OGH 8Ob267/64 (8Ob266/64)

OGH8Ob267/64 (8Ob266/64)24.11.1964

SZ 37/168

Normen

ABGB §1295
ABGB §1323
AO §53 (1)
ZPO §406
ABGB §1295
ABGB §1323
AO §53 (1)
ZPO §406

 

Spruch:

Ein Schaden entsteht schon mit dem Entstehen von Forderungen gegen den Beschädigten.

Die Verurteilung zur Zahlung noch nicht fälliger Raten nach Maßgabe des gerichtlichen Ausgleiches ist nicht zulässig.

Die Begünstigungen des Ausgleichsschuldners kommen dessen Schuldnern nicht zugute.

Entscheidung vom 24. November 1964, 8 Ob 266, 267/64. I. Instanz:

Kreis- als Handelsgericht Korneuburg; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Der Kläger brachte vor, daß er im Ausgleich der Beklagten Forderungen von insgesamt 1.160.742.80 S angemeldet habe. Die Beklagte habe die Forderungen bestritten, sodaß er, um einen Exekutionstitel zu erlangen, zur Klageführung genötigt sei. Er habe der Beklagten eine größere Anzahl Wechsel, die mit seiner Akzeptanten- bzw. Ausstellerunterschrift versehen gewesen seien, zur Sicherung für künftige Warenlieferungen, bzw. künftige Kreditgewährungen ausgehändigt. Die Beklagte habe ihm aber die vereinbarten Leistungen nicht erbracht, sondern sich mit diesen Wechseln über insgesamt 1.079.742.80 S, denen sie ihre eigene Unterschrift als Ausstellerin, bzw. Girantin beigefügt habe, bei verschiedenen Kreditinstituten selbst Geld beschafft. Da die Beklagte die Wechsel nicht eingelöst habe, hätten die Kreditinstitute diese Wechsel dem Kläger präsentiert. Er habe aber über das dafür notwendige Geld nicht verfügt, sodaß er schließlich habe in Ausgleich gehen müssen. Die Kosten seines Ausgleichsverfahrens samt Nebenkosten betrügen zirka 80.000 S. Durch den Niedergang seines Geschäftes infolge des Ausgleichsverfahrens sei ihm ein Schaden von 300.000 S entstanden. Die Beklagte habe ihm die Wechselschuld von 1.079.742.80 S, die Kosten des Ausgleichsverfahrens samt Nebenkosten von 80.000 S und von den sonstigen Schäden aus dem Geschäftsniedergang von 300.000 S vorläufig 1000 S zu bezahlen. Der Kläger stellte daher das Klagebegehren, 1. es stehe ihm gegen die Beklagte eine Forderung über 1.160.742.80 S zu, 2. die Beklagte sei schuldig, ihm die Ausgleichsquoten auf die Forderung von 1.160.742.80 S jeweils an dem im Ausgleich der Beklagten festgesetzten Zahlungstermin zu bezahlen.

