OGH 8Ob200/64

OGH8Ob200/6423.6.1964

SZ 37/90

Normen

ABGB §1304
ABGB §1307
ABGB §1304
ABGB §1307

 

Spruch:

Ein Mitverschulden nach § 1304 ABGB. liegt auch vor, wenn sich der Beschädigte aus eigenem Verschulden in den Zustand der Sinnesverwirrung versetzt und in diesem Zustand den Schaden mitverursacht hat.

Entscheidung vom 23. Juni 1964, 8 Ob 200/64. I. Instanz:

Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:

Oberlandesgericht Graz.

Text

Die beiden Beklagten wurden vom Strafgericht des Vergehens nach § 335 StG. schuldig erkannt, begangen dadurch, daß sie am 15. Jänner 1961 Rupert L., den Gatten der Klägerin, aus einem Gasthaus ins Freie beförderten und dort in großer Kälte liegen ließen, wodurch es kam, daß der Genannte eine Lungenentzundung bekam, woran er am 16. Jänner 1961 starb.

Die Klägerin verlangte von den Beklagten den Ersatz der Kosten des Totenmahles in Höhe von 2338.50 S sowie als Ersatz für ihren Entgang eine Rente von monatlich 400 S. Der Erstrichter wies das Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht änderte das Urteil der ersten Instanz dahin ab, daß es der Klägerin als Ersatz für die Totenmahlkosten den Betrag von 1169.25 S zusprach. Die Abweisung des Mehrbegehrens bestätigte das Berufungsgericht.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

In rechtlicher Hinsicht versucht die Klägerin darzutun, die Beklagten treffe das alleinige Verschulden an dem Tode des Rupert L. Rupert L. habe wohl durch sein provozierendes Verhalten seine Entfernung aus dem Gasthaus veranlaßt. Dadurch allein wäre aber noch kein Schade eingetreten. Der Schade sei auf das lange Liegen in der Kälte im Freien zurückzuführen. Das aber hätten die Beklagten allein zu verantworten. Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden. Mit Recht weisen die Beklagten in der Revisionsbeantwortung darauf hin, daß eine derartige Aufspaltung des Ablaufes der Ereignisse der Sachlage nicht gerecht würde. Das Hinausbefördern in den Hof und das Liegenlassen in der Kälte muß als einheitlicher Vorgang beurteilt werden, der auf das provozierende Verhalten des Rupert L. zurückzuführen ist.

Es ist zwar richtig, daß im vorliegenden Falle nicht die für die Notwehr, bzw. die Notwehrüberschreitung entwickelten Grundsätze zur Anwendung kommen. Damit ist aber für die Klägerin nichts gewonnen. Denn auch ein provozierendes Verhalten, wie es Rupert L. an den Tag gelegt hat, kann ein Mitverschulden begrunden (vgl. JBl. 1958, S. 364, SZ. XXIV 214).

An der Zurechnung des provozierenden Verhaltens würde wie schon das Berufungsgericht zutreffend hervorgehoben hat nichts geändert, selbst wenn sich Rupert L. in der Tat in einem die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustand befunden haben sollte. Denn die Bestimmung des § 1307 ABGB., wonach der im Zustand der Sinnesverwirrung verursachte Schaden dem als Verschulden zuzurechnen ist, der sich aus eigenem Verschulden in diesen Zustand versetzt hat, muß auch auf den Geschädigten selbst angewendet werden, der in diesem Zustand den ihm zugefügten Schaden mitverursacht. Hat sich Rupert L., wie festgestellt wurde, im betrunkenen Zustand immer sehr lästig und gewalttätig verhalten, dann muß es ihm entgegen der Meinung der Klägerin als Verschulden angelastet werden, daß er sich auch am gegenständlichen Tage wieder in einen solchen Zustand versetzte. Das am gegenständlichen Abend auch die nachträglich vom ärztlichen Sachverständigen festgestellte Hirnblutung eine Rolle gespielt haben mag, vermag daran nichts zu ändern.

Es stellt das Verschulden der Beklagten dar, daß sie auf die mit dem unbeweglichen Liegen des Rupert L. in der Kälte verbundene Gefahr für dessen Gesundheit nicht geachtet haben. Den Vorinstanzen kann darin beigepflichtet werden, daß bei Berücksichtigung aller Umstände des Falles das Mitverschulden des Rupert L. nicht geringer veranschlagt werden kann als das Verschulden der Beklagten.

Wird aber von einem 50%igen Mitverschulden des Rupert L. ausgegangen, dann wurde das Rentenbegehren der Klägerin schon deshalb mit Recht abgewiesen, weil selbst bei Annahme eines Entganges der Klägerin von 1100 S monatlich die vom Sozialversicherungsträger gewährte Rente den um die Mitverschuldensquote gekürzten Entgang der Klägerin voll decken würde.

Der Revision war daher der Erfolg zu versagen.

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