OGH 7Ob208/64

OGH7Ob208/6412.8.1964

SZ 37/109

Normen

ABGB §896
Gerichtliches Einbringungsgesetz 1962 §6
Gerichtliches Einbringungsgesetz 1962 §7
ABGB §896
Gerichtliches Einbringungsgesetz 1962 §6
Gerichtliches Einbringungsgesetz 1962 §7

 

Spruch:

Ein Zahlungsauftrag der Einbringungsstelle hat zwei Funktionen, und zwar einerseits die Einforderung einer Schuld, andererseits die Bestimmung einer Gebühr.

Soweit mit dem Bescheid die Gebühren bestimmt werden, hat jeder Beteiligte auch nach Bezahlung der Gebühr durch einen Mitschuldner das Recht, die Zustellung des Zahlungsauftrages zu verlangen, um dessen Berichtigung beantragen zu können.

Entscheidung vom 12. August 1964, 7 Ob 208/64. I. Instanz:

Bezirksgericht Innere Stadt Wien; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Die beklagte Partei hat die Finanzierung des Siedlungsbaues von 37 Einfamilienhäusern übernommen und in diesem Rahmen auch den Klägern zwei Darlehen im Gesamtbetrag von 168.300 S gewährt. Die Darlehen wurden auf der Baurechtseinlage der Kläger pfandrechtlich sichergestellt. Nach Eintragung der Pfandrechte wurde der beklagten Partei zur ungeteilten Hand mit den Klägern eine Eintragungsgebühr von insgesamt 2359 S zur Zahlung vorgeschrieben, die die beklagte Partei bezahlte und im Sinne der Schuldscheine über die Darlehensgewährung damit die Kläger belastete. Nach diesen Schuldscheinen sind die Kläger verpflichtet, aus eigenem und ohne Regreß gegen die beklagte Partei Gebühren, die im Zusammenhang mit der bücherlichen Sicherstellung der Darlehen erwachsen, zu ersetzen. Die Gebührenvorschreibung erging nur an die beklagte Partei, nicht aber an die Kläger. Die beklagte Partei unterließ es, die Kläger von der Gebührenvorschreibung zu verständigen, weil im Zahlungsauftrag auch die Kläger als Verpflichtete angeführt waren. Für einige andere Bauwerber, die ebenfalls Darlehen von der beklagten Partei erhalten hatten, wurde von der beklagten Partei ein Berichtigungsantrag eingebracht, dem stattgegeben und die Rückzahlung der Gebühren angeordnet wurde.

Mit der vorliegenden Klage begehren die Kläger die Rückzahlung des ihnen von der beklagten Partei angelasteten Betrages von 2359 S. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es führte aus, die beklagte Partei habe es nicht zu verantworten, daß den Klägern vorschriftswidrig der Zahlungsauftrag nicht zugestellt worden sei. Sie sei nicht verpflichtet gewesen, die Kläger von den ihr vorgeschriebenen Gebühren zu verständigen. Es wäre Aufgabe der Kläger gewesen, eine Gebührenbefreiung in Anspruch zu nehmen, es sei aber nicht Aufgabe der beklagten Partei, die Interessen ihrer Darlehensnehmer zu vertreten. Eine Rettungspflicht hätte die beklagte Partei nur dann getroffen, wenn nur sie von der Gebührenpflicht zu verständigen gewesen wäre und der Regreß gegen die Kläger eintrete, ohne daß sie von der Höhe der Gebühr Kenntnis erhalten mußten. Die Kläger könnten auch noch immer die Zustellung des Gebührenbescheides verlangen und dessen Berichtigung beantragen.

