Spruch:
Voraussetzungen für den urheberrechtlichen Schutz vermenschlichter Igelfiguren ("Mecki"-Igel).
Entscheidung vom 10. Dezember 1964, 4 Ob 343/64. I. Instanz:
Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:
Oberlandesgericht Wien.
Text
Der Kläger ist Inhaber des Verlages Julius B. jun. in Wien. In diesem Verlag ist das von Anna H. illustrierte "Große Igelbuch" im Jahre 1960 erschienen. Der Kläger brachte in der vorliegenden (am 4. April 1962 überreichten) Klage vor, er habe den Vertrieb dieses Buches für das deutsche Sprachgebiet, mit Ausnahme Österreichs, dem B.-Verlag in München übertragen. Die beklagte Partei habe nunmehr mit der Behauptung, sie besitze an Mecki-Igelfiguren und Mecki-Igelbildern ein Urheberrecht und der Kläger habe durch die Igelillustrierungen im "Großen Igelbuch" in das ihr zustehende Urheberrecht eingegriffen, gegen den B.-Verlag eine einstweilige Verfügung auf Unterlassung des weiteren Vertriebes dieses Buches erwirkt. Als der Werknutzungsberechtigte dieses Buches sei der Kläger an der Feststellung interessiert, daß er durch die Illustration in seinen Igelbüchern, insbesondere in dem "Großen Igelbuch" in das der beklagten Partei zustehende Urheberrecht nicht eingegriffen habe. Überhaupt stehe der Beklagten an Igelbildern ein Urheberrecht nicht zu. Sollte die beklagte Partei an Igelbüchern ein Urheberrecht aber doch besitzen, so habe der Kläger durch seine Igeldarstellungen dieses jedenfalls nicht verletzt. Durch die vorläufige Untersagung des Verkaufes des "Großen Igelbuches" habe er einen Schaden von mindestens 15.000 S erlitten. Er begehrte, es werde festgestellt, daß die Bilder von bekleideten Igeln in dem von ihm herausgegebenen Buch "Mein großes Igelbuch" nicht in die Urheberrechte an den von der Beklagten herausgegebenen Meckifiguren und -bildern eingreifen, und die Beklagte schuldig sei, ihm 15.000 S samt 5% Zinsen ab Klagstag zu bezahlen. Das Schadenersatzbegehren erhöhte der Kläger schließlich auf 32.500 S samt Anhang. Die beklagte Partei beantragte Abweisung des Klagebegehrens. In erster Linie wendete sie sachliche Unzuständigkeit ein und gab die Erklärung ab, daß sie sich in den Rechtsstreit nur im Hinblick auf ihr österreichisches Vermögen im Sinne des Art. 2 (4) lit. b des österreichisch-deutschen Vollstreckungsvertrages, BGBl. Nr. 105/1960, einlasse. Im übrigen bestritt die Beklagte die Zulässigkeit des Feststellungsbegehrens und machte zum Zahlungsbegehren Unzulässigkeit des Rechtsweges geltend. Sie behauptete, daß ihr die urheberrechtlichen Verwertungsrechte auf drucktechnischem Gebiet hinsichtlich der vermenschlichten Mecki-Igeldarstellungen zustunden. In ihrem Verlag erscheine unter anderem die Zeitschrift "Hör zu", in der sie laufend Mecki-Igeldarstellungen veröffentliche. Durch seine Igelbücherillustrierungen habe der Kläger in ihr Urheberrecht eingegriffen, weshalb sie zu Recht gegen den deutschen B.-Verlag und mittlerweile übrigens auch schon gegen den Kläger selbst beim Landgericht Hamburg eine Klage auf Unterlassung eingereicht und ein vorläufiges Verkaufsverbot für die Igelbücher des Klägers erwirkt habe. Die Graphikerin Anna H. ist dem Rechtsstreit als Nebeninterventin auf Seiten der klagenden Partei beigetreten.
