OGH 8Ob335/63

OGH8Ob335/6314.1.1964

SZ 37/8

Normen

ABGB §869
ABGB §871
ABGB §901
ABGB §869
ABGB §871
ABGB §901

 

Spruch:

Bei Verkauf einer Waschmaschine gegen Raten ist das Vorhandensein ausreichender Stromstärke für den Betrieb in der Wohnung des Käufers auch ohne ausdrückliche Vereinbarung Voraussetzung für die Verbindlichkeit des Vertrages.

Entscheidung vom 14. Jänner 1964, 8 Ob 335/63. I. Instanz:

Bezirksgericht Innere Stadt Wien;

II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Am 25. Juli 1962 kaufte die Beklagte von der Firma X. eine Waschmaschine Marke FAM zum Preis von 2885 S zuzüglich eines Ratenzuschlages. Gleichzeitig unterfertigte sie einen Ratenbrief. Sie leistete bei Lieferung der Waschmaschine im Oktober 1962 eine Zahlung von 320 S. Der Restbetrag sollte in 24 Monatsraten ab dem der Lieferung folgenden Monat entrichtet werden. Da die Beklagte weitere Zahlungen nicht mehr leistete, trat vereinbarungsgemäß Terminsverlust ein. Die Klägerin, der von der Firma X. die restliche Kaufpreisforderung abgetreten wurde, begehrt die Bezahlung des auf 2630 S s. A. eingeschränkten Betrages. Die Beklagte wendete ein, bei der Lieferung der Waschmaschine habe sich herausgestellt, daß die in ihrer Wohnung verfügbare elektrische Stromstärke zum Betrieb der Waschmaschine nicht ausreiche. Der Aufwand für eine entsprechende Erhöhung der Stromstärke, der sich auf 2000 bis 3000 S belaufen würde, sei für sie nicht erschwinglich.

Der Erstrichter gab dem Klagebegehren statt. Er war der Ansicht, bei dem von der Beklagten eingewendeten Umstand, in ihrer Wohnung stehe nicht die für den Betrieb der Waschmaschine erforderliche Stromstärke zur Verfügung, handle es sich nicht um einen Mangel der Sache im Sinn des § 932 ABGB., sondern um eine ausschließlich im Bereich der Beklagten gelegene Tatsache, aus der die Beklagte keine Rechtsvorteile für sich ableiten könne.

Das Berufungsgericht hob das Urteil der ersten Instanz unter Rechtskraftvorbehalt auf. Es teilte zwar die Ansicht des Erstrichters, bei dem von der Beklagten geltend gemachten Umstand handle es sich nicht um einen Gewährleistungsmangel. Es war aber der Auffassung, den Verkäufer, bzw. die Person, deren sich dieser heim Vertragsabschluß bedient habe und die zu diesem Zweck die Beklagte in ihrer Wohnung aufgesucht habe, habe die als Nebenverpflichtung zum Kaufvertrag zu beurteilende Verpflichtung getroffen, zu klären, ob bei den in der Wohnung der Beklagten gegebenen Verhältnissen eine bestimmungsgemäße Verwendung der Waschmaschine in der Wohnung der Beklagten möglich sei. Jedenfalls sei es nicht ausschließlich Aufgabe der Beklagten gewesen, das Vorliegen dieser Voraussetzung festzustellen. Sollte es zutreffen, daß die Waschmaschine in der Wohnung der Beklagten wegen nicht ausreichender Stromstärke nicht betrieben werden könne, und sollte dies infolge eines dem Verkäufer zur Last fallenden Versäumnisses nicht rechtzeitig aufgeklärt worden sein, dann läge ein als Geschäftsirrtum zu behandelnder Irrtum und nicht bloß ein Motivirrtum im Sinn des § 901 ABGB. vor. Aber auch eine als Veranlassen des Irrtums im Sinn des § 871 ABGB. zu wertende Unterlassung der erforderlichen Aufklärung könne in Betracht kommen. Es bedürfe daher noch der Feststellung, auf welche Umstände das Versagen der Waschmaschine zurückzuführen sei, ob für den Verkäufer das Fehlen der Voraussetzung für den Betrieb der Waschmaschine in der Wohnung der Beklagten erkennbar gewesen sei und schließlich, ob zum Ausdruck gekommen sei, daß das Gerät in der Wohnung der Beklagten Verwendung finden sollte.

Der Oberste Gerichtshof gab dem gegen den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes erhobenen Rekurs der klagenden Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Dem Berufungsgericht ist zu folgen, wenn es für aufklärungsbedürftig hält, ob tatsächlich die in der Wohnung der Beklagten verfügbare Stromstärke einen ordnungsgemäßen Betrieb der Waschmaschine nicht ermöglicht. Bei dem Ankauf einer derartigen, für den Haushalt bestimmten, elektrisch betriebenen Maschine wird erfahrungsgemäß davon ausgegangen, daß die im Haushalt zur Verfügung stehende Stromstärke den Betrieb der Maschine ermöglicht und nicht erst kostspielige elektrische Zuleitungen erforderlich sind, besonders wenn es sich wie im vorliegenden Falle um einen in der Wohnung des Käufers getätigten Ratenkauf mit nur geringen monatlichen Abzahlungen handelt. Das Vorhandensein einer ausreichenden elektrischen Stromstärke stellt in einem solchen Fall eine Geschäftsgrundlage dar, und nicht, wie der Erstrichter meint, einen nur in die persönliche Sphäre der Beklagten fallenden Umstand. Denn es hat der Verkäufer ohne weiteres erkennen können, daß der Ankauf der für den Haushalt bestimmten Waschmaschine nur dann für die Beklagte von Wert ist, wenn diese die Waschmaschine mit dem in ihrem Haushalt zur Verfügung stehenden elektrischen Strom auch betreiben kann. Sollte das Geschäft nur infolge Unkenntnis vom Nichtvorhandensein dieser Voraussetzung zustandegekommen sein, dann wäre die Beklagte in der Tat nicht an den Vertrag gebunden (vgl. Klang-Komm. [2], zu § 901 ABGB. S. 338). Darauf, ob für die Prüfung des Vorliegens dieser Voraussetzung die Kenntnisse der Vertragspartner ausreichten oder ob besondere Fachkenntnisse erforderlich gewesen wären, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Das Fehlen dieser Geschäftsgrundlage hätte auch dann die Unverbindlichkeit des Vertrages für die Beklagte zur Folge, wenn der Verkäufer nicht über die erforderlichen Kenntnisse verfügt haben sollte, um das Fehlen dieser Voraussetzung selbst feststellen zu können. Dem Berufungsgericht ist daher darin beizupflichten, daß dem Vorbringen der Beklagten in erster Instanz, die in ihrer Wohnung zur Verfügung stehende Stromstärke reiche für den Betrieb der Waschmaschine nicht aus, Bedeutung zukommt. Der Erstrichter hat dadurch, daß er, von einer anderen Rechtsansicht ausgehend, auf diese Einwendung nicht einging, das Verfahren mangelhaft gestaltet.

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