Normen
Allgemeine österreichische Spediteurbedingungen §11a
HGB §408 (1)
Allgemeine österreichische Spediteurbedingungen §11a
HGB §408 (1)
Spruch:
Will der Spediteur von der Weisung des Versenders abweichen, muß er - außer bei Gefahr im Verzuge - den Versender benachrichtigen und seine Entschließung abwarten.
Entscheidung vom 20. Februar 1963, 7 Ob 207/62.
I. Instanz: Bezirksgericht für Handelssachen Wien; II. Instanz:
Handelsgericht Wien.
Text
Das Erstgericht hat das Klagebegehren auf Zahlung des Betrages von 5673 S s. A. für Wein, den der Kläger dem Wiener Spediteur L. Sch. zum Transport nach B. in Tirol übergeben hat, welchen Transport der Spediteur gemäß den AÖSp. beim Beklagten versichert hatte, abgewiesen.
Das Berufungsgericht hat nach Wiederholung des Beweisverfahrens dem Klagebegehren stattgegeben und folgende Feststellungen getroffen:
Am 14. Februar 1961 hat die Wiener Niederlassung der Klägerin dem Wiener Spediteur L. Sch. den Auftrag gegeben, Wein und Sekt nach B. in Tirol zu transportieren und zwar "ab Kitzbühel mit der Bahn bis zur Station Bichlbach". Gleichzeitig hat sie Sch. das Frachtgut übergeben. Sch. führte das Frachtgut mit seinem eigenen LKW. nach St. Johann i. T. und übergab es dort mit einem mit 17. Februar 1961 datierten Lieferschein an diesem Tage an den Spediteur E. H., der für ihn in der Regel die im Raume Kitzbühel zuzustreifenden Frachten zustellte. H. fand, daß man nach B. besser über Innsbruck als über Kitzbühel gelange und brachte das Frachtgut daher am 20. Februar 1961 nach Innsbruck über die dortige Botenzentrale zur Weiterbeförderung. Der Leiter der Botenzentrale K. übernahm das Frachtgut von H. und beauftragte den Frächter L. Sch. mit dem Weitertransport. Sch. brachte aber aus Rentabilitätsgrunden die verhältnismäßig kleine Sendung auch nicht bis nach B., sondern nur nach Bichlbach, wo sich die Station der österreichischen Bundesbahnen "Bichlbach - Berwang" befindet, und von wo es zum Ort B. noch etwa 4 bis 5 km weit ist. Er stellte das Frachtgut am 21. Februar 1961 vor dem Gasthaus W. ab, übergab den Lieferschein an Frau A. W. und kassierte von ihr an weiteren Frachtkosten 18 S. W. und der Autobusunternehmer J. S. aus B. stehen in der Vereinbarung, daß für B. bestimmte Frachtgüter, die bei W. abgestellt werden, von S. mit seinem Autobus nach B. mit genommen werden. Ob dies auch im gegenständlichen Fall geschah, war verläßlich nicht festzustellen. Feststeht nur, daß das Fracht gut weder an den Adressaten G. P. noch an dessen Leute abgeliefert worden ist.
