Normen
Bundesstraßengesetz §15 (3)
Bundesstraßengesetz §15 (3)
Spruch:
Zur Frage des Beginnes des Laufs der in § 15 (3) BStG. normierten Frist von einem Jahre nach Rechtskraft des Enteignungserkenntnisses.
Entscheidung vom 29. Oktober 1964, 2 Ob 266/64. I. Instanz; Bezirksgericht Gmunden; II. Instanz: Kreisgericht Wels.
Text
Mit Enteignungserkenntnis des Amtes der oberösterreichischen Landesregierung vom 9. April 1960 sind die jetzigen Anstragsteller nach dem Bundesstraßengesetz verpflichtet worden, für den Ausbau der Hausruck-Bundesstraße im Baulos "Wiesen" von den ihnen gehörigen Grundstücken in der KG. R. eine Fläche von 7658 m2 an die jetzige Antragsgegnerin dauernd und lastenfrei ins unbeschränkte Eigentum gegen eine Entschädigung von 17 S für einen Quadratmeter und von 32.820 S für Obstbäume und Sträucher abzutreten. Das bezogene Erkenntnis ist den Antragstellern am 9. Mai 1960 zugestellt worden. Ihre dagegen erhobene Berufung ist mit Bescheid des Bundesministeriums für Handel und Wiederaufbau vom 3. August 1960 mit der Begründung als unzulässig zurückgewiesen worden, daß sie im Umfange, in dem eine Berufung gemäß § 15 (3) BStG. überhaupt zulässig sei, in der Enteignungsverhandlung Einwendungen nicht erhoben und eine Unterführung, wie in der Berufung verlangt, nicht beantragt hätten; mangels rechtzeitiger Einwendungen seien die Berufungswerber als dem Enteignungsvorhaben zustimmend anzusehen; neue Tatsachen oder Beweise seien im Berufungsverfahren unstatthaft, sofern sie kraft gesetzlicher Bestimmungen, namentlich wegen Unterlassung von Einwendungen in der Enteignungsverhandlung, präkludiert seien; der meritorische Inhalt der Berufung sei nicht zu berücksichtigen, vielmehr die Berufung aus formellen Gründen zurückzuweisen. Der Bescheid der Berufungsbehörde ist den Antragstellern nach dem 3. August 1960 zugestellt worden.
Am 3. August 1961 ist beim Erstgerichte der Antrag der Enteigneten eingelangt, die Entschädigung mit 50 S für den Quadratmeter festzusetzen. Die Republik Österreich hat die Verspätung dieses Antrages geltend gemacht und den Antag auch meritorisch bestritten.
Das Erstgericht hat den Entschädigungsbetrag mit 36 S pro Quadratmeter (sonach insgesamt mit 275.688 S) festgesetzt und das Mehrbegehren abgewiesen. Zur Frage der Verspätung des Antrags hat die erste Instanz ausgeführt, daß nicht die Zustellung des Enteignungserkenntnisses (9. Mai 1960) maßgebend sei, sondern die Zustellung des Bescheides der Berufungsinstanz; die in § 15 (3) B. St. G. normierte Jahresfrist sei gewahrt; die Rechtskraft des Enteignungserkenntnisses sei erst eingetreten, als der Bescheid des Bundesministeriums für Handel und Wiederaufbau beim Amt der oberösterreichischen Landesregierung eingelangt sei; dementsprechend sei zu den Verwaltungsakten am 12. August 1960 die Anordnung ergangen, das Enteignungserkenntnis mit der Rechtskraftklausel versehen zu lassen; die Einwendung der Antragsgegnerin wäre nur beachtlich, wenn gegen das Enteignungserkenntnis eine Berufung überhaupt unzulässig gewesen wäre.
Dem Rekurse der Antragsgegnerin hat das Rekursgericht Folge gegeben und den Beschluß der ersten Instanz dahin abgeändert, daß der Antrag auf Festsetzung der Entschädigung mit 382.900 S statt 130.186 S zurückgewiesen wurde. Der Eintritt der Rechtskraft des Enteignungserkenntnisses werde nur durch ein Rechtsmittel hinausgeschoben, über welches sachlich erkannt werde; werde dagegen die Berufung als unzulässig oder als unwirksam erhoben zurückgewiesen, so fielen mit der Rechtskraft dieses Zurückweisungsbeschlusses alle durch das Rechtsmittel herbeigeführten verfahrensrechtlichen Wirkungen rückgreifend weg; auch im Verwaltungsverfahren gelte als Beginn der Rechtskraft stets jener Tag, an dem die Berufungsfrist, in welcher das unzulässige Rechtsmittel erhoben worden war, abgelaufen sei; aus welchen formalrechtlichen Gründen die Zurückweisung des Rechtsmittels wegen Unzulässigkeit erfolgt sei, sei bedeutungslos; für die Antragsteller habe demnach die Frist des § 15 (3) B. St. G. am 23. Mai 1961 (ein Jahr und 14 Tage nach dem 9. Mai 1960) geendet, der Antrag vom 3. August 1961 sei verspätet; auf die Frage, ob die Entschädigung zu erhöhen sei, sei nicht einzugehen.
Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes richtet sich der - zulässige - Revisionsrekurs der Antragsteller, worin gerügt wird, daß die Rekursinstanz den Antrag vom 3. August 1961 als verspätet erhoben angesehen habe.
Der Oberste Gerichtshof hob den Beschluß des Rekursgerichts auf und trug dem Rekursgericht die neuerliche Entscheidung über den Rekurs der Antragsgegnerin auf.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Zwar ist aus der Anordnung der Enteignungsbehörde vom 12. August 1960, das Enteignungserkenntnis vom 9. April 1960 mit der Rechtskraftklausel versehen zu lassen, für die Frage des Eintritts der Rechtskraft deshalb nichts abzuleiten, weil die Verwaltungsbehörde über den Zeitpunkt der Eintritt der Rechtskraft damit nicht abgesprochen hat; schon mangels einer zu diesem Punkte ergangenen Entscheidung der Verwaltungsbehörde ist also in diesem Außerstreitverfahren vom Gerichte die Rechtzeitigkeit des Antrages vom 3. August 1961 selbständig zu prüfen. Im Ergebnis ist aber dem Erstgerichte beizupflichten, daß die Antragsteller, die für das Begehren um gerichtliche Feststellung des Entschädigungsbetrages in § 15 (3) B. St. G. normierte Frist von einem Jahr nach Rechtskraft des Enteignungserkenntnisses gewahrt haben, weil ihnen der Bescheid der Berufungsbehörde im Enteignungsverfahren erst nach dem 3. August 1960 zugestellt worden war und der Antrag auf Feststellung des Betrages der Entschädigung am 3. August 1961 beim Erstgericht eingelangt ist. Der Beurteilung des Rekursgerichtes, das auf die oben bezeichnete Erledigung der Berufungsbehörde im Verwaltungsverfahren mit der Folgerung verwiesen hat, die Frist des § 15 (3) B. St. G. habe am 23. Mai 1961 geendet, ist nicht zu folgen. In der bezogenen Vorschrift wird doch zwischen der Zulässigkeit der Berufung gegen das vom Landeshauptmann gefällte Enteignungserkenntnis über die Fragen der Notwendigkeit, den Gegenstand und Umfang der Enteignung (Satz 1 des dritten Absatzes des § 15 B. St. G.) und der Unzulässigkeit einer Berufung bezüglich der Höhe der im Verwaltungswege zuerkannten Entschädigung (Satz 2 a. a. O.) unterschieden und die Berufung der Enteigneten im Verwaltungsverfahren hat sich nach den obigen Ausführungen auf die Enteignung als solche und nicht auf die Entschädigung bezogen. Die Enteigneten durften und mußten demnach die Erledigung der Berufungsbehörde des Verwaltungsverfahrens abwarten, bevor sie das Gericht wegen Feststellung des Betrages der Entschädigung anriefen, weil das gerichtliche Verfahren im Sinne des Satzes 3 des Absatzes 3 des § 15 B. St. G. einen endgültigen Ausspruch der Verwaltungsbehörde über den Gegenstand der Enteignung zur Voraussetzung hat. Daß die Berufungsinstanz des Verwaltungsverfahrens die von den Enteigneten erhobene Berufung gegen das Enteignungserkenntnis wegen der Präklusion von Einwendungen im konkreten Verwaltungsverfahren als unzulässig zurückgewiesen hat, bedeutet noch nicht die Gleichstellung dieses Falles mit der Versagung eines Rechtsmittels gemäß dem bezogenen Satz 2 des § 15 (3) B. St. G. in abstracto. Bei anderer Auffassung müßte ein Enteigneter, der wegen der Notwendigkeit, des Gegenstandes oder des Umfangs der Enteignung gegen das Enteignungserkenntnis des Landeshauptmanns beruft, die Chancen dieses Rechtsmittels zu dem Zwecke prüfen, um bei einer Formalerledigung wie im vorliegenden Fall die Antragsfrist des § 15 (3) Satz 3 B. St. G. nicht zu versäumen; im Zweifel müßte also ein Enteigneter das Gericht schon dann anrufen, wenn die Notwendigkeit, der Gegenstand oder der Umfang der Enteignung noch nicht endgültig feststeht, zumal sich die Erledigung der Berufungsinstanz im Verwaltungsverfahren verzögern kann, ohne daß der Berufungswerber darauf Einfluß hätte. Der Hinweis des Rekursgerichtes auf SZ. XXV 298 greift nicht durch; denn im Falle dieser Entscheidung hatte eine zur Anfechtung des Verwaltungsbescheides nicht berechtigte Person ein Rechtsmittel erhoben, vorliegendenfalls war aber die Legitimation der Enteigneten zur Anfechtung des Enteignungserkenntnisses niemals strittig. Aus diesen Erwägungen ist der von den Enteigneten am 3. August 1961 beim Erstgerichte gestellte Antrag auf Feststellung des Entschädigungsbetrages als rechtzeitig erhoben anzusehen, wie bereits die erste Instanz erkannt hat.
Diese Beurteilung führt aber zur Aufhebung des rekursgerichtlichen Beschlusses, weil sich das Rekursgericht mit der meritorischen Anfechtung des Beschlusses erster Instanz seitens der Antragsgegnerin nicht befaßt hat.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)