Normen
Handelsvertretergesetz §1
Einführungsgesetz zur Jurisdiktionsnorm §104
Handelsvertretergesetz §1
Einführungsgesetz zur Jurisdiktionsnorm §104
Spruch:
Der selbständige Handelsvertreter kann sich bei Geltendmachung seiner Provisionsansprüche auf die in dem von ihm abgeschlossenen Geschäft enthaltene Gerichtsstandvereinbarung nicht berufen.
Entscheidung vom 30. Oktober 1963, 6 Ob 284/63.
I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt Wien; II. Instanz:
Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.
Text
Der Kläger begehrt von dem Beklagten aus dem Titel des Schadenersatzes einen Betrag von 2348 S samt Anhang (entgangene Provision und Ersatz der dem Kläger von seinem Geschäftsherrn angerechneten Transportkosten) mit der Begründung, daß er als selbständiger Handelsvertreter für die Firma R. & B. - OHG. Waschmaschinen vertrieben und dabei am 7. November 1962 eine Bestellung seitens des Beklagten für eine Waschmaschine um einen Betrag von 7850 S aufgenommen habe. Der Beklagte habe aber, als die Maschine an ihn geliefert worden sei, die Annahme verweigert, weshalb sie wieder an die oben genannte Firma habe zurückgestellt werden müssen.
Hinsichtlich der Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes berief sich der Kläger auf die im Bestellschein vom 7. November 1962 enthaltene Gerichtsstandvereinbarung. Diese lautet: "Für alle aus diesem Geschäft entstehenden Rechtsstreitigkeiten wird von beiden Teilen die Zuständigkeit des Bezirksgerichtes Innere Stadt - Wien ohne Rücksicht auf die Höhe des Streitwertes vereinbart; dies gilt auch bezüglich Rechtsstreitigkeiten wegen Bezahlung von Reparaturkosten, Transportkosten sowie Rechtsstreitigkeiten über die Gültigkeit der aufgegebenen Bestellung." Der Bestellschein trägt im Kopf die Aufschrift "R. & B., Maschinen und Elektrogeräte, Beratung, Verkauf und Installation moderner Wäschereien, Wien, IX., M.-Straße 9," usw. und zeigt links unten bei dem Vordruck "Vertreter" einen handschriftlichen Namenszug, der als Josef K. und rechts unten bei dem Vordruck "Kundenbestätigung" einen solchen, der als Ferdinand Sch. zu lesen ist.
Das Erstgericht hat die vom Beklagten bei der ersten Tagsatzung erhobene Einrede der örtlichen Unzuständigkeit mit der Begründung zurückgewiesen, es gehe aus dem vorgelegten Bestellbuch hervor, daß für alle aus diesem Geschäft entstandenen Rechtsstreitigkeiten die Zuständigkeit des Bezirksgerichtes Innere Stadt - Wien vereinbart worden sei. Infolge Rekurses des Beklagten wurde dieser Beschluß dahin abgeändert, daß der Einrede der örtlichen Unzuständigkeit stattgegeben und die Klage wegen Unzuständigkeit des angerufenen Gerichtes zurückgewiesen wurde.
Das Rekursgericht erachtete zwar die Rekursbehauptung, daß der Beklagte unter den Bestellschein nur sein Namenszeichen gesetzt habe, wobei die Bestimmungen des § 886 ABGB. nicht eingehalten worden seien, als durch den die Unterschrift des Beklagten aufweisenden Bestellschein für widerlegt, folgte aber im übrigen den Rekursausführungen, daß die Gerichtsstandvereinbarung nicht zwischen den Streitteilen, sondern zwischen der Firma R. & B. OHG. und dem Beklagten zustandegekommen sei, weshalb sich diese auf den gegenständlichen Rechtsstreit, der zwischen Josef K. als Kläger und Ferdinand Sch. als Beklagten anhängig sei, nicht beziehe.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Klägers nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Die Ausführungen gehen im wesentlichen dahin, es sei von der zweiten Instanz übersehen worden, daß nach dem klaren Wortlaut des vom Beklagten unterfertigten Bestellscheines für alle aus dem gegenständlichen Geschäft entstehenden Rechtsstreitigkeiten die Zuständigkeit des Bezirksgerichtes Innere Stadt-Wien vereinbart worden sei, wobei dies auch bezüglich Rechtsstreitigkeiten über die Gültigkeit der aufgegebenen Bestellung zu gelten habe und daß der Kläger als selbständiger Handelsvertreter an dieser Vereinbarung mitgewirkt habe. Dazu komme, daß die Klagsforderung einen von der Firma R. & B. OHG. abgeleiteten Anspruch darstelle, weshalb auch aus diesem Grund die vorliegende Zuständigkeitsvereinbarung auch für den Kläger wirksam sei.
