Spruch:
Eine auf § 858 ABGB, gestützte Klage kann nur gegen alle Miteigentümer der betreffenden Liegenschaft gerichtet werden.
Entscheidung vom 4. Februar 1964, 4 Ob 507, 508/64. I. Instanz:
Bezirksgericht Leibnitz; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz.
Text
Die Kläger brachten zur AZ. C 169/63 beim Erstgericht gegen den Beklagten Anton O. eine Klage ein mit dem Begehren, der Beklagte sei schuldig, "an der gemeinsamen Grenze zwischen den Grundstücken Nr. 314/2 der Kläger und seinem (des Beklagten) Grundstück Nr. 317/1 auf seine Kosten einen ortsüblichen Zaun binnen einer richterlich zu bestimmenden Frist von 14 Tagen zu errichten." Die Kläger, die dabei von der Annahme ausgingen, Anton O. sei Alleineigentümer des Grundstückes Nr. 317/1 des Grundbuches über die KG. K., stützten sich auf § 858 ABGB. und darauf, daß "der Beklagte vor den Mitgliedern der Baubewilligungskommission und vor den Ehegatten B. diese Einzäunung auch ausdrücklich zugesagt habe". Der Beklagte bestritt das Klagsvorbringen und wendete vor allem ein, das Grundstück Nr. 317/1 des Grundbuches über die Katastralgemeinde K. stehe nicht in seinem Alleineigentum, sondern je zur Hälfte in seinem und seiner Ehegattin Maria O. Eigentum.
Mit dem Urteil vom 13. März 1963, hat das Erstgericht im Sinne des Klagebegehrens entschieden. Es nahm eine Verpflichtung des Beklagten gemäß § 858 ABGB. an und ging im übrigen von der Auffassung aus, es sei belanglos, ob der Beklagte etwa nur Miteigentümer sei. Das Berufungsgericht hat infolge Berufung des Beklagten dieses Urteil aufgehoben und die Sache an das Erstgericht zurückverwiesen. Es führte aus, die Frage der Eigentumsverhältnisse an dem Grundstück Nr. 317/1 sei noch zu überprüfen. Wenn es tatsächlich zutreffen sollte, daß der Beklagte bloß Hälfteeigentümer sei, müsse seine Passivlegitimation verneint werden. Daraus, daß Liegenschaftsmiteigentümer eine Gemeinschaft im Sinne des § 825 ABGB. bilden und von ihnen gemäß § 828 ABGB. Verfügungen nur einverständlich getroffen werden könnten, folge, daß sie als notwendige Streitgenossen auch nur alle zusammen für die Geltendmachung eines Anspruches, der eine Verfügung über die Sache erfordere, passiv legitimiert seien. Nur wenn es sich um eine Maßnahme der ordentlichen Verwaltung handeln würde, wäre es allenfalls denkbar, daß die Klage nur gegen den die Verwaltung führenden einzelnen Teilhaber gerichtet werden könne. Die begehrte Bauführung könne aber nicht als den Maßnahmen der ordentlichen Verwaltung zugehörig angesehen werden. Sollte nach den Ergebnissen des ergänzten Beweisverfahrens der Rechtsgrund des § 858 ABGB. versagen, dann werde das Erstgericht auch noch überprüfen müssen, ob vom Beklagten im Sinne der Klagesbehauptungen etwa eine bindende mündliche Verpflichtung zur Errichtung des Zaunes übernommen worden sei.
Während des zweiten Rechtsganges brachten die klagenden Parteien gegen Maria O. eine inhaltlich der Klage gegen Anton O. im wesentlichen gleiche Klage (AZ. C 493/63 des Bezirksgerichtes Leibnitz) mit dem Begehren ein "die Beklagte Maria O. sei zur ungeteilten Hand mit Anton O. schuldig, an der gemeinsamen Grenze zwischen den Grundstücken Nr. 314/2 der Kläger und ihrem Grundstück Nr. 317/1 auf ihre Kosten einen ortsüblichen Zaun binnen einer richterlich zu bestimmenden Frist von 14 Tagen zu errichten." In der mündlichen Streitverhandlung vom 24. Juli 1963 wurden die Rechtssachen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. In der gleichen mündlichen Streitverhandlung stellten die klagenden Parteien den Antrag, das Urteilsbegehren in der Klage gegen Anton O. AZ. C 169/63 , dahin zu ändern, daß es zu lauten habe: "Der Beklagte Anton O. ist zur ungeteilten Hand mit seiner Gattin Maria O. schuldig ...". Die beklagte Partei Anton O. sprach sich gegen diesen Antrag aus.
