OGH 7Ob344/63

OGH7Ob344/6310.1.1964

SZ 37/4

Normen

ABGB §492
ABGB §523
JN §1
Straßenverwaltungsgesetz für Steiermark §12
ABGB §492
ABGB §523
JN §1
Straßenverwaltungsgesetz für Steiermark §12

 

Spruch:

Über Störungen und Eingriffe in den Gemeingebrauch an öffentlichen Wegen entscheiden die Verwaltungsbehörden auch dann, wenn der Weg über Privatgrund führt.

Entscheidung vom 10. Jänner 1964, 7 Ob 344/63. I. Instanz:

Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:

Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz.

Text

Der Kläger begehrt von den Beklagten die Gestattung des Befahrens und Begehens ihrer Parzellen Nr. 75/10 und 74/9 der EZ. 1110 KG. G., um zu seiner Parzelle 75/3 der EZ. 996 KG. G. zu gelangen. Er behauptet, die Beklagten hätten an der Stelle, an der er ihre Parzelle überqueren müsse, einen Zaun errichtet und stützt sein Recht ausschließlich darauf, daß anläßlich eines Widmungsverfahrens mit Bescheid des Bürgermeisteramtes G. vom 21. September 1932 die Parzelle 74/9 und auch jener Teil der Parzelle 75/10, den er zum Erreichen seines Grundstückes benützen müsse, zum Interessentenweg erklärt worden sei, der auf jederzeitiges Verlangen der Gemeinde kostenlos zu übergeben sei. Bis dahin sei jedem Interessenten die Benützung dieser Straßenflächen zu gestatten.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte fest, der Voreigentümerin der Liegenschaft der Beklagten, Olga K., die die Liegenschaft wieder von den Ehegatten D. erworben habe, sei die Auflage im Widmungsbescheid nicht bekannt gewesen, sie habe den Beklagten Lastenfreiheit zugesichert. Im Grundbuch sei die Auflage nicht eingetragen und in der Grundbuchsmappe schienen die genannten Parzellen nicht als Weg auf. Daraus folgerte es, der Bescheid sei für die Beklagten nicht verbindlich, sie haben die Liegenschaft im Vertrauen auf das öffentliche Buch lastenfrei erworben. Der Bescheid widerspreche auch dem Landesstraßenverwaltungsgesetz für die Steiermark, weil eine solche Widmung nur vom Gemeindetag nach einem eigenen Verfahren beschlossen werden könne. Der vom Bürgermeisteramt erlassene Bescheid sei daher nicht als öffentlich-rechtliche Belastung anzusehen.

Das Berufungsgericht hob anläßlich der Berufung des Klägers das Urteil und das Verfahren als nichtig auf und wies die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurück. Der Kläger stütze sein Begehren auf einen öffentlich-rechtlichen Titel. Für eine Klage wegen Behinderung oder Störung in der Benützung öffentlicher Wege, wozu auch die Interessentenwege gehören, sei der Rechtsweg unzulässig. Es habe die Bezirksverwaltungsbehörde darüber zu wachen, daß niemand in der bestimmungsgemäßen Benützung von Gemeindestraßen und öffentlichen Interessentenwegen behindert werde.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Wie bereits das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, üben die ordentlichen Gerichte die Gerichtsbarkeit in bürgerlichen Rechtssachen aus, falls hiezu nicht kraft Gesetzes andere Behörden berufen werden. Bürgerliche Rechtssachen sind solche, denen privatrechtliche Verhältnisse zugrunde liegen. Ob ein solches Verhältnis einem Rechtsstreit zugrunde liegt, ist nach dem Klagebegehren und dem Klagesachverhalt zu beurteilen. Im vorliegenden Fall stützt der Kläger sein Begehren, das Begehen und Befahren der Grundstücke der Beklagten zu gestatten, ausschließlich darauf, daß die betreffenden Grundstücksteile zum Interessentenweg erklärt worden seien. Er macht also nicht einen privatrechtlichen Titel geltend, sondern einen aus einem Akt der Verwaltungsbehörde entspringenden öffentlich-rechtlichen Titel. Wie überdies ebenfalls das Berufungsgericht ausgeführt hat, fallen Verwaltungssachen, die nach positiver Gesetzesvorschrift von einer Verwaltungsbehörde zu behandeln sind, nicht unter die Zuständigkeit des Gerichtes. Da gemäß § 12 des Landesstraßenverwaltungsgesetzes für Steiermark (LGBl. Nr. 20/1938) die Verwaltungsbehörde darüber zu wachen hat, daß niemand in der bestimmungsgemäßen Benützung der öffentlichen Interessentenwege behindert wird, hat die Verwaltungsbehörde Abhilfe zu schaffen, und zwar entscheidet sie über Störungen und Eingriffe in den Gemeingebrauch öffentlicher Wege, zu welchen auch Interessentenwege gehören, unter Ausschluß des Rechtsweges auch dann, wenn der Grund, über den der Weg verläuft, in Privateigentum steht (vgl. Fasching I S. 86). Aber auch zur Entscheidung der Frage, ob ein Weg ein öffentlicher ist, ob er also von der hiezu befugten Behörde in der gehörigen Form als solcher erklärt wurde und ob die Gemeinde daher befugt ist, die zur Behinderung der Benützung des Weges aufgestellten Hindernisse entfernen zu lassen sind ausschließlich die Verwaltungsbehörden zuständig. Da mit der Frage, ob der Weg ein öffentlicher ist, die Frage, ob jemand den Weg befahren und begehen dürfe, untrennbar verknüpft ist, ist das Gericht auch zur Entscheidung der letzten Frage nicht zuständig (VfGH. vom 6. Juli 1927, Slg. 836). Der Kläger stützt sein Begehren ausdrücklich nur darauf, daß es sich um einen öffentlichen Interessentenweg handelt, dessen Benützung ihm nicht auf Grund eines privatrechtlichen Titels, sondern aus öffentlich-rechtlichen Gründen zusteht. Das Berufungsgericht hat daher mit Recht die Unzulässigkeit des Rechtsweges ausgesprochen.

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