Im ersten Rechtsgang hatte das Erstgericht das Klagebegehren abgewiesen. Es vertrat im wesentlichen die Ansicht, die Klage bezwecke eine Umgehung des österreichisch-deutschen Vollstreckungsvertrages. Dem Kläger fehle das Feststellungsinteresse. Das Berufungsgericht hatte dieses Ersturteil auf Grund der Berufung des Klägers und der Nebeninterventin unter Rechtskraftvorbehalt aufgehoben. Das angerufene Gericht sei sachlich zuständig, der Rechtsweg zulässig und das Feststellungsinteresse des Klägers zu bejahen. Doch mangle die Spruchreife. Der Oberste Gerichtshof bestätigte infolge Rekurses der beklagten Partei mit seinem Beschluß vom 12. März 1963, 4 Ob 307/63, den Aufhebungsbeschluß. Darin führte der Oberste Gerichtshof im wesentlichen aus, die Feststellungsklage sei am Platze, weil nur durch sie alle sich auf Grund der beiderseitigen Igelbilderillustrationen ergebenden Rechtsbeziehungen geklärt werden könnten. Durch eine nach der Einbringung der gegenständlichen Klage von der Beklagten gegen den Kläger eingebrachte Leistungsklage sei das Interesse des Klägers an der negativen Feststellung nicht beseitigt worden, weil die Entscheidung über die Leistungsklage nicht alle zwischen den Streitteilen denkbaren Ansprüche erledigen könne.
Im zweiten Rechtsgang wies das Erstgericht das Klagebegehren abermals zur Gänze ab. Das Erstgericht stellte fest, es habe Hermann D. seinerzeit einen bestimmten Igel in vermenschlichter Form in Plastik geschaffen, für den in der Folge die Bild- und Wortmarke "Mecki" eingetragen worden sei. Der Schöpfer dieser Igelpuppe Hermann D. bzw. die Fa. Gebrüder D., die von dem Schöpfer alle Verwertungsrechte erworben habe, hätten am 8. Dezember 1951 das alleinige Nutzungsrecht an der Igelpuppe, soweit es das drucktechnische Gebiet betrifft, an die beklagte Partei übertragen. Es habe zwar schon vor dem von Hermann D. geschaffenen Igel eine große Anzahl von veröffentlichten Darstellungen und Zeichnungen über vermenschlichte Igelfiguren gegeben. In Märchenbüchern sei die Fabel vom Wettlauf zwischen dem Hasen und dem Igel beschrieben und illustriert worden, wobei der Igel immer in vermenschlichter Figur mit Lumpen bekleidet, als der Schlaue dargestellt worden sei, der seine Aufgabe erfolgreich löste. Keine dieser Darstellungen habe aber etwas eigentümlich Schöpferisches gehabt. Der D.'sche Igel hingegen weiche von diesen Darstellungen in seinen Proportionen und in der Bewegung im Zusammenspiel der Proportionen wesentlich ab. Der Gesamteindruck des D.'schen Igels sei wesentlich wirkungsvoller als der anderer Igeldarstellungen, weil D. die weitestgehende Vermenschlichung des Igels unter Aufrechterhaltung des tierhaften erreicht habe. Sein Igel sei sowohl vermenschlicht, als auch tierhaft drollig und märchenhaft. Die D.'sche Figur rage in Ausführung und Gestaltung aus der Masse der anderen Igeldarstellungen sichtbar heraus. Deshalb habe die D.'sche Igelfigur allgemeine Beliebtheit erlangte. In dem Verlag der beklagten Partei erscheinen seit Jahren Kinderbücher und andere Druckwerke, in denen Igel nach der D.'schen Igelpuppe gezeichnet werden, so z. B. das Bilderbuch "Mecki im Schlaraffenland". Zu einem späteren Zeitpunkt als die beklagte Partei habe auch der Kläger begonnen, in seinem Verlag Kinderbücher mit Darstellungen eines vermenschlichten Igels herauszubringen. So sei in seinem Verlag das Bilderbuch "Mein großes Igelbuch" mit Text von Helene W. und Illustrationen von Anna H. (Nebeninterventin) erschienen. Die dort vorkommenden Igeldarstellungen seien den Igeldarstellungen in den Druckwerken der beklagten Partei zum Verwechseln ähnlich. Der Begrenzungskreis, die Umgrenzungslinien, die Umrisse und Proportionen sowie das Zusammenspiel derselben seien in den Igelbüchern der Beklagten und denen des Klägers im wesentlichen die gleichen. In rechtlicher Beziehung führte das Erstgericht aus, die D.'sche Igelfigur habe den Charakter einer unverwechselbaren Persönlichkeit. Sie und ebenso die Igelnachbildungen in den Druckwerken der beklagten Partei seien eine eigentümlich geistige Schöpfung im Sinne des § 1 UrhG. Die Darstellungen in den Büchern des Klägers seien von diesen Bildern abhängige Darstellungen. Der Kläger habe in das Urheberrecht und in das der Beklagten zustehende Werknutzungsrecht eingegriffen. Die vom Kläger beantragte Feststellung, daß er in die Urheberrechte an den von der Beklagten herausgegebenen Mecki-Figuren und Mecki-Bildern nicht eingreife, habe daher ebenso wie das Schadenersatzbegehren, das auf der angestrebten negativen Feststellung aufgebaut sei, abgewiesen werden müssen.