Das Berufungsgericht änderte das Urteil dahin ab, daß es dem Klagebegehren stattgab. Es führte aus, der beklagten Partei sei aus der Geschäftsverbindung mit den Klägern die Verpflichtung zur Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes oblegen. Sie hätte daher die für den Kunden günstigere rechtliche Möglichkeit wahren, nämlich durch Stellung eines Berichtigungsantrages Gebührenbefreiung erreichen müssen. Es habe ihr aus ihrer Erfahrung bekannt sein müssen, daß für die Verbücherung von Pfandrechten für Darlehen, die zur Errichtung von Kleinwohnungen gewährt werden, keine Gebühren zu entrichten seien und daß diese Befreiung bei Einfamilienhäusern in der Größe des klägerischen schlechthin gewährt werde. Dabei hätte sie die Befreiung nicht nur für die Kläger, sondern auch für sich erlangt, also gar nicht im Interesse der Kläger allein tätig sein müssen. Sie habe aber nicht einfach ohne Prüfung dieser Möglichkeit die Gebühr deshalb bezahlen dürfen, weil im Endergebnis die Kläger damit belastet werden. Es müsse von der beklagten Partei gefordert werden, daß sie das Interesse ihrer Kunden in der aufgezeigten Richtung wahrnehme. Ob letzten Endes eine Gebührenbefreiung tatsächlich erreicht worden wäre, sei nicht zu prüfen, denn die Wahrscheinlichkeit spreche dafür, und es wäre Aufgabe der beklagten Partei gewesen, das Gegenteil zu beweisen. Jedenfalls hätte die beklagte Partei die Kläger von ihrer Absicht, die Gebühren zu bezahlen, in Kenntnis setzen müssen, denn durch die Zahlung habe sie ihnen die Möglichkeit eines Berichtigungsverfahrens genommen.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei Folge und stellte das Urteil des Erstgerichtes wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Streitteile haften für die Zahlung der vorgeschriebenen Gebühren als Solidarschuldner. Die beklagte Partei hat diese Schuld zunächst zur Gänze bezahlt. Gemäß § 896 ABGB. ist sie daher berechtigt, von den übrigen Mitschuldnern den Ersatz zu begehren, und zwar nach den zwischen den Schuldnern bestehenden Rechtsverhältnissen. Im vorliegenden Fall also zur Gänze. Aus der Schuldnergemeinschaft folgt aber auch, daß jeder Mitschuldner die Interessen der Gemeinschaft zu wahren hat und daß eine Verletzung dieser Interessen den Ausgleichsanspruch bzw. im vorliegenden Fall den Regreßanspruch auf die ganze Schuld mindern oder vernichten kann. Der aus dieser Verletzung der Gemeinschaftsinteressen entstandene Schadenersatzanspruch kann gegen den Ausgleichsanspruch aufgerechnet werden (Gschnitzer in Klang[2] IV S. 314, Staudinger[9], Kommentar zu § 426 BGB.). Es ist dem Berufungsgericht beizupflichten, daß die beklagte Partei als Mitschuldnerin der Kläger, vor allem aber auch als Vertragspartnerin aus dem Kreditvertrag, bei Zahlung der Gebühren die Interessen der Kläger hätte entsprechend wahren müssen und daß sie dies schuldhaft unterlassen hat. Die Kläger könnten daher grundsätzlich einen Schaden, der ihnen durch diese Handlung bzw. Unterlassung der beklagten Partei zugefügt wurde, gegen deren Ausgleichsanspruch aufrechnen. Voraussetzung hiefür ist aber, daß den Klägern ein Schaden entstanden ist und daß sie diesen Schaden nicht durch die auch sie treffende Rettungspflicht abwenden können, daß für sie also keine Möglichkeit mehr besteht, die angeblich fälschlich vorgeschriebenen Gebühren zurückzufordern bzw. eine Entscheidung darüber zu verlangen. Es kann dem Berufungsgericht nicht beigestimmt werden, daß den Klägern durch die Bezahlung der Gebühren seitens der beklagten Partei die Möglichkeit eines solchen Berichtigungsverfahrens genommen wurde. Durch die Zahlung der Gebühren wurden zwar auch die Kläger dem Staate gegenüber von ihrer Verpflichtung befreit und kann der Staat gemäß § 893 ABGB. von ihnen nichts mehr fordern. Der Zahlungsauftrag der Einbringungsstelle beim Oberlandesgericht Wien hat aber nicht nur die Funktion der Einforderung einer Schuld, sondern auch eine zweite Funktion, nämlich der Bestimmung der Gebühren. Soweit mit dem Bescheid die Gebühren bestimmt werden, haben jedenfalls alle Beteiligten auch nach Bezahlung der Gebühren durch einen Mitschuldner das Recht, die Zustellung des Zahlungsauftrages zu verlangen, um dessen Berichtigung beantragen zu können. Für die Kläger besteht daher noch immer die Möglichkeit, unter Schilderung des Sachverhaltes die Zustellung des Zahlungsauftrages an sie zu begehren und nach Zustellung einen Berichtigungsantrag zu stellen. Wie darüber entschieden werden wird, ist für die vorliegende Entscheidung ohne Bedeutung, keinesfalls kann gesagt werden, daß durch die Unterlassung der beklagten Partei die Kläger einen unbehebbaren Schaden erlitten haben, weil sie zu Unrecht Gebühren bezahlen müssen, ohne sich dagegen wehren zu können.

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