Das Erstgericht wies mit seinem in die Entscheidung aufgenommenen Beschluß diesen Antrag der klagenden Parteien auf Änderung des Klagebegehrens als unzulässig zurück und wies unter einem mit Urteil die beiden vorliegenden Klagen gegen Anton O. und Maria O. ab. Hinsichtlich der Klagebegehren liege nunmehr die Außerstreitstellung vor, daß Anton und Maria O. je zur Hälfte grundbücherlicher Eigentümer des Grundstückes Nr. 317/1 seien. Da die begehrte Klagsänderung nicht zuzulassen gewesen sei, Anton und Maria O. aber im Sinne der Rechtsausführungen des Berufungsgerichtes als notwendige Streitgenossen anzusehen seien, fehle den beiden einzelnen gegen die Miteigentümer gerichteten Klagebegehren die rechtliche Grundlage. Durch eine Verbindung zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung werde keine Streitgenossenschaft bewirkt. Was schließlich noch die Behauptung von einer mündlichen Verpflichtung zur Zaunerrichtung anlange, stehe nach den Beweisergebnissen fest, daß eine solche weder von Anton O. noch von Maria O. abgegeben worden sei.
Das Berufungsgericht bestätigte infolge Rekurses der klagenden Parteien den Beschluß des Erstgerichtes, womit die begehrte Änderung des Klagebegehrens als unzulässig zurückgewiesen wurde, und gab im übrigen der Berufung der klagenden Partei gegen das Ersturteil nicht Folge. Das Berufungsgericht sprach gemäß § 500 (2) ZPO. aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den das Berufungsgericht zu entscheiden hatte, 10.000 S übersteige. Es führte in Erledigung der Berufung aus, daß jede der beiden hier verbundenen Klagen für sich selbst als Einheit zu beurteilen sei. In jeder dieser beiden Klagen sei jeweils nur einer der beiden Miteigentümer belangt worden. Dies sei aber aus den bereits im Aufhebungsbeschluß dargelegten Erwägungen unzulässig.
Was schließlich noch die Frage anlange, ob sich der Erstbeklagte bei einer Bauverhandlung im Jahre 1956 persönlich zu einer Zaunherstellung verpflichtet habe, so werde die vom Berufungsgericht im Aufhebungsbeschluß niedergelegte Ansicht von der Möglichkeit einer wirksamen persönlichen Verpflichtung des Anton O. in dieser Richtung nicht aufrecht erhalten. Denn bei der einheitlichen Streitpartei entbinde eine außergerichtliche Anerkennung des Klagsanspruches durch einen Streitgenossen nicht davon, daß dennoch alle Rechtsgenossen zu klagen seien. Sofern einem solchen außergerichtlichen Anerkenntnis materiellrechtliche Bedeutung zukomme, lasse dies doch die prozessuale Notwendigkeit der Einheitlichkeit des Handelns der Streitpartei unberührt.
Der Oberste Gerichtshof wies den Revisionsrekurs der Kläger gegen den Beschluß des Berufungsgerichtes zurück, gab der Revision der Kläger gegen das Urteil des Berufungsgerichtes Folge, hob das Urteil auf und verwies die Rechtssache an das Berufungsgericht zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Zum Revisionsrekurs:
Die klagenden Parteien lassen die Bestimmung des § 528 (1) ZPO. außer acht, wonach ein Rekurs gegen bestätigende Entscheidungen unter allen Umständen unzulässig ist. Der Revisionsrekurs war demnach zurückzuweisen.
Zur Revision:
Auszugehen ist von der Rechtsrüge und dabei von der Rechtsfrage, ob eine auf § 858 ABGB. gestützte Klage auch gegen den einzelnen Miteigentümer gerichtet werden kann. Dies hat das Berufungsgericht zutreffend verneint. Was dagegen in der Revision vorgebracht wird, ist nicht stichhaltig. Der zweite Satz des § 858 ABGB. verpflichtet den Gründeigentümer, auf der rechten Seite des Haupteinganges für die nötige Abschließung seines Gründes zu sorgen. Der im konkreten Fall für eine nötige Abschließung in Betracht kommende Grund steht im gleichteiligen Eigentum der Eheleute Anton und Maria O. Gemäß § 361 ABGB. sind Miteigentümer "in Beziehung auf das Ganze" als eine einzige Person anzusehen. Daraus aber wird der Schluß gezogen, daß dann, wenn die Einräumung einer Grunddienstbarkeit oder einer Hausservitut auf einer im Miteigentum stehenden Liegenschaft begehrt wird, das Klagebegehren gegen sämtliche Verpflichtete bei sonstiger Abweisung des Klagebegehrens zu richten sei (SZ. XXVII 64, SZ. XXVII 101 u. a.). Dieser Grundsatz der notwendigen Streitgenossenschaft (§ 14 ZPO.) der Miteigentümer muß auch unter dem Gesichtspunkt des § 858 ABGB. gelten, um durch Erfassung aller Miteigentümer die Gefahr unlösbarer Verwicklungen durch verschiedene Entscheidungen zu vermeiden. Wenn