Das Berufungsgericht bestätigte infolge Berufung des Klägers und der Nebeninterventin dieses Urteil des Erstgerichtes in der Hauptsache und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes des Feststellungsbegehrens 15.000 S übersteige. Das Berufungsgericht hielt das Verfahren vor dem Erstgericht nunmehr für mangelfrei, Aktenwidrigkeiten für nicht vorliegend, die Beweiswürdigkeit für unbedenklich und die rechtliche Beurteilung für zutreffend. Es führte in Erledigung der Rechtsrügen des Klägers und der Nebeninterventin aus, bei der Frage, ob ein Werk eine Schöpfung im Sinne des § 1 UrhG. ist, handle es sich um eine Rechtsfrage. Die Beiziehung von Sachverständigen sei nur zur Vornahme von tatsächlichen Feststellungen erforderlich, nicht aber zur Prüfung der Frage, ob die D.'sche Mecki-Igelschöpfung ein geschütztes Werk sei oder nicht. Die vom Erstgericht vorgenommene Heranziehung von Sachverständigen sei demnach überhaupt entbehrlich gewesen. Ein Kunstwerk sei eine eigenartige Geistesschöpfung von selbständigem Gepräge, sei die Verkörperung eines Gedankens auf Grund einer individuellen geistigen Tätigkeit; der Ausdruck einer neuen, originellen geistigen Idee. Die konkrete Verkörperung einer Form in originelle Idee (GR. 1953, S. 23 "Micky-Mouse Entscheidung"), die eigenartige, aus dem innersten Wesen des geistig Schaffenden fließende Formgebung von Gedanken mache das Werk aus (SZ. XXVI 263). Ein Werk sei also das Ergebnis einer schöpferischen Geistestätigkeit, das seine Eigenheit, die es von anderen Werken unterscheidet, aus der Persönlichkeit des Schöpfers empfangen habe. Für den Rechtsschutz sei die Individualität maßgebend, mit der sich das Gebilde von dem alltäglich Anderen abhebt. Das Vorliegen dieser Voraussetzung sei streng zu prüfen (SZ. XXVI 263, mit dem Hinweis auf Lissbauer, Das österreichische Urheberrechtsgesetz, S. 171 f). Das eigentlich Schöpferische liege in der eigenartigen, aus dem innersten Wesen des geistig Schaffenden fließenden Formung von Gedanken (Mitteis, Grundriß des Urheberrechtes, S. 29). Das Werk müsse die geistige Individualität des Schöpfers zum Ausdruck bringen (Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht[2], S. 214). Es müsse eine geistige, aus der Phantasie geborene Schöpfung sein (Schramm, Die schöpferische Leistung, S. 106). Eine besondere Werkhöhe sei dabei erforderlich (Rintelen, Urheberrecht und Urhebervertragsrecht, S. 49). Allerweltsarbeit schaffe kein Werk, sondern nur ein Erzeugnis (Voigtländer - Elster - Kleine, Urheberrecht, S. 5). Ergebnisse geistiger Arbeit, die den im § 1 UrhG. aufgestellten Erfordernissen der eigentümlichen geistigen Schöpfung nicht genügten, hätten keinen urheberrechtlichen Schutz. Die Form an sich sei nicht schutzfähig, sondern nur der formgewordene Gedanke. Das Motiv einer vermenschlichten Igelfigur sei nicht Gegenstand des urheberrechtlichen Schutzes. Denn vermenschlichte Igelfiguren würden schon seit Jahrzehnten häufig dargestellt. Aber die individuelle Ausführung dieses Motivs als Ausdruck einer schöpferischen Gestaltungskraft könne urheberrechtlichen Schutz genießen (GR. 1962, S. 78 "Peter-Igelfiguren-Entscheidung" mit der vorstehend angeführten Literatur). Bei der Darstellung des vermenschlichten Igels könne daher nur die Darstellung in origineller Physiognomie geschützt sein. Die im Jahre 1937 von Hermann D. geschaffene