OGH 2Ob232/64

OGH2Ob232/643.9.1964

SZ 37/114

Normen

ABGB §1394
Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz §20
Kraftfahrzeugverkehrsgesetz §20
ABGB §1394
Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz §20
Kraftfahrzeugverkehrsgesetz §20

 

Spruch:

Der Wahlgerichtsstand des § 20 KraftfVerkG. kommt auch dem Zessionar des Geschädigten als Singularsukzessor zugute. Es ist nicht erforderlich, daß die Klage ausschließlich auf die Haftung nach dem KraftfVerkG. gegrundet wird; es genügt vielmehr, daß der Kraftfahrzeugunfall neben der vom Kläger behaupteten Vereinbarung mit dem beim Wahlgerichtsstand in Anspruch Genommenen einen wesentlichen Klagsgrund bildet.

Entscheidung vom 3. September 1964, 2 Ob 232/64. I. Instanz:

Bezirksgericht Bad Ischl; II. Instanz: Kreisgericht Wels.

Text

Die klagende Partei tritt als Legalzessionarin nach § 21a Fürsorgepflichtverordnung auf; der von ihr befürsorgte Josef M. habe durch das Verschulden des Walter P. (Halter und Lenker eines Kraftwagens) am 2. Februar 1959 einen Verkehrsunfall im Bezirke des Erstgerichtes erlitten; im Übereinkommen vom 22. September 1960 habe sich die beklagte Partei als Haftpflichtversicherer des Kraftfahrers zur Zahlung von 50% aller der Klägerin im Zusammenhange mit dem Unfall des Josef M. auflaufenden Kosten verpflichtet; in der Zeit vom Unfall bis 31. Dezember 1963 habe die Klägerin für Josef M. den Betrag von 66.509.15 S aufgewendet, sodaß die beklagte Partei darauf 33.254.57 S hätte leisten sollen; sie habe aber nur 19.688.67 S an die Klägerin bezahlt und sei demnach mit dem Betrage von 13.565.90 S im Rückstand. Das Begehren lautet auf Zahlung dieses Betrages s. A. Die örtliche Zuständigkeit des Erstgerichtes wird aus § 20 EKHG. abgeleitet.

Die beklagte Partei hat die örtliche Unzuständigkeit des Erstgerichtes geltend gemacht; sie habe ihren Sitz in Wien und eine Zweigniederlassung in Linz; der Wahlgerichtsstand nach § 20 EKHG. komme nicht zur Anwendung, weil eine Regreßklage vorliege und das Begehren nicht unmittelbar auf den Unfall, sondern auf die Vereinbarung vom 22. September 1960 gegrundet werde.

Das Erstgericht hat nur über die Frage der örtlichen Zuständigkeit verhandelt und der von der beklagten Partei erhobenen Einrede seiner örtlichen Unzuständigkeit nicht Folge gegeben.

Dem Rekurse der beklagten Partei hat das Rekursgericht Folge gegeben und den Beschluß der ersten Instanz dahin abgeändert, daß der Unzuständigkeitseinrede der beklagten Partei stattgegeben und die Klage wegen örtlicher Unzuständigkeit des Erstgerichtes zurückgewiesen wurde.

