OGH 4Ob529/63

OGH4Ob529/634.2.1964

SZ 37/21

Normen

ABGB §863
ABGB §1029
WechselG Art7
ABGB §863
ABGB §1029
WechselG Art7

 

Spruch:

Verpflichtung eines Kaufmannes, den gegen ihn sprechenden Schein einer Bevollmächtigung seiner Gattin zu beseitigen; mangels Aufklärung des Sachverhaltes ist er so zu behandeln, als hätte er die Unterschriften auf dem Wechsel selbst gegeben.

Entscheidung vom 4. Februar 1964, 4 Ob 529/63. I. Instanz:

Landesgericht Innsbruck; II. Instanz: Oberlandesgericht Innsbruck.

Text

Die klagende Partei hat auf Grund eines Wechsels über 10.000 S und eines Wechsels über 7000 S gegen den Erstbeklagten als Bezogenen und Annehmer und gegen den Zweitbeklagten als Aussteller einen Wechselzahlungsauftrag erwirkt. Der Erstbeklagte hat gegen diesen Wechselzahlungsauftrag Einwendungen erhoben und vorgebracht, daß die auf den Namen "N." lautenden Unterschriften auf den Wechseln nicht von ihm stammen.

Der Zweitbeklagte hat keine Einwendungen erhoben. Die klagende Partei hat in der ersten mündlichen Streitverhandlung behauptet, daß, falls die Wechsel nicht vom Erstbeklagten selbst unterschrieben wurden, die Unterschrift von einer Person stamme, der er hiezu Vollmacht erteilt habe.

Das Erstgericht hat als erwiesen angenommen: Der Zweitbeklagte Karl W., der in finanziellen Schwierigkeiten war, hat bei der klagenden Partei die Möglichkeit gehabt, kurzfristige Kredite gegen Wechsel zu erhalten. Er hat als Sicherheit der Klägerin zwei Wechsel gegeben, die von ihm ausgestellt waren und die den Erstbeklagten als Bezogenen nannten. Karl W. begab sich mit den beiden Wechseln, die auf 7000 S und 10.000 S lauteten, zur Gattin des Erstbeklagten, mit der er schon von Jugend auf befreundet war, und ersuchte sie, diese Wechsel unter Aufdrücken der Firmenstampiglie und Beisetzen des Namens "N." anzunehmen. Er versicherte ihr, daß sie nichts zu befürchten habe und daß das Unternehmen August N. nicht in Anspruch genommen werde.

Da er am Fälligkeitstag die Wechsel nicht einlösen konnte, begab er sich wieder in das Geschäft des Erstbeklagten und ersuchte dort dessen Gattin, die zwei klagsgegenständlichen Wechsel, die blanko waren, unter Aufdrücken der Firmenstampiglie und Beisetzen des Namens N. auf dem für den Akzeptanten vorgesehenen Teil der Wechsel zu unterfertigen, welchem Ersuchen Frau N. nachkam. Der Zweitbeklagte erklärte, daß es sich um die Prolongation der beiden früher ausgestellten Wechsel handle, daß sie nichts zu befürchten habe und daß das Unternehmen nicht in Anspruch genommen werde. Sowohl von der Annahme der ersten beiden Wechsel als auch von der Annahme der streitgegenständlichen Wechsel, die einer Prolongation dienen sollten, hat Frau N. ihren Gatten informiert. Der Erstbeklagte hat ihr deswegen auch Vorwürfe gemacht. Frau N. ist im Elektrogeschäft ihres Gatten tätig und zwar im Verkauf und in der Buchhaltung.

Das Erstgericht hat den Wechselzahlungsauftrag hinsichtlich des Erstbeklagten aufrecht erhalten, weil er, als er von den gegenständlichen Prolongationswechseln Kenntnis erhielt, nur seiner Gattin gegenüber Vorwürfe erhob, sonst aber nichts unternahm, um Dritte, die aus den nicht ordnungsgemäßen Skripturakten allenfalls einen Schaden erleiden könnten, davor zu bewahren. Der Erstbeklagte, der Kenntnis davon hatte, daß zwei Wechsel mit seiner Firmenstampiglie unter Beisetzung seines Namens unterfertigt worden waren, wäre verpflichtet gewesen, den gegen ihn aus diesen Wechseln sprechenden Schein zu beseitigen. Er habe dies unterlassen und sei daher nicht anders zu behandeln, als wenn er die Unterschriften selbst gegeben hätte oder diese Unterschriften mit seiner Zustimmung beigesetzt worden wären.