Igelpuppe, die später unter dem Namen "Mecki" berühmt wurde, besitze diese Gestaltungskraft. Denn sie sei eine besonders vermenschlichte, auf das Gemüt von Jung und Alt besonders wirkende Darstellung eines beliebten Tieres, eines Igels in Kleidern. Gewiß sei das hochgehobene Rüsselchen mit schwarzem Knopfschnäuzchen, also die Knollennase und die prallen Backen dem Schöpfer dieser Figur besonders gelungen, aber die einzelnen Merkmale machten das Individuelle an dieser Figur keineswegs aus. Es sei der unverwechselbare ästhetische Gesamteindruck, den die ganze Erscheinung dieser bestimmten Igelpersönlichkeit mache, welche etwas Schöpferisches und Ureigenes fühlen lasse. Der D.'sche Igel sei ein einprägsames Charakteroriginal mit einem besonders vermenschlichten, drollig heitern, irgendwie märchenhaft anmutenden, unverwechselbaren Igelgesicht eigener Art. Die Auffassung des Klägers, daß der D.'sche Mecki-Igel, der jedermann bekannt sei, kein urheberrechtlich geschütztes Kunstwerk sei, erweise sich demnach als unrichtig. Soweit der Kläger ins Treffen führe, die Igelbilder der beklagten Partei seien mit der D.'schen Mecki-Figur (Plastik) nicht ident, die Mecki-Bilder der beklagten Partei seien nur Abbildungen der D.'schen Figuren in verschiedenen Positionen, sei auf das Vorbringen des Klägers zu verweisen, der selbst zum Ausdruck bringe, daß Mecki-Bilder der Beklagten nichts anderes als Photographien der D.'schen Igelfigur seien. Daraus ergebe sich, daß für die Lösung der hier zu beurteilenden Rechtsfragen ein Vergleich dieser Photographien bzw. der in den Druckwerken der werknutzungsberechtigten Beklagten enthaltenen Igelbilder mit den Igel-Bildern in den Druckwerken des Klägers genügen müsse, die Beischaffung der Original-D.'schen Mecki-Figur also nicht erforderlich gewesen sei. Die in den Igel-Büchern des Klägers von der Nebeninterventin gezeichneten Igel-Bilder seien, wie auch die beiden Sachverständigen Prof. Karl L. und Erich H. meinten, zwar gewiß keine Pausen der Mecki-Igelbilder der Beklagten, - was ja infolge der Vielfältigkeit der dargestellten Situationen gar nicht möglich sei - es sei aber doch in allen von ihr gezeichneten Igelbildern das Mecki-Igel-Vorbild unverkennbar. In den Igelbildern der Nebeninterventin fänden sich im Gründe genommen alle Merkmale wieder, die dem Mecki-Igel das Besondere im Gesichtsausdruck verliehen. Sie wiesen den gleichen Haaransatz, die gleiche Knollennase, die gleiche wulstige, etwas verzogene Unterlippe, die prallen Backen und einen jedenfalls nicht sehr viel anderen, sympathischen unbeschwerten Gesichtsausdruck auf, wie die Betrachtung ergebe. Daß der Gesichtsausdruck durch die Verschiedenheit der Situationen, welche verschiedene Gefühlsregungen hervorrufen, da und dort ein wenig anders sei, sei natürlich. An der spezifischen Grundhaltung des Mecki-Igels ändere sich dadurch aber nichts. Auch in den Igelbildern der Nebeninterventin sei der wohlbekannte sympathische Mecki, das markante Individuum mit spezifischer Grundhaltung zu erkennen. Es könne dahin gestellt bleiben, ob der D.'sche Mecki-Igel eine völlige Neuschöpfung darstelle, oder ob es sich bei ihm nur um eine Bearbeitung der Illustrationen des Malers Ludwig R. zu dem Märchen der Gebrüder Grimm "Der Swinegel und der Hase" aus den 80 er Jahren des vorigen Jahrhunderts, oder der Igelbilder des Malers Vogel