Der Oberste Gerichtshof änderte den Beschluß des Rekursgerichtes im Sinne der Wiederherstellung des Beschlusses des Erstgerichtes ab.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Zwar trifft die Bezugnahme des § 20 EKHG. nicht zu, weil das zitierte Gesetz (§ 23 EKHG.) nur auf Unfälle anzuwenden ist, die sich nach seinem Inkrafttreten (1. Juni 1959) ereignen, und für Unfälle, die sich vorher ereignet haben, die bisherigen Vorschriften gelten. Für den Unfall des Josef M. vom 2. Februar 1959 kommt also die Vorschrift des § 20 KraftfVerkG. in Betracht, wonach für Klagen, die auf Grund dieses Gesetzes erhoben werden, auch das Gericht zuständig ist, in dessen Bezirk das schädigende Ereignis stattgefunden hat. Dieser Wahlgerichtsstand ist aber nach dem in diesem Zwischenverfahren zunächst maßgeblichen Prozeßvorbringen der klagenden Partei begrundet. Gewiß macht die Klägerin Ansprüche im Gründe der Legalzession nach § 21a FürsorgepflichtVO. geltend; in dieser Hinsicht ist aber die Regelung des § 1394 ABGB. zu berücksichtigen, wonach die Rechte des Übernehmers mit den Rechten des Überträgers in Rücksicht auf die überlassene Forderung ebendieselben sind. Es entspricht der Praxis des Obersten Gerichtshofes (vgl. z. B. die Entscheidungen vom 19. November 1912, GlUNF. Nr. 6139, und vom 5. Februar 1913, GlUNF. Nr. 6293), die materiellrechtlichen Grundsätze des § 1394 ABGB. sinngemäß auf die Frage anzuwenden, ob ein im Gesetz vorgesehener Wahlgerichtsstand auch zugunsten des Singularsukzessors einer den Wahlgerichtsstand genießenden Person wirksam sei. Es besteht also kein Anlaß, die Klage der Legalzessionarin prozessual anders zu behandeln, als wenn das Begehren von dem durch den Kraftwagenunfall unmittelbar betroffenen Josef M. erhoben worden wäre. Was aber die beklagte Partei betrifft, so wird sie zwar nicht direkt als Halterin des beim Unfall beteiligten Kraftfahrzeugs in Anspruch genommen, sondern nur im Zusammenhang mit der von der klagenden Partei behaupteten Vereinbarung vom 22. September 1960. Auch dieser Umstand schließt aber die örtliche Zuständigkeit des Erstgerichtes zufolge des Wahlgerichtsstandes des § 20 KraftfVerkG. nicht aus. Es ist ja nicht erforderlich, daß die Klage ausschließlich auf die Haftung nach dem bezogenen Gesetze (der bezeichnete Wahlgerichtsstand kann auch bei Ansprüchen aus der Verschuldenshaftung herangezogen werden; vgl. ZVR. 1957, Nr. 24) gegrundet wird, es genügt vielmehr, daß der Kraftfahrzeugunfall neben der behaupteten Vereinbarung einen wesentlichen Klagsgrund bildet. Der Zweck der Sondervorschrift des § 20 KraftfVerkG. ist die Erleichterung der Beweisaufnahme und der Rechtsverfolgung für den durch den Kraftwagenunfall Geschädigten (vgl. auch in diesem Zusammenhange die bereits bezogene Entscheidung ZVR. 1957, Nr. 24); unter diesem Gesichtspunkte muß die Frage der Zuständigkeit auch im vorliegenden Falle geprüft werden; daß die örtliche Zuständigkeit des Erstgerichtes nicht unmittelbar aus § 20 KraftfVerkG. abgeleitet werden kann, steht also der Erledigung im Sinne der ersten Instanz nicht entgegen. Diese Auffassung deckt sich - bei wesentlich gleichen Rechtsgrundlagen (§ 20 des deutschen Straßenverkehrsgesetzes vom 19. Dezember 1952 ist die unveränderte Fassung des § 20 KraftfVerkG. und ein Anwendungsfall des § 32 DZPO., vgl. Floegel - Hartung, Straßenverkehrsrecht[14], S. 1606, sowie Rosenberg, Lehrbuch[9], S. 143) - mit der Lehrmeinung Schönkes (in der Anmerkung zur Entscheidung des Amtsgerichtes Karlsruhe vom 24. November 1952, NJW. 1953 I S. 349), die von Rosenberg - a. a. O. - gebilligt wird. Schließlich darf nicht unberücksichtigt bleiben, daß die Neuregelung im § 20 EKHG. - wie dargestellt, findet sie auf diesen Fall noch nicht Anwendung - die Absicht des österreichischen Gesetzgebers erkennen läßt, den Umfang des bezeichneten Wahlgerichtsstandes weit zu ziehen.

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