Die Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Sie habe die Wechsel den Bankinstituten zum Eskompte erst dann weitergegeben, nachdem sie ihren mit dem Kläger vereinbarten Verbindlichkeiten nachgekommen sei. Im übrigen schulde sie dem Kläger nichts, vielmehr schulde er ihr 380.000 S, welchen Betrag sie aufrechnungsweise einwende. Sie habe überdies die Wechsel bei den Bankinstituten nicht zurückgelöst, sodaß die Bankinstitute ihre Forderungen in ihrem (der Beklagten) Ausgleich angemeldet hätten. Da die Wechsel auch die Unterschrift des Klägers trügen, hätten die Banken ihre Forderungen aus den Papieren auch im Ausgleich des Klägers angemeldet, aber von diesem bisher genau so wenig Zahlung erlangt wie von ihr selbst. Solange der Kläger nichts bezahlt habe, stehe ihm kein Anspruch auf Rückvergütung der Wechselsumme gegen die Beklagte zu. Beide Ausgleichsverfahren seien bisher nicht beendet. Selbst für den Fall, daß dem Kläger gegen die Beklagte eine Forderung von 1.000.000 S mehr oder weniger zustunde, wäre dies für die Eröffnung des Ausgleichsverfahrens des Klägers nicht ausschlaggebend gewesen, weil der Kläger anderwärts weitaus höhere Schulden habe. Hinsichtlich der Forderung auf Ersatz des Schadens aus dem Geschäftsniedergang, den der Kläger vorerst nur mit dem symbolischen Betrag von 1000 S geltend mache, sei sein Vorbringen nicht schlüssig.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren zur Gänze ab. Es stellte fest: Der Kläger habe eine Anzahl Wechsel, die auf eine Gesamtsumme von 1.079.742.80 S lauteten, mit seiner Aussteller- bzw. Akzeptantenunterschrift an die Beklagte weitergegeben, die die Wechsel, versehen mit ihrer eigenen Unterschrift, bei Bankinstituten zum Eskompte eingereicht und eskomptiert erhalten habe. Sowohl der Kläger als auch die Beklagte befänden sich im Ausgleich. Die Bankinstitute hätten ihre Wechselforderungen, weil die Wechsel nicht eingelöst worden seien, sowohl im Ausgleich des Klägers als auch im Ausgleich der Beklagten angemeldet. Der Kläger habe hierauf seinerseits die von den Banken bei ihm angemeldeten Forderungen im Ausgleich der Beklagten angemeldet, die die Forderungen des Klägers bestritten habe. Keines der beiden Ausgleichsverfahren sei bisher beendet. Die Kosten des Ausgleichsverfahrens des Klägers seien weder bestimmt noch auch annähernd bestimmbar. Der Anspruch des Klägers auf Bezahlung der Wechsel bestehe mangels Einlösung derselben durch ihn nicht zu Recht. Das gleiche gelte für den Anspruch auf Ersatz der Kosten des Ausgleichsverfahrens des Klägers, weil diese Kosten noch nicht bestimmt seien und weil überdies das diesbezügliche bloß mit einem Zirkabetrag geltend gemachte Begehren unschlüssig sei. Das treffe auch für den Anspruch auf Ersatz der sonstigen aus dem Geschäftsniedergang entstandenen Schäden mit dem vorläufig begehrten Betrag von 1000 S zu.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil mit Teilurteil bezüglich der Abweisung des Klagebegehrens auf Feststellung der Forderungen des Klägers von 1.079.742.80 S und 80.000 S und auf Verurteilung der Beklagten, dem Kläger die Ausgleichsraten auf diese Forderungen zu bezahlen. Es hob das Ersturteil über die Abweisung des Feststellungs- und Leistungsbegehrens bezüglich des weiteren Betrages von 1000 S mit Beschluß auf und verwies die Rechtssache im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurück.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers Folge, hob das Teilurteil des Berufungsgerichtes und den damit bestätigten Teil des erstgerichtlichen Urteiles auf und verwies die Rechtssache in diesem Umfang an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Kläger verbindet mit seinem Feststellungsbegehren ein Leistungsbegehren. Das Leistungsbegehren ist auf Zahlung der Ausgleichsraten der geltend gemachten Forderungen zu den im Ausgleich festgesetzten Zahlungsterminen gerichtet. Daß der Ausgleichsschuldner zur Zahlung noch nicht fälliger Ausgleichsraten verurteilt werden könnte, findet eine Stütze in der Entscheidung SZ. XVII 10 = RSpr. 1935, Nr. 74. Aber von dieser Entscheidung ist der Oberste Gerichtshof bereits mit seiner Entscheidung SZ. XVII 120 wieder abgegangen und hat im Sinne der früheren Rechtsprechung (so RSpr. 1931, Nr. 36) die Rechtsansicht ausgesprochen, daß die Verurteilung eines Ausgleichsschuldners zur Zahlung der noch nicht fälligen Ausgleichsraten nach Maßgabe der Bestimmungen des geschlossenen gerichtlichen Ausgleiches nicht zulässig sei. Dieser Auffassung - von der abzugehen, sich der Oberste Gerichtshof auch durch den vorliegenden Fall nicht veranlaßt sieht - ist der Oberste Gerichtshof unter Hinweis auf die Bemerkung Wahles zu Rechtsprechung 1935, Nr. 74 (= SZ. XVII 10), auch in letzter Zeit gefolgt (6 Ob 211/63), weil das österreichische Recht, den Fall des § 406 Satz 2 ZPO. ausgenommen, Verurteilungen zu künftigen Leistungen nicht kennt. Der Umstand, daß die Fälligkeit durch den gerichtlichen Ausgleich rechtsgestaltend festgesetzt worden sei, mache die Ausgleichsraten noch nicht fällig; denn fällig sei eine Schuld erst dann, wenn der Gläubiger ihre Leistung fordern könne. Daraus ergibt sich, daß das Leistungsbegehren nur so weit berechtigt ist, als die Ausgleichsraten fällig sind. Dem Feststellungsbegehren wieder fehlt das Interesse an der alsbaldigen Feststellung insofern, als ein Leistungsurteil möglich ist. Wie weit Feststellungs- und Leistungsbegehren berechtigt sind, kann erst nach Feststellung der Ausgleichsraten und ihrer Fälligkeit gemäß dem gerichtlich bestätigten Ausgleich beurteilt werden.