in den "Fliegenden Blättern" aus der Zeit um 1910 oder der alten Igel-Taschenbücher handle. Denn ein Vergleich aller dieser Bilder mit dem Mecki-Igel zeige jedenfalls, daß der Gesamteindruck bei diesem ein ganz anderer sei als bei den früheren Igeldarstellungen. Aus den vom Kläger vorgelegten Privatgutachten Dr. Ludwig D., Prof. Dr. Wilhelm P., Prof. Josef S. und Prof. Z. sei in Wahrheit für den Kläger und seine Nebeninterventin nichts gewonnen. Dr. D. meine zwar, daß die Mecki-Igelbilder und Igelbilder der Nebeninterventin nicht verwechselt werden könnten, weil beim Mecki die Schnauze verhältnismäßig spitz verlaufe, bei den H.-Igeln aber weniger spitz, die Gesichter bei H. im allgemeinen etwas breiter angelegt seien, der Mecki eine stark zerrissene und geflickte Hose anhabe, die H.- Igel aber ordentlich bekleidet seien. Dazu sei zu sagen, daß dies zwar stimme. Doch komme es nicht auf diese Einzelheiten, sondern auf den Gesamteindruck an. Prof. P. meine, die H.-Igel seien eine eigentümliche Schöpfung, die unter freier Bearbeitung der Mecki-Darstellungen entstanden sei. Zu diesem Ergebnis habe er aber nur dadurch gelangen können, daß er die einzelnen Gründelemente der Igelbilder zerfaserte und die Verschiedenheiten überbewertete, den Gesamteindruck aber vernachlässigte. Die von Prof. P. in den Vordergrund gestellten Verschiedenheiten im Gesichtsausdruck (bei Mecki hervorgehobene Tränensäcke, Krähenfüße an den Augen, schwere Oberlider, nur angedeutete Augenbrauen, wulstige Unterlippe, bei den H.'schen Igeln aber Schweinsäugerln, ausgeprägte Augenbrauen, keine Tränensäcke, keine Krähenfüße bei den Augen, nur angedeutete Oberlippe) seien jedenfalls nicht so kraß, daß sie den Bildern einen anderen Gesamteindruck zu verleihen vermocht hätten. Prof. S. und Prof. Z. hätten die richtige Auffassung vertreten, daß die Darstellung eines vermenschlichten Igels an sich nicht geschützt sei. Sie hätten aber zu Unrecht das Eigenständige in der D.'schen Mecki-Igel-Darstellung nicht wahrhaben wollen. Aus der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes GR. 1962, S. 78, (Peter-Igelgruppen-Entscheidung) sei für den Kläger und die Nebeninterventin ebenfalls nichts zu gewinnen, weil der Oberste Gerichtshof seine Auffassung über das Nichtvorhandensein einer künstlerischen Eigenart in den Peter-Igelfiguren nur auf diese und nicht auch auf die D.'schen Mecki-Igel-Figuren abgestellt habe.
Der Oberste Gerichtshof gab den Revisionen der klagenden Partei und der Nebeninterventin teilweise Folge, stellte fest, daß eine Urheberrechtsverletzung nicht vorliege, und bestätigte die Abweisung des Schadenersatzbegehrens.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Bei der Entscheidung dieser Rechtssache ist davon auszugehen, daß weder die Feststellung begehrt wird, die D.'schen Igelfiguren ("Mecki-Igel") seien nicht urheberrechtlich geschützte Werke, noch daß die Feststellung des urheberrechtlichen Schutzes bezüglich der von der Nebeninterventin für das große Igelbuch geschaffenen Igel ("H.-Igel") beantragt wird; Gegenstand des Rechtsstreites nach Punkt 1 der Klage ist vielmehr das Begehren auf Feststellung, daß die Bilder von bekleideten Igeln in dem vom Kläger herausgegebenen Werk "Mein großes Igelbuch" nicht in die Urheberrechte an den von der beklagten Partei herausgegebenen Mecki-Figuren und Mecki-Bildern eingreifen.