Hier wird zunächst übersehen, daß es sich bei einer Gerichtsstandvereinbarung nach § 104 JN. um einen Tatbestand des Prozeßrechtes handelt und daß die Gerichtsstandvereinbarung ein Prozeßakt ist, der nur nach den Grundsätzen des Prozeßrechtes auszulegen ist, während ein Rückgriff auf das materielle Rechtsverhältnis zwischen den Parteien zur Auslegung der Vereinbarung nicht zulässig ist. Ferner setzt die Begründung der Zuständigkeit im Wege der Vereinbarung voraus, daß sie durch die Parteien des Prozesses oder ihrer Rechtsvorgänger erfolgt ist (Fasching I, S. 496, 498, Neumann I, S. 255). Aus dem Bestellschein läßt sich aber in keiner Weise erkennen, daß die Vereinbarung nicht nur zwischen dem Beklagten und der Firma R. & B. OHG., sondern auch mit dem Kläger geschlossen wurde. Letzterer war auch nicht selbständiger Vertragspartner, sondern ist als Bevollmächtigter der Verkäuferin aufgetreten, die sich, wie aus dem Bestellschein hervorgeht, die Ausführung des im Bestellschein enthaltenen Auftrages vorbehalten hat. Soweit sich aber der Kläger darauf beruft, daß er als selbständiger Handelsvertreter bei der Vereinbarung mitgewirkt habe, läßt sich für ihn nichts gewinnen. Nach § 1 des Handelsvertretergesetzes (BGBl. 1921 Nr. 348, in der Fassung BGBl. 1960 Nr. 153) wird unter selbständigem Handelsvertreter eine Person verstanden, die von einem anderen (Geschäftsherrn) mit der Vermittlung oder Abschließung von Handelsgeschäften oder überhaupt von Rechtsgeschäften über bewegliche Sachen, Rechte oder Arbeiten in dessen Namen und für dessen Rechnung ständig betraut ist und diese Tätigkeit selbständig und gewerbsmäßig ausübt. Es gehört daher geradezu zum Wesen des selbständigen Handelsvertreters, daß er die Rechtsgeschäfte nicht im eigenen Namen und auf eigene Rechnung, sondern für seinen Geschäftsherrn abschließt oder vermittelt. Es ergibt sich daher aus der im Bestellschein erhaltenen Gerichtsvereinbarung nur, daß für alle aus dem im Bestellschein beurkundeten Geschäft entstandenen Rechtsstreitigkeiten ... sowie Rechtsstreitigkeiten über die Gültigkeit der aufgegebenen Bestellung zwischen dem Beklagten und der Firma R. & B. OHG. die Zuständigkeit des Bezirksgerichtes Innere Stadt - Wien vereinbart wurde. Insoweit aber im Revisionsrekurs ausgeführt wird, daß der Klageanspruch ein von der Firma R. & B. OHG. abgeleiteter Anspruch sei, läßt sich derartiges weder dem Bestellschein noch der Klagserzählung entnehmen, wozu noch kommt, daß eine derartige Abtretung oder Rechtsnachfolge hinsichtlich des Anspruches ebenso wie die Gerichtsstandsvereinbarung bei Klagseinbringung schriftlich nachzuweisen gewesen wäre (Fasching I, S. 498), was aber nicht geschehen ist.
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