Spruch:
Ein durch Nichtzahlung der Darlehensschuld bedingter Liegenschaftsverkauf um den Schuldbetrag ist nach § 1371 ABGB. ungültig.
Entscheidung vom 4. Dezember 1962, 8 Ob 335, 336/62.
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:
Oberlandesgericht Wien.
Text
Die Klägerin behauptet, sie sei bücherliche Eigentümerin von 3/116- Anteilen der Liegenschaft EZ. X gewesen. Im Herbst 1960 habe ihr der Beklagte ein Darlehen von 30.000 S gewährt. Es sei Rückzahlung innerhalb eines Monats vereinbart worden. Der Beklagte habe zur Sicherstellung des gewährten Darlehens für den Fall der nicht fristgerechten Rückzahlung die Übertragung des Eigentums an den oben erwähnten Liegenschaftsanteilen der Klägerin begehrt. Die Klägerin habe daher Karl A. und Erich B. mit einer beglaubigten Vollmacht beauftragt und ermächtigt, sofort eine Rangordnung für die beabsichtigte Veräußerung zu erwirken und einen Kaufvertrag zu unterfertigen, mit dem die Liegenschaftsanteile an den Beklagten um 30.000 S verkauft werden. Der Kaufvertrag sollte einen Monat beim Notar Dr. M. liegenbleiben, der berechtigt sein sollte, den Vertrag an die Klägerin auszufolgen, wenn sie bis 19. Dezember 1960 12.00 Uhr 30.000 S zur freien Verfügung des Beklagten bei ihm (dem genannten Notar) erlege. Für den Fall des nicht rechtzeitigen Erlages seien Rangordnung und Vertrag dem Beklagten auszufolgen gewesen. Die der Klägerin zur Rückzahlung des Darlehens eingeräumte Frist sei bis 19. Jänner 1961 einverständlich verlängert worden. Die Klägerin habe mit einem eingeschriebenen, an den Notar gerichteten Brief vom 18. Jänner 1961 die dem A. und B. erteilte Vollmacht widerrufen. Ungeachtet dieses Widerrufes, sei von den Genannten am 19. Jänner 1961 in der Kanzlei des Notars Dr. M ein Kaufvertrag errichtet worden, mit dem die Klägerin ihren Liegenschaftsanteil an den Beklagten übertragen habe. Der Beklagte habe sich zunächst noch bestimmen lassen, mit der Eigentumsübertragung zuzuwarten, habe aber dann doch die bücherliche Übertragung erwirkt.
Die Klägerin vertritt den Standpunkt, daß die Eigentumsübertragung an den Beklagten im Hinblick auf die Bestimmung des § 1371 ABGB. ungültig sei und überdies gegen die guten Sitten verstoße. Die Klägerin begehrte in ihrer Klage die Verurteilung des Beklagten, in die Einverleibung ihres Eigentumsrechtes ob den dem Beklagten grundbücherlich zugeschriebenen 3/116 Anteilen an der EZ. X zu willigen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
Das Berufungsgericht hob das Urteil des Erstgerichtes unter Rechtskraftvorbehalt gemäß § 519 Z. 3 ZPO. auf und verwies die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück.
Der Oberste Gerichtshof gab dem dagegen erhobenen Rekurs des Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Geht man von dem oben festgehaltenen Prozeßvorbringen der Klägerin aus, dann wurde ihr ein Darlehen zugezählt und gleichzeitig zwischen den Streitteilen die Vereinbarung getroffen, daß zur Sicherstellung dieses Darlehens ein Kaufvertrag zwischen den von der Klägerin hiezu Bevollmächtigten und dem Beklagten abgeschlossen wird und die Urkunde über dieses Geschäft bis zum Tage der Fälligkeit des Darlehens beim Notar hinterlegt werden sollte. Der Notar hatte den Kaufvertrag für den Fall der Rückzahlung des Darlehens zum Fälligkeitszeitpunkt der Klägerin, sonst aber die Urkunde dem Beklagten zur Verbücherung seines Eigentums auszufolgen. Ähnlich dem Fall, der der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes JBl. 1961, S. 359, zugrunde lag, war Zweck des Kaufvertrages die Sicherstellung der Schuldforderung durch die Kaufliegenschaft, die der Gläubiger nach der Verfallszeit um den zugezählten Darlehensbetrag, also um einen schon im voraus bestimmten Preis, für sich behalten könne. Wird daher die Behauptung der Klägerin erwiesen, dann ist die in einen Kaufvertrag gekleidete Vereinbarung wegen Verstoßes gegen die Bestimmung des § 1371 ABGB. ungültig. Das Erstgericht wird daher die von den Parteien über die zwischen ihnen getroffenen Vereinbarungen beantragten Beweise abzuführen haben. Es wird sich allenfalls auch mit der Frage auseinanderzusetzen haben, ob infolge eines Vollmachtswiderrufes der Klägerin überhaupt ein die Klägerin verpflichtendes Veräußerungsgeschäft zustande gekommen ist (§ 1020 ABGB.).
Aus diesen Erwägungen erweist sich der Rekurs des Beklagten als unbegrundet.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)