der zweite Satz des § 858 ABGB. die erwähnte Verpflichtung des Gründeigentümers normiert und das bezügliche Grundstück mehreren Personen eigentümlich gehört, so stellen diese Miteigentümer in Beziehung auf das Ganze und damit auf die das Ganze betreffende Verpflichtung, für die nötige Abschließung des Gründes zu sorgen, eine Person, d. h. eine notwendige und einheitliche Streitgenossenschaft dar. Dem steht nicht etwa die in der Revision ins Treffen geführte Entscheidung des Obersten Gerichtshofes 2 Ob 349/53 = JBl. 1954 S. 283, entgegen, die von den Rechtsmittelwerbern mißverstanden wird. Denn dort wurde dargelegt, daß auch der einzelne Miteigentümer die Klage nach § 858 ABGB. erheben kann, weil jedem Teilhaber einer gemeinschaftlichen Sache das Recht zustehe, die zur Wahrung des Gesamtrechtes erforderlichen Rechtsbehelfe zu ergreifen, deren es zur Wahrung seines Anteilsrechtes bedarf. Das hat aber mit der aus § 858 2. Satz ABGB. resultierenden Verpflichtung und einer darauf gestützten Klage gegen die verpflichteten Gründeigentümer nichts zu tun. Die die Gesamtheit der Miteigentümer gemäß § 858 ABGB. betreffende Verpflichtung kann nicht einem der Miteigentümer allein auferlegt werden, weil sonst die Gefahr widersprechender Entscheidungen gegen jeden der Miteigentümer bestunde. Daran könnte auch die gesetzliche Vermutung des § 1238 ABGB. nichts ändern. Denn daraus könnte jedenfalls keine alleinige Verpflichtung des Ehemannes zur Errichtung des Zaunes abgeleitet werden.
Die Kläger sind - wie sie auch ausdrücklich einräumen von der irrigen Annahme ausgegangen, Anton O. sei Alleineigentümer des Grundstückes Nr. 317/1. Sie versuchten, die verfehlte Klage gegen Anton O. durch die weitere Klage gegen Maria O. sowie durch die beantragte Änderung des Klagebegehrens in der gegen Anton O. gerichteten Klage zu sanieren. Es ist aber davon auszugehen, daß zwei verschiedene Klagen vorliegen, die bloß zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden wurden. Diese gemäß § 187 ZPO. vorgenommene Verbindung hat aber nur faktische, nicht auch juristische Konsequenzen (Klein, Vorlesungen, S. 85, ArbSlg. 7336 u. a.). Sie bewirkt keine Streitgenossenschaft (2 Ob 96/57 = JBl. 1957, S. 321, vgl. auch ArbSlg. 7336 und das dort angeführte Schrifttum) und schließt divergierende Entscheidungen nicht aus.
Mangels Vorliegens einer gegen sämtliche Verpflichteten als notwendige und einheitliche Streitgenossen gerichteten Klage fehlt daher beiden Klagen nach § 858 ABGB. die rechtliche Grundlage.
Die Revision ist aber aus den folgenden Erwägungen begrundet. Die Kläger haben als weiteren Klagegrund in jeder der beiden zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Klagen vorgebracht, die jeweils beklagte Partei habe vor der Baubewilligungskommission die Errichtung einer Einzäunung auf der rechten Seite des Grundstückes Nr. 317/1 ausdrücklich zugesagt. Die Auffassung des Berufungsgerichtes, eine aus diesen Zusagen abgeleitete Verpflichtung könne nur gegen die Miteigentümer als einheitliche Streitpartei eingeklagt werden, ist verfehlt. Es trifft zwar zu, daß bei der Parteieneinheit der notwendigen und einheitlichen Streitgenossenschaft nur gemeinsame Disposition zulässig, die abweichende Handlung des einzelnen Streitgenossen unbeachtlich ist und auch nicht für ihn selbst wirkt (SZ. XXVII 64, Fasching II S. 199). Doch träfe dies nicht zu, wenn eine materiell wirksame Zusage im Sinne der Behauptungen der Kläger vorläge. Denn ein verbindliches Versprechen, den Zaun zu errichten, könnte jeder Miteigentümer für sich mit einer von der Wirksamkeit der Zusage des anderen Miteigentümers unabhängigen Wirkung abgeben. Es könnte die Zusage jedes einzelnen Miteigentümers gegen diesen allein durchgesetzt werden. Während sich der aus dem Nachbarrecht entspringende gesetzliche Anspruch des § 8 ABGB. nur gegen die Miteigentümer in ihrer Gesamtheit richtet, ist dies bei derartigen Zusagen nicht der Fall. Ob aber überhaupt eine verbindliche Zusage, sei es seitens des Anton O. allein oder seitens jeder der Miteigentümer vorliegt, ist nicht geklärt, da sich das Berufungsgericht mit den in diesem Zusammenhang vorliegenden, von den klagenden Parteien im Berufungsverfahren bekämpften Feststellungen des Erstgerichtes infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache nicht auseinandergesetzt hat.
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