In rechtlicher Hinsicht hat das Berufungsgericht ausgeführt: Der Beklagte als Versicherer habe den dem Spediteur L. Sch. obliegenden Entlastungsbeweis nicht erbracht. Er habe einen Beweis, daß der Verlust des Frachtgutes auf einem Umstand beruhe, den der Spediteur Sch. nicht habe abwenden können, nicht einmal angetreten, sondern eingewendet, daß das Frachtgut dem Adressaten ordnungsgemäß abgeliefert worden sei. Da sich dies aber als unrichtig erwiesen habe, könne von einer ordnungsgemäßen Ablieferung des Gutes an den Empfänger bzw. seine Leute im Sinne des § 33 AÖSP. keine Rede sein. Es erübrige sich ein Eingehen auf die Rechtsfolgen der anderen Tatsache, daß nämlich der Spediteur Sch. den von ihm vom Absender vorgeschriebenen Transportweg nicht eingehalten hat. Daß die Ablieferung vor einem Hause in Bichlbach eine ortsübliche und daher eine dem Handelsgesetzbuch und dem AÖSP. gemäße Ablieferung darstelle, sei nicht richtig.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Bei der rechtlichen Beurteilung ist zunächst von der das Revisionsgericht bindenden Feststellung des Berufungsgerichtes auszugehen, daß der Nebenintervenient der Klägerin die Sendung der klagenden Partei nicht erhalten hat. Auf den unzulässigen Versuch der Revision, diese Feststellung zu bekämpfen, kann nicht eingegangen werden. Ferner ist von der Feststellung auszugehen, daß die klagende Partei dem Spediteur L. Sch. den Auftrag gegeben hat, die Versendung ab Kitzbühel bis Bichlwang mit der Bahn durchzuführen und daß Sch. diesen Auftrag angenommen hat, von ihm aber abgegangen ist. Der Spediteur hat den Weisungen des Versenders unbedingt nachzukommen (Staub - Pisko zu Art. 380 AHGB. § 9, Schlegelberger - Schröder, § 408 Anm. 7, § 11a AÖSP). Er darf jedoch von den Weisungen des Versenders abweichen, wenn er den Umständen nach annehmen darf, daß der Versender in Kenntnis der Sachlage die Abweichung billigen würde. Auch in diesem Falle muß er - außer bei Gefahr im Verzuge - den Versender vorher benachrichtigen und seine Entschließung abwarten. Weicht der Spediteur von den Weisungen des Versenders ab, ohne durch vorherige Befragung dessen Einverständnis erhalten zu haben, so muß er, wenn er daraufhin vom Versender in Anspruch genommen wird, nicht nur dartun, daß er das Einverständnis des Versenders habe annehmen können, sondern auch, daß keine Zeit gewesen sei, das ausdrückliche Einverständnis des Versenders einzuholen (Schlegelberger - Schröder, § 408 Anm. 8). Die beklagte Partei hat in dieser Richtung weder Behauptungen aufgestellt noch Beweise angeboten. Sie hat auch nicht behauptet oder bewiesen, daß der Schaden ohne Abweichung vom Auftrage des Versenders auch eingetreten wäre. Sie hat nur behauptet, daß die Versendung per Bahn ab Kitzbühel sinnlos gewesen wäre. Damit kann sie aber ein Abgehen von der ausdrücklichen Weisung nicht rechtfertigen. Die Behauptung ist auch nicht stichhältig; wäre die Versendung der Ware, wie es dem Spediteur Sch. vorgeschrieben war, mit der Bahn erfolgt, hätte die Bahn den Nebenintervenienten als Empfänger von der Ankunft der Ware in Bichlbach durch bahnamtliches Aviso verständigt. Es wäre dann seine Sache gewesen, für die Abholung der Kisten zu sorgen. Mit der Ausfolgung der Kisten durch die Bahn an den Nebenintervenienten oder seine Beauftragten hätte der Nebenintervenient die Ware übernommen und die Gefahr des Weitertransportes getragen. Erst in der Revision wird vorgebracht, daß der gewählte Weg der billigste und von den Parteien wirklich gewollte gewesen sei. Darauf war jedoch als unbeachtliche Neuerung nicht näher einzugehen. Es stellt daher auch keine Mangelhaftigkeit dar, daß die Gründe, die den Spediteur Sch. bewogen haben, vom Auftrage der klagenden Partei abzugehen, nicht festgestellt wurden.
Die beklagte Partei, die die Haftung des Spediteurs versichert hat, haftet somit schon aus diesem Gründe für das Abhandenkommen der Sendung der klagenden Partei.
Es ist daher nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes nicht entscheidend, ob der beklagten Partei der Entlastungsbeweis in der Richtung gelungen ist, daß durch Abgabe der für den Nebenintervenienten bestimmte Ware die klagende Partei beim Gasthaus W. in B. die Versendung mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes durchgeführt worden ist. Auf die betreffende Ausführung der Revision war nicht näher einzugehen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)