OGH 7Ob231/62

OGH7Ob231/6221.11.1962

SZ 35/118

Normen

ABGB §1494
Allgemeines Sozialversicherungsgesetz §332
Reichsversicherungsordnung §1542
ABGB §1494
Allgemeines Sozialversicherungsgesetz §332
Reichsversicherungsordnung §1542

 

Spruch:

Zeitpunkt des Wegfalls der Hemmung der Verjährungsfrist wegen Handlungsunfähigkeit des Beschädigten bei cessio legis.

Entscheidung vom 21. November 1962, 7 Ob 231/62.

I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Otto P. verschuldete am 25. Juli 1955 mit seinem Motorrad in P. in Tirol einen Verkehrsunfall, bei dem sein Mitfahrer Josef St. schwer verletzt wurde. Die Ehefrau des Verunglückten, Maria St., erfuhr zirka acht Tage nach dem Unfalle, daß P. ihn verschuldet hatte. Maria St. stellte am 20. Dezember 1955 namens des Verletzten auf Grund einer bestehenden Rentenpflichtversicherung bei der Klägerin einen Rentenantrag. Eine Vollmacht des Versicherten an Maria St. vom 7. Jänner 1956 langte am 16. Jänner 1956 bei der Klägerin ein. Diese erkannte hierauf dem Josef St. ab 24. Jänner 1956 eine Invaliditätsrente zu. Das Erhebungsblatt, das den Namen P. enthielt, kam ihr am 18. April 1956 zu. Maria St. wurde mit Beschluß des Bezirksgerichtes Linz als Anhaltungsgerichtes vom 26. Jänner 1956, der ihr am 23. Februar 1956 zugestellt wurde, zum vorläufigen Beistand des Josef St. bestellt. In einer am 27. März 1959 beim Landesgericht Salzburg überreichten Klage begehrte die Klägerin auf Grund der gesetzlichen Zession nach § 1542 RVO. von Otto P. den Ersatz der von ihr an Josef St. für die Zeit vom 24. Jänner 1956 bis 31. März 1959 ausbezahlten Rentenbeträge von insgesamt 35.580.20 S samt Zinsen und Kosten. Die erste Tagsatzung wurde am 28. März 1959 für den 10. April 1959 angeordnet. Am 7. April 1