Gegen dieses Urteil wurde vom Erstbeklagten Berufung erhoben, die aber erfolglos blieb. Das Berufungsgericht hat das Verfahren des Erstgerichtes als mangelfrei befunden, dessen Feststellungen übernommen und die Rechtsansicht des Erstgerichtes geteilt.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Erstbeklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

... Das Verfahren wird als mangelhaft gerügt, weil die Untergerichte nicht untersucht haben, ob der Erstbeklagte überhaupt die Möglichkeit gehabt hätte, den aus den Wechselunterschriften gegen ihn sprechenden Schein zu beseitigen. Es hätte zumindest die Parteienvernehmung durchgeführt werden müssen, um in Erfahrung zu bringen, welche Möglichkeiten für den Erstbeklagten bestanden haben, die geforderten Aufklärungen in die Wege zu leiten. Dabei wäre zutage getreten, daß der Erstbeklagte schwer krank in einer Lungenheilstätte lag und daß der Wechselinhaber erst mit Geltendmachung des Rechtsanspruches bei Gericht bekannt wurde. Hier übergeht der Erstbeklagte, daß er diesbezüglich in erster Instanz nichts vorgebracht hat, daß er Parteienvernehmung nur darüber angeboten hat, daß er die Wechsel nicht selbst unterfertigt habe, und daß die Untergerichte festgestellt haben, der Erstbeklagte sei von seiner Frau nicht nur über die Annahme der ersten beiden Wechsel, sondern auch über die Annahme der beiden streitgegenständlichen Prolongationswechsel informiert worden, als er ins Geschäft kam.

Der Vorwurf, das Erstgericht hätte seine Anleitungspflicht verletzt, ist unberechtigt. Abgesehen davon, daß der Erstbeklagte anwaltlich vertreten war, hat das Erstgericht auf Antrag der klagenden Partei Beweise darüber zugelassen und aufgenommen, ob der Erstbeklagte demjenigen, der die beiden Wechsel annahm, Vollmacht hiezu erteilt habe. Das Erstgericht hat die Gattin des Erstbeklagten hierüber ausführlich als Zeugin vernommen, die aussagte, daß sie, als ihr Mann in das Geschäft zurückkehrte, diesen über die Annahme der Wechsel informiert habe; er habe ihr deswegen schwerste Vorwürfe gemacht und ihr erklärt, daß er die Sache sofort mit dem Zweitbeklagten in Ordnung bringen müsse. Daß der Erstbeklagte späterhin - vermutlich in einer unrichtigen Rechtsansicht befangen - nichts unternommen hat und auch im Verfahren erster Instanz keine weiteren Beweisanträge gestellt hat, ist seine Sache. Da er, wie erwiesen, schon vor Einbringung der Einwendungen gegen den Wechselzahlungsauftrag wußte, daß seine Frau die Wechsel mit der Firmenstampiglie und dem Namen "N." versehen und dem Zweitbeklagten ausgefolgt hatte, hätte der Erstbeklagte auch schon in den Einwendungen vorbringen können und müssen, daß seine Frau hiezu nicht berechtigt war und daß er alles unternommen habe, um den gegen ihn sprechenden Schein einer Bevollmächtigung zu entkräften.

Den Ausführungen in der Revision zur Rechtsrüge, die Untergerichte hätten übersehen, daß es sich nicht um Wechsel aus geschäftlichen Verpflichtungen oder aus Rechtsgeschäften, die mit dem gewerblichen Unternehmen des Erstbeklagten im Zusammenhang stehen, sondern daß es sich vielmehr um Gefälligkeitsakzepte handelte, die mit dem Erstbeklagten und dessen Unternehmen nichts zu tun haben, kommt keine Bedeutung zu. Der Erstbeklagte hat in den Einwendungen nicht behauptet, daß dies alles der klagenden Partei bei Erwerb der Wechsel bekannt war und daß sie bei Erwerb der Wechsel bewußt zum Nachteil des Erstbeklagten gehandelt habe (Art. 17 WG.). Das gleiche gilt von der angeblich betrügerischen Irreführung der Gatten des Erstbeklagten durch den Zweitbeklagten.

