannt war, daß den Klägern nicht der volle Darlehensbetrag zugekommen sei, bestehe für den Erstbeklagten selbst dann, wenn er aus der Darlehenssumme keine Beträge erhalten haben sollte, eine Verrechnungspflicht im Sinne des § 1012 ABGB. Es könne daher dahingestellt bleiben, ob ihn nicht etwa auch auf Grund der Bestimmung des § 2 (1) HVG. eine Verrechnungspflicht treffe. Da sich die Rechnungslegung über ein aufgetragenes Geschäft als ein einheitliches Ganzes darstelle, habe die Rechnungslegung den gesamten Darlehensbetrag von 200.000 S zu umfassen, gleichgültig, ob Teile desselben den Klägern inzwischen zugekommen seien oder nicht.
Der Erstbeklagte verweist in der Revisionsschrift darauf, daß das Berufungsgericht von der Feststellung des Erstrichters ausgegangen sei, er, der Erstbeklagte, sei nicht nur mit der Vermittlung eines Kredites, sondern auch mit der Unterfertigung der Schuldurkunde und sohin mit dem Abschluß des Darlehensvertrages beauftragt gewesen, wozu ihm auch eine notariell beglaubigte Vollmacht ausgestellt worden sei. Dieser Schluß sei richtig, wenn damit nur die zweifache Beauftragung, einen Kredit zu vermitteln und vor dem Notar Unterschriften zu leisten, gemeint sei, wenn jedoch mit dem Wort "beschaffen" eine darüber hinausgehende Wirksamkeit des Erstbeklagten gemeint sein sollte, so finde ein solcher Schluß in den Tatsachenfeststellungen keine Deckung. Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden. Der Erstbeklagte hatte nach den unbekämpften Feststellungen des Erstgerichtes zwei Aufträge erhalten, 1. den Auftrag, einen Kredit zu vermitteln und 2. den Auftrag, auf Grund der ihm ausgestellten Vollmacht den Darlehensvertrag für die Kläger zu unterfertigen, also einen Vertrag auf Gewährung eines Darlehens zu schließen. Nach § 1012, 2. Halbsatz ABGB. ist der Machthaber rechnungslegungspflichtig. Diese Rechnungslegungspflicht soll den Machtgeber instand setzen, Herausgabe- oder Schadenersatzansprüche gegen den Beauftragten aus der Geschäftsbesorgung und allenfalls auch Ansprüche aus dem Ausführungsgeschäft gegen den Dritten festzustellen und geltend machen zu können (Stanzl in Klang[2] IV., S. 840). Die Rechnung muß daher Einnahmen und Ausgaben im einzelnen und ferner ausweisen, worauf Zahlungen geleistet wurden oder Geld angenommen wurde (Stanzl a. a. O. S. 841). Den Erstbeklagten trifft daher eine Rechnungslegungspflicht zur Klarstellung, welche Einnahmen und Ausgaben er als Beauftragter der Kläger bei der Vermittlung des Kredites und bei dem ihm in Auftrag gegebenen Darlehensgeschäft hatte. Schon daraus ergibt sich die von den Klägern geforderte Pflicht zur Rechnungslegung auch bezüglich des Erstbeklagten, sodaß nicht untersucht werden muß, ob den Erstbeklagten auch noch nach anderen gesetzlichen Bestimmungen eine Pflicht zur Rechnungslegung trifft. Der Ansicht Stanzls (a. a. O. S. 840), daß der Auftraggeber nur das Auftragsverhältnis nachzuweisen hat, nicht aber auch, daß der Beauftragte Geldbeträge während (richtiger wohl zufolge) der Geschäftsführung eingenommen hat, ist zuzustimmen.
Um den vom Gesetz gewünschten Zweck der Rechnungslegung nicht zu vereiteln, darf der Umfang der Rechnungslegungspflicht nicht allzu sehr eingeschränkt werden, sondern muß auf das nach der Natur des Geschäftes und den Umständen des Falles Angemessene, auf das Verkehrsübliche verwiesen werden (Stanzl a. a. O.), sodaß keine rechtlichen Bedenken gegen den von den Untergerichten aufgetragenen Umfang der Rechnungslegungspflicht - Rechnungslegung über die Verwendung des mit legalisierter Vollmacht am 21. Juni 1957 aufgenommenen Darlehens von 200.000 S bestehen. Der Erstbeklagte wurde auch nicht verurteilt "Erhebungen über den Verbleib des Geldes" anzustellen, er wurde zur Rechnungslegung verurteilt.
Die Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wird darin erblickt, daß das Berufungsgericht das Beweisverfahren nicht wiederholt habe. Das Berufungsgericht hat aber seiner Entscheidung ohnehin nur die unbekämpften Feststellungen des Erstgerichtes zugrunde gelegt, von denen es nach § 498 (1) ZPO. bei seiner Entscheidung auszugehen hatte. Mangelhaft soll das Berufungsverfahren auch sein, weil nicht ein Bankauszug des Zweitbeklagten eingeholt wurde. Der gegenständliche Rechtsstreit ist aber nicht dazu bestimmt, zu entscheiden, ob die vom Erstbeklagten oder die vom Zweitbeklagten gegebene Erklärung über den Verbleib der restlichen 81.402 S richtig ist. Wenn schließlich gerügt wird, daß das Berufungsgericht "die weiteren schon beim Erstgericht beantragten Beweise" nicht zugelassen habe, so wird nicht angeführt, um welche Beweise es sich handelt; jedenfalls würde es sich um einen Mangel des Verfahrens erster Instanz handeln, von dem das Berufungsgericht bereits erkannt hat, daß er nicht vorliegt. Überdies genügen, wie schon ausgeführt, bereits die unbekämpft gebliebenen Feststellungen des Erstgerichtes, um über die Rechnungslegungspflicht des Erstbeklagten und den Umfang derselben absprechen zu können.
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