OGH 8Ob279/64

OGH8Ob279/6423.9.1964

SZ 37/128

Normen

JWG §26
JWG §27
JWG §26
JWG §27

 

Spruch:

Gleichzeitig mit der Erziehungshilfe ist die zu treffende Maßnahme anzuordnen.

Entscheidung vom 23. September 1964, 8 Ob 279/64. I. Instanz:

Jugendgerichtshof Wien; II. Instanz: Jugendgerichtshof Wien.

Text

Der eheliche Vater des Minderjährigen ist gestorben, dessen Mutter hat sich nochmals verehelicht.

Das Jugendamt stellt das Begehren, die Erziehungshilfe anzuordnen, die Unterbringung des Kindes in einem Heim der Stadt Wien zu genehmigen und es zwangsweise der Mutter abzunehmen, da sich diese weigere, es herauszugeben.

Das Erstgericht ordnete im Punkt 1 seines Beschlusses die gerichtliche Erziehungshilfe an und wies im Punkt 2 die Vollstreckungsabteilung an, den Minderjährigen nötigenfalls unter Polizeiassistenz der Mutter abzunehmen und dem zuständigen Bezirksjugendamt zu übergeben. Es stellte fest, daß der Minderjährige schlecht erzogen und, insbesondere von seinem Stiefvater, ungerecht hart behandelt werde. Er sei daher mehrmals fortgelaufen und habe sich in den Straßen herumgetrieben.

Das Rekursgericht hob aus Anlaß des Rekurses der ehelichen Mutter diesen Beschluß auf und wies das Erstgericht an, nach Durchführung von ergänzenden Erhebungen in der Sache neuerlich zu entscheiden. Es erachtete die von der ehelichen Mutter gegen die Anordnung der Erziehungshilfe und die Abnahme des Kindes erhobenen Einwendungen als unbegrundet. Hingegen führte das Rekursgericht aus, daß es nicht angehe, sich mit der Anordnung der Erziehungshilfe zu begnügen. Vielmehr gehe aus den Bestimmungen der §§ 26 ff. JWG. hervor, daß das Gericht eine bestimmte Maßnahme anzuordnen habe und diese nicht einfach der Verwaltungsbehörde überlassen dürfe. Das Erstgericht hätte daher aussprechen müssen, in welchem Heim der Minderjährige untergebracht werden solle.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Magistrates der Stadt Wien, als des gesetzlichen Amtskurators des Minderjährigen, nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Es kann der II. Instanz insoweit nicht gefolgt werden, als sie davon ausgeht, das Erstgericht hätte unbedingt ein bestimmtes Heim nennen müssen, in welchem der Minderjährige unterzubringen sei. Richtig ist, daß es nicht angeht, die Entscheidung über die zu treffende Maßnahme der Verwaltungsbehörde zu überlassen (JBl. 1961 S. 283, EvBl. 1961 Nr. 65 u. a.). Es ist daher erforderlich, bei Heimunterbringung anzuordnen, daß diese Maßnahme zu treffen sei. Gibt es mehrere Gattungen von Heimen, wie etwa für körperbehinderte Kinder, für schwer erziehbare Kinder u. dgl., so muß das Gericht aussprechen, welcher Art das Heim sein muß. Nur so ist die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes EvBl. 1961 Nr. 65 zu verstehen. Sind jedoch mehrere Heime mit dem gleichen Zweck vorhanden, so muß es der Verwaltungsbehörde überlassen werden, zu bestimmen, in welches von ihnen der Minderjährige zu bringen sei. Denn diese Auswahl ist von Umständen abhängig, die für das Wohl der Minderjährigen nicht entscheidend sind und die auch bei Erlassung des Beschlusses nicht vorausgesehen werden können, insbesondere hinsichtlich der Platzfrage (6 Ob 327/63 u.a.).

Damit ist aber für den Revisionsrekurs nichts gewonnen. Denn ein Beschluß auf Anordnung der Erziehungshilfe, ohne eine bestimmte Maßnahme zu verfügen, ist inhaltsleer und hindert insbesondere die Beteiligten nicht, sich gegen die später getroffene Maßnahme durch ein Rechtsmittel zu wehren.

Der Revisionsrekurs mußte daher erfolglos bleiben.

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