Die in der Revision nicht bekämpfte Rechtsansicht der Untergerichte, daß der Erstbeklagte verpflichtet gewesen wäre, den gegen ihn sprechenden Schein einer Bevollmächtigung seiner Gattin zu beseitigen, und daß er mangels Aufklärung des Sachverhalts so zu behandeln sei, als hätte er die Unterschriften auf den beiden Wechseln selbst gegeben, entspricht nicht nur der herrschenden Rechtslehre (vgl. insbes. Jacobi, Wechsel- und Scheckrecht, S. 119 und 120 und die dort angeführte Literatur, ferner Baumbach - Hefermehl, Wechselrecht[7], Einl. V 3 Anm. 23, anderer Meinung allerdings Stranz, Wechselgesetz[14], S. 36, 38 und 120), sondern auch der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (vgl. SZ. XXVII 152 und die einen gleichen Sachverhalt betreffende Entscheidung HS. 1015, 1180). Auch das deutsche Reichsgericht hat in der Entscheidung vom 6. Juli 1934, RGZ. 145, S. 87, ausgesprochen, daß eine gefälschte Wechselunterschrift wirksam werde, wenn der Namensträger den ihr zugrunde liegenden wechselrechtlichen Begebungsvertrag genehmigt. Durch eine solche Genehmigung werde der Namensträger wechselmäßig verpflichtet. Die Genehmigung könne auch stillschweigend gegeben werden. Auch in der Entscheidung des deutschen Bundesgerichtshofes vom 29. September 1951, Lindenmayer - Möhring, Nr. 1 zu Art. 7 WG., wurde die Rechtsansicht vertreten, daß eine stillschweigende Genehmigung einer auf einer Wechselurkunde gefälschten Unterschrift durch den Namensträger möglich sei, daß aber im Handelsverkehr Stillschweigen keineswegs immer als Genehmigung gelte, daß dies vielmehr nur in Ausnahmefällen bei Vorliegen besonderer Umstände zutreffe, die keine andere Deutung als die der Genehmigung nach Treu und Glauben im redlichen Geschäftsverkehr zulassen. Im vorliegenden Fall hat aber den Erstbeklagten nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes - ebenso wie im gleichgelagerten Fall der Entscheidung HS. 1015, 1180 - eine Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts getroffen. Seine Gattin war in seinem Geschäft im Verkauf und in der Buchhaltung tätig. Der Erstbeklagte war Kaufmann im Sinne des § 1 (2) Z. 1 HGB. Auch wenn er nur ein Kleingewerbetreibender sein sollte, finden auf ihn doch die Vorschriften über die Handlungsvollmacht Anwendung. Seine Gattin war also Handlungsbevollmächtigte und als solche an und für sich nicht berechtigt, Wechsel für den Erstbeklagten zu unterfertigen (§ 54 (2) HGB.). Der Erstbeklagte hat aber, als ihm das erste Mal die Unterfertigung von Wechseln durch seine Frau bekannt wurde, nach außen hin nichts unternommen, er hat insbesondere keine Vorkehrungen getroffen, daß seine Gattin nicht mehr die Geschäftsstampiglie zur Fertigung von Wechseln verwenden könne. Er hat, als er von der zweiten Wechselunterfertigung durch seine Gattin erfuhr, wiederum nichts unternommen. Mit Rücksicht darauf, daß der Erstbeklagte schon einmal die Unterfertigung von Wechseln mit seiner Geschäftsstampiglie und mit seinem Namen durch seine Frau hingenommen und ihr trotzdem weiterhin die Verwendung der Geschäftsstampiglie überlassen hat, traf ihn nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes die Pflicht, den Wechsel vom Zweitbeklagten zurückzufordern oder zumindest zu versuchen, den Wechsel wieder zurückzuerlangen, dies umsomehr, als der Zweitbeklagte ein Freund der Familie war und der Erstbeklagte im Hinblick auf das bestehende Freundschaftsverhältnis durch sein Stillschweigen den Eindruck verstärkte, die Wechselunterfertigung durch seine Gattin zu genehmigen, weil es sich ja um eine Gefälligkeit zugunsten des Zweitbeklagten handeln sollte. Wenn der Erstbeklagte unter diesen Umständen nichts zur Entkräftung des gegen ihn sprechenden Scheines einer Vollmachtserteilung unternommen hat, kann sein Verhalten nur als stillschweigende Genehmigung des Skripturaktes seiner Gattin angesehen werden.

Daß die Wechsel nur mit dem Familiennamen des Erstbeklagten unterschrieben wurden, ist ohne Bedeutung, weil einerseits die Firmenstampiglie des Erstbeklagten beigesetzt wurde, die Identität dessen, für den angenommen wurde, daher eindeutig feststeht und weil andererseits der Erstbeklagte nicht wegen seiner Unterschrift auf den beiden Wechseln, sondern wegen seines Verhaltens nach Kenntnisnahme der Unterfertigung der Wechsel durch seine Gattin haftet, welches Verhalten von den Untergerichten, wie oben ausgeführt, mit Recht als stillschweigende Genehmigung (§ 863 ABGB.) der Vollmachtsanmaßung durch seine Gattin ausgelegt wurde.

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