Normen
HGB §373 (2)
HGB §373 (2)
Spruch:
An die im § 373 (2) HGB., geregelte Form ist der vom Verkäufer infolge Leistungsverweigerung des Käufers zur Grundlage der Schadensberechnung vorgenommene Deckungsverkauf nicht gebunden. Infolge unbegrundeten Rücktrittes des Käufers kann der Verkäufer ohne Rücktrittserklärung Schadenersatz wegen Nichterfüllung verlangen.
Entscheidung vom 2. April 1964, 6 Ob 80/64. I. Instanz:
Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.
Text
Der Kläger behauptet, er habe der Beklagten Rundholz verkauft. Über mehrmaliges Ersuchen habe er mit der Versendung bis 22. Mai 1962 zugewartet. Dann habe sie sich auf den Standpunkt gestellt, die branchenübliche Lieferfrist sei versäumt, sie trete vom Vertrag zurück. Er habe dies in dieser Form nicht zur Kenntnis genommen, sondern erklärt, wegen der fortgeschrittenen Jahreszeit Notverkäufe vornehmen zu müssen und sich Schadenersatzansprüche vorzubehalten. Da der erzielte Erlös geringer als der mit der Beklagten vereinbarte Verkaufspreis sei, beantragt er nach Erledigung eines Teiles seines Begehrens mit Teilanerkenntnisurteil vom 7. Mai 1963 Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung des Betrages von 32.602.92 S s. A.
Das Erstgericht stellte im wesentlichen folgendes fest: Der Kläger verkaufte der Beklagten aus seinen Revieren Rundholz. Der Einkäufer der Beklagten, Hans B. übernahm dieses Holz, indem er jeden Stamm mit dem Signierhammer der Beklagten signierte und mit roter Farbe kennzeichnete und klassifizierte. Den Transport zum Bahnhof St. und die Waggonverladung sollte der Kläger mit seinen Fahrzeugen durchführen. Die Bezahlung sollte binnen 14 Tagen nach Abgang der Waggons erfolgen. Auf Ersuchen der Beklagten wartete der Kläger mit dem Transport bis 22. Mai 1962. Als sein Forstdirektor Dipl.-Ing. W. dann um die Übersendung der Frachtbriefe ersuchte, ließ die Beklagte am 23. Mai 1962 durch den Einkäufer B. telephonisch mitteilen, daß sie das Holz wegen der fortgeschrittenen Jahreszeit, branchenüblicher Termin 30. April, nicht mehr übernehmen könne. Ing. W. erklärte, dies nicht zur Kenntnis nehmen zu können, da jeder Stamm bereits übernommen worden sei und bei der fortgeschrittenen Jahreszeit auch niemand mehr bereit sei, das Holz, das Qualitätsverluste erleide, zu kaufen. Die Beklagte werde für den Schaden verantwortlich gemacht. B. bemerkte dazu, daß die Linzer Holzwerke allenfalls Holz übernehmen würden und stimmte dem Ersuchen des Dipl.-Ing. W., seine Mitteilungen auch schriftlich zu machen, zu. Dies geschah mit dem Schreiben der Beklagten vom gleichen Tage, in dem insbesondere ausgeführt wurde, daß das Holz dem Kläger zur weiteren Verfügung freigegeben werde. Dieses Schreiben langte am 24. Mai 1962 beim Kläger ein. Am 25. Mai 1962 ließ der Kläger durch seinen Anwalt mitteilen, die Erklärung der Beklagten, den Kaufvertrag zu stornieren und das Holz zur Verfügung zu geben, in dieser Form nicht zur Kenntnis zu nehmen, da ein verbindlicher Kaufvertrag geschlossen worden sei. Den Vorwurf der Lieferverzögerung müsse er zurückweisen. Wegen der fortgeschrittenen Jahreszeit könne die Ware kaum noch verkauft werden, auch die Linzer Holzwerke übernähmen nur einen Teil und zu einem schlechteren Preis, als er mit der Beklagten vereinbart worden sei. Da der Wert des Holzes weiter falle, müsse es in den nächsten Tagen in Notverkäufen abgesetzt werden. Der Kläger werde die Beklagte für den Schaden, den er durch den Vertragsbruch erleide, haftbar machen. Dieser Brief wurde erst am 28. Mai 1962 zur Post gegeben und langte am 29. Mai 1962 bei der Beklagten ein. An diesem Tage kauften die Linzer Holzwerke einen Teil des gegenständlichen Holzes und übernahmen es durch ihren Einkäufer. 26.19 fm des ursprünglich an die Beklagte verkauften Holzes blieben zurück. Dieses wurde schließlich der Beklagten zugestellt, nachdem diese am 6. Juni 1962 telegraphisch erklärt hatte, ohne Präjudiz für einen eventuellen Rechtsstreit das Holz zu übernehmen.
Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, das Holz sei verkauft und der Beklagten auch übergeben worden. Von diesem Vertrag könne kein Teil mehr einseitig zurücktreten. Nur eine einverständliche Vertragsauflösung sei möglich gewesen. Das Schreiben der Beklagten vom 23. Mai 1962 sei ein derartiges Anbot, dieses habe der Kläger in dieser Form aber nicht angenommen, indem er auf Haftung der Beklagten für seinen Schaden bestanden habe. Darin liege ein von dem der Beklagten abweichendes Angebot des Klägers an diese. Ohne aber ihre Stellungnahme, die davon erst am 29. Mai 1962 Kenntnis erlangte, abzuwarten, habe er bereits an diesem Tage an die Linzer Holzwerke verkauft und damit das der Beklagten gehörige Holz veräußert. Für die ihm daraus entstandenen Nachteile könne er die Beklagte nicht verantwortlich machen. Das Erstgericht gab der Klage, abgesehen von einer Forderung von 40 S, die dem Kläger durch das Abbestellen der für die Lieferung an die Beklagten vorgesehenen Eisenbahnwaggons entstanden ist, nicht Folge.
Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes, folgte aber nicht seiner rechtlichen Beurteilung. Die Behauptung der Beklagten, der Kläger habe den Liefertermin nicht eingehalten, sei unrichtig gewesen. Es sei daher auch ihre Erklärung, von dem Vertrag zurückzutreten, nicht gerechtfertigt. Der Kläger sei berechtigt, entweder auf Erfüllung zu bestellen, oder aber, da die Beklagte mit der Erklärung, die Übernahme des Holzes zu verweigern und es zu seiner Verfügung zu stellen, ein allenfalls erworbenes Eigentum wieder rückübertragen habe, seinerseits, und zwar ohne Nachfrist vom Vertrag zurückzutreten. Für den ihm entstandenen Schaden hafte die Beklagte. Da das Erstgericht darüber keine Feststellungen getroffen habe, sei das Urteil aufzuheben. Das Berufungsgericht sprach aus, daß das Verfahren erst nach Rechtskraft seines Beschlusses fortzusetzen sei.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurse der Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Der Grund der Regelung des Art. 8, Nr. 21 der 4. EVzHGB. liegt darin, daß ein Rücktritt nach Übergabe der Ware zu Härten für den Käufer führen kann, wenn dieser die Ware bereits weiterverkauft hat. Räumt jedoch nach Übergabe der Ware der Käufer dem Verkäufer das Verfügungsrecht über die Ware wieder ein, so fällt dieser Grund weg und die bezogene Gesetzesstelle ist unanwendbar (SZ. VIII 298). Ein solcher Fall liegt hier vor. Mit Schreiben vom 23. Mai 1962 erklärte die Beklagte, den Kaufvertrag zu stornieren und das Holz zur weiteren Verfügung freizugeben. Sie brachte damit unmißverständlich zum Ausdruck, dem Kläger wieder das Verfügungsrecht über die Ware einzuräumen. Der für diese Erklärung angegebene Grund, Versäumung der handelsüblichen Lieferfrist durch den Kläger, war dabei nicht stichhältig. Denn nicht der Kläger hatte die Lieferfrist überschritten, sondern die Beklagte selbst war es, die um Lieferung nicht vor dem 22. Mai 1962 ersucht hatte. Mangels jeglicher Säumnis des Klägers entbehrte die Erklärung der Beklagten einer Berechtigung. Infolge dieses unbegrundeten Rücktrittes der Beklagten konnte der Kläger den Kaufvertrag als aufgelöst ansehen (SZ. XXVIII 8) und kann daher, ohne daß es einer formellen Rücktrittserklärung mit Nachfristsetzung seinerseits bedurft hätte (Gschnitzer in Klang[2] IV S. 458), Schadenersatz wegen Nichterfüllung verlangen. Daß es nach anderweitigem Verkauf eines Teiles des Holzes durch den Kläger zur Auslieferung des Restes an die Beklagte kam, steht dem nicht entgegen, da diese Lieferung auf Grund einer zwischen den Parteien diesbezüglich zustandegekommenen besonderen Vereinbarung erfolgte.
Für die Beklagte ist auch nichts daraus zu gewinnen, daß der Verkauf des größten Teiles des Holzes durch den Kläger an einen Dritten nicht in der Form des § 373 (2) HGB. durchgeführt wurde. Diese Gesetzesstelle regelt nur, wie der auf Vertragserfüllung bestehende Verkäufer für den Fall des Annahmeverzuges des Käufers mit der Ware für Rechnung des Käufers verfahren muß. Sie regelt aber nicht den Deckungsverkauf, den der Verkäufer infolge Leistungsverweigerung des Käufers und zur Grundlage seiner Schadensberechnung nehmen kann. Dieser Verkauf ist an keine Form gebunden. Er muß aber unter Beobachtung der Grundsätze von Treu und Glauben durchgeführt werden. Der Verkäufer muß das seinige zur Minderung des Schadens tun. Daraus kann sich auch eine Pflicht zum Verkauf ergeben (Würdinger im RGRKomm. z. HGB. Anm. 13 b, 21, 33, 55 zu § 373 HGB. und Anm. 30 zum Anhang des § 374 HGB., Gschnitzer bei Klang[2] IV S. 495). Im Hinblick auf die Jahreszeit und die dadurch nach den Feststellungen der Untergerichte gegebene Gefahr einer fortschreitenden Wertverminderung des Holzes hätte es daher dem Kläger sogar zum Vorwurf gemacht werden können, wenn er nicht ehestens anderweitig verkauft und dadurch den Schaden vergrößert hätte.
Es hat somit das Berufungsgericht richtig erkannt, daß es noch Feststellungen über einen dem Kläger entstandenen Schaden und das Ausmaß desselben bedarf.
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