Die Darstellung eines vermenschlichten Igels an sich ist, wie die Parteien und die Untergerichte richtig erkannt haben, als bloßes Motiv urheberrechtlich nicht geschützt. Eine Monopolisierung der Gestalt eines solchen Igels ist daher ausgeschlossen. Nur durch die Art der Darstellung kann ein Werk, das das Motiv eines vermenschlichten Igels verwendet, zu einem Werk im Sinne des § 1 UrhG. werden, nämlich dann, wenn es eine eigentümliche geistige Schöpfung darstellt. Andere Werke, die dasselbe Motiv benützen, können durch die Art ihrer Darstellung ebenfalls eigentümliche geistige Schöpfungen und daher Werke im Sinne des § 1 UrhG. sein. Es kann sich aber auch um bloße Nachbildungen eines früher geschaffenen Werkes handeln und diese Nachbildungen können dann - wenn dem früheren Werk urheberrechtlicher Schutz zukommt - einen Eingriff in dieses Urheberrecht darstellen.
Zum Motiv eines vermenschlichten Igels gehört der aufrechte Gang der Figur, die menschliche Bekleidung, das in Form aufrechtstehender Stacheln dargestellte Haar, die schweinsrüsselähnliche Nase mit dem dunklen Knöpfchen und verschiedene weitere Elemente, die bei der Darstellung eines vermenschlichten Igels nach der Natur der Sache allgemein verwendet werden und künstlerisches Gemeingut sind. Diese Elemente sind einer individuellen künstlerischen Formung kaum zugänglich und scheiden daher beim Vergleich zweier Werke der Kunst oder des Kunstgewerbes hier von vornherein aus.
Die künstlerische Art der Darstellung eines vermenschlichten Igels kann sich im wesentlichen nur auf die Formung des Gesichtsausdruckes beziehen. Das Eigenschöpferische kann sich in der künstlerischen Darstellung der dem Gesicht abzulesenden tierischmenschlichen Grundhaltung, der daraus zu entnehmenden entscheidenden Eigenart und des Wesenskernes der geschaffenen Figur ausdrücken.
Es kann dahingestellt bleiben, ob die D.'sche Mecki-Figur die an ein urheberrechtlich geschütztes Werk zu stellenden Anforderungen in der in erster Linie in Frage kommenden Darstellung der Physiognomie erfüllt, wie etwa die Entscheidungen des deutschen Bundesgerichtshofes vom 1. April 1958, GRUR 1958, S. 500, und vom 8. Dezember 1959, GRUR 1960, S. 251, annehmen. Daher kann es auch unerörtert bleiben, ob der D.'sche Mecki-Igel die in der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom GR 1962, S. 78, behandelten Peter-Igel in der individuellen künstlerischen Leistung so sehr überragt, daß diesen zwar wegen mangelnder Werkhöhe, relativ grober Modellierung des Kopfes und nach den einzelnen Bauelementen sowie im kompositorischen Zusammenklang die Eigenschaft einer individuellen Schöpfung abzusprechen, jenem aber zuzuerkennen sei. Denn selbst wenn der beklagten Partei der urheberrechtliche Schutz zusteht, könnte sie sich nicht darauf berufen, daß die von Anna H. geschaffene und dem Kläger zur Nutzung überlassene Igelgestalt in die allenfalls anzuerkennende Urheberrechte der beklagten Partei eingriffe. Es kommt bei der Entscheidung dieses Rechtsstreites nämlich in erster Linie darauf an, ob die Physiognomie der H.'schen Igel im Igelbuch des Klägers von der der D.'schen Mecki-Igel der beklagten Partei so weit abweicht, daß von einem Eingriff, einer Verletzung eines Ausschließungsrechtes der beklagten Partei nicht geredet werden könnte.
Bei diesem Vergleich kann es nicht auf Einzelheiten ankommen, wie etwa auf die Gestaltung der Nase, auf die Art, wie die Stacheln des Igels dargestellt sind, sondern nur darauf, welchen Gesamteindruck die Gesichter der beiden Igeldarstellungen machen. Bei diesem Vergleich ist es belanglos, in welcher momentanen, dem betreffenden Bild entsprechenden Gemütsverfassung sich die Igel zeigen, ob sie ängstlich, lustig, zornig oder zufrieden dargestellt sind. Maßgebend ist vielmehr die künstlerisch dargestellte Grundhaltung, der Wesenskern der Figur, die durch jede vorübergehende Stimmung hindurchleuchten.