1.) Forderung von 1.079.742.80 S:

Der Revisionswerber behauptet, daß er berechtigt sei, den Betrag von 1.079.742.80 S aus dem Titel des Regresses, der Vertragserfüllung und des Schadenersatzes zu begehren. Daß er den Wechsel eingelöst habe, was Voraussetzung eines Regreßanspruches des Wechselschuldners wäre (vgl. Stanzl, Wechsel-, Scheck- und sonstiges Wertpapierrecht, S. 89, ferner EvBl. 1962, Nr. 26, SZ. XXVII 41 u. a.), behauptet der Kläger nicht. Er macht nach seinem Prozeßvorbringen aber auch keinen Anspruch auf Erfüllung eines Vertrages geltend. Er behauptet vielmehr, die Beklagte habe die ihr zur Sicherstellung künftiger Forderungen aus Warenlieferungen oder aus zu gewährenden Krediten übergebenen Wechsels bei verschiedenen Kreditinstituten eskomptiert, ohne dem Kläger die Leistungen erbracht zu haben, zu deren Sicherstellung - Deckung - die Wechsel hingegeben worden seien. Die auf Grund der Wechselunterschriften gegen den Kläger von den Kreditinstituten erhobenen Forderungen im Gesamtbetrag von 1.079.742.80 S seien der Vermögensschaden (§ 1293 ABGB.), den der Kläger durch die vereinbarungswidrige Begebung der Wechsel erlitten habe. Diese Rechtsansicht des Klägers teilt auch der Oberste Gerichtshof; denn der Schaden des Klägers entsteht nicht erst durch die Zahlung des Klägers auf Grund seiner wechselmäßigen Verpflichtung, sondern schon mit dem Entstehen der wechselmäßigen Forderungen der Kreditinstitute, die als solche eine Minderung seines Vermögens herbeiführten und sohin ein Nachteil an seinem Vermögen sind (vgl. SZ. X 320, XXXV 83 u. v. a.). Da die Untergerichte, von einer unrichtigen Rechtsansicht ausgehend, Feststellungen über die Einwendungen der Beklagten, vor allem über ihr Vorbringen, die Papiere seien nie vor Erbringung der Leistungen der Beklagten an oder für den Kläger ausgestellt oder begeben worden, nicht getroffen haben, ist eine Ergänzung des Verfahrens erster Instanz unvermeidbar, um die Sache spruchreif zu machen.

Es ist nicht richtig, daß der Schaden, wie die Revisionsbeantwortung meint, weder bestimmt noch bestimmbar sei, weil der Kläger sich im Ausgleich befunden habe und nunmehr über sein Vermögen der Konkurs eröffnet sei, sodaß nicht feststehe, welche Leistungen er einmal auf die Papiere zu erbringen haben werde. Der gerichtlich bestätigte Ausgleich befreit wohl den Ausgleichsschuldner von der Verbindlichkeit, seinen Gläubigern den Ausfall, den sie erleiden, nachträglich zu ersetzen (§ 53 (1) AO.). Die Begünstigungen des Ausgleichsschuldners kommen aber seinen Schuldnern nicht zugute. Der Schädiger hat daher dem Beschädigten, der sich im Ausgleich befindet, den erlittenen Schaden im vollen Ausmaß auch dann zu ersetzen, wenn dieser Schaden in einer durch das schuldhafte Verhalten des Schädigers entstandenen Forderung eines Dritten gegen den Ausgleichsschuldner besteht, die der Beschädigte als Ausgleichsschuldner mit Rücksicht auf den gerichtlich bestätigten Ausgleich nur mit einer Quote zu befriedigen hat. Durch die Forderung ist jedenfalls das Gesamtvermögen des Ausgleichsschuldners vermindert worden und es beeinflußt diese Verminderung die Quote der übrigen Gläubiger (SZ. X 320). Die Richtigkeit dieser Ansicht ergibt sich ferner daraus, daß auch nach der Erfüllung des Ausgleiches bezüglich der nicht bezahlten Schulden eine natürliche Verbindlichkeit zurückbleibt, die zwar von den Gläubigern nicht eingeklagt, aber vom Ausgleichsschuldner bezahlt werden kann (SZ. XVI 67). Es könnte sonach auch bei Befriedigung des geltend gemachten Leistungsanspruches durch die Beklagte von einer Bereicherung des Klägers nicht gesprochen werden.

2.) Ersatz der Kosten des Ausgleichsverfahrens samt Nebenkosten (Forderung von 80.000 S):

Würde erwiesen, daß der Kläger nur deshalb, weil er infolge Geldmangels die Wechselforderungen der Kreditinstitute nicht befriedigen habe können, das Ausgleichsverfahren einzuleiten gezwungen gewesen sei, hätte die Beklagte, wenn sie wegen vertragswidriger Begebung der Wechsel schadenersatzpflichtig geworden wäre, dem Kläger auch die ihm erwachsenen Kosten des Ausgleichsverfahrens zu ersetzen (Klang-Komm.[2], bei § 1323 ABGB., VI S. 123, bei Fußnote 51). Der Kläger hat kein unbestimmtes Begehren bezüglich der ihm entstandenen Kosten des Ausgleichsverfahrens gestellt, denn er begehrt ausdrücklich die Bezahlung von 80.000 S. In der Klagserzählung allerdings führt er aus, er mache vorläufig zirka 80.000 S geltend. Hier handelt es sich aber nur um eine ungeschickte Ausdrucksweise, wie sich im Zusammenhang mit dem eindeutig bestimmten Klagebegehren ergibt. Von einer Unschlüssigkeit der Klage in diesem Punkte kann jedenfalls keine Rede sein. Allerdings läßt das Vorbringen des Klägers nicht erkennen, auf Grund welcher Berechnung der Kläger zu dem Betrag von 80.000 S kommt. Das ist aber kein hinreichender Grund zur Abweisung des Klagebegehrens hinsichtlich des vom Kläger verlangten Betrages von 80.000 S. Es wäre vielmehr Sache des Erstrichters gewesen, durch Fragestellung oder auf andere Weise darauf hinzuwirken, daß die für die Entscheidung erheblichen tatsächlichen Angaben gemacht, ungenügende Angaben über die zur Begründung des Anspruchs geltend gemachten Umstände vervollständigt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur wahrheitsmäßigen Feststellung des Tatbestandes hinsichtlich des vom Kläger behaupteten Anspruchs notwendig erscheinen (§ 182 ZPO.). Sohin wurden nach dem Akteninhalt erhebliche Tatsachen nicht erörtert und dieser Mangel läßt die Sache auch in diesem Punkte nicht spruchreif erscheinen.

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

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