Ein wesentlicher Unterschied zwischen den beiderseitigen Igelfiguren besteht darin, daß der D.'sche Mecki-Igel menschlich-vergeistigt erscheint, was sich aus den Augen und den Gesichtszügen ablesen läßt. Der H.'sche Igel hingegen zeigt als entscheidende Eigenarten Harmlosigkeit, Einfalt, ja geradezu Dummheit und Oberflächlichkeit. Der Mecki-Igel ist ein verschmitzter, honoriger, pfiffiger, allen Situationen gewachsener Lebenskünstler von unerschütterlich heiterer, philosophischer Gemütsart, spitzbübisch, ein Original. Die H.-Igel dagegen sind wegen ihres einfältigen Charakters gefühlsbetont, verspielt, lustig, kindisch, den täglichen Widrigkeiten ausgesetzt. Die Abweichungen der beiderseitigen Darstellungen sind so weitgehend, daß von einer Nachahmung, einer abhängigen Nachschöpfung (Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht[2], S. 220) der Mecki-Igel durch die H.-Igel nicht gesprochen werden kann. Selbst wenn also den Mecki-Igeln urheberrechtlicher Schutz zukommen sollte, was dahingestellt bleiben kann, läge in der Darstellung der H.-Igel kein Eingriff in die Verwertungsrechte der beklagten Partei bezüglich der Mecki-Igel. Die Urteile der Untergerichte waren daher bezüglich des Feststellungsbegehrens dahin abzuändern, daß der Klage stattgegeben wird.
In der Klage wurde auch ein Schadenersatzbetrag von 15.000 S, samt 5% Zinsen seit 4. April 1962 ohne weitere Begründung verlangt. In der mündlichen Streitverhandlung vom 26. Februar 1962 wurde ausgeführt, daß der S.-Verlag das "Große Igelbuch" vertrieb und pro verkauftem Stück dem Kläger eine Lizenzgebühr von 50 Pfennig zu bezahlen hätte. Der Durchschnittsverkauf habe mindestens 1000 Stück pro Monat betragen, so daß dem Kläger durch fünf Monate ein Schaden von mindestens 50.000 S entstanden sei, weil durch die einstweilige Verfügung der Verkauf nicht möglich gewesen sei. Eine Ausdehnung des Klagebegehrens ist in dieser Streitverhandlung nicht erfolgt. In der mündlichen Streitverhandlung vom 14. September 1962 wurde aus dem Akt ..... 1962 des Landgerichtes Hamburg festgestellt, daß zwischen der Firma H. & L., also der hier beklagten Partei, und dem S.-Verlag am 11. Juli 1962 ein Vergleich geschlossen wurde, wonach sich der S.-Verlag verpflichtete, die Verbreitung der Igelfiguren zu unterlassen, die Firma H. & L. aber dem S.-Verlag gestattete, die in seinem Besitz noch befindlichen 28.000 Exemplare des Igelbuches bis 30. Juni 1963 zu vertreiben. In diesem Vergleich übernahm der S.- Verlag die bisher der Firma H. & L. entstandenen Gerichts- und Anwaltskosten. Hiezu hatte die klagende Partei schon im Schriftsatz ON. 14 vorgebracht, daß Punkt 4 dieses Vergleiches eine Kostenzahlung des S.-Verlages an die Firma H. & L. vorsehe und daß der S.-Verlag auf Grund dieses Vergleiches die ihm erwachsenen Kosten von 5000 DM von den Lizenzgebühren des Klägers abziehe, weshalb das Schadenersatzbegehren auf 32.500 S (ohne Anhang) erhöht werde. Der geltend gemachte Schadenersatz wird daher nach dieser letzten Substanzierung daraus abgeleitet, daß der S.-Verlag zufolge seines Vergleiches mit der beklagten Partei vom 11. Juli 1962 die vereinbarte Lizenzgebühr um 5000 DM (das sind offenbar 32.500 S) mindere.
Da der Kläger am Vergleich vom 11. Juli 1962 nicht beteiligt war und keine Kostenzahlungspflicht übernommen hat, können ihm indessen durch diesen Vergleich allein seine Rechte aus dem Lizenzvertrag mit dem S.-Verlag nicht beschnitten werden. Wenn der Kläger den behaupteten Schaden von 32.500 S erleidet, so durch die Weigerung des S.-Verlages, die vereinbarten Lizenzgebühren zu bezahlen. Für eine solche Weigerung des S.-Verlages hat aber die beklagte Partei nicht einzustehen. Das Schadenersatzbegehren ist daher nicht schlüssig begrundet, so daß dessen Abweisung durch die Untergerichte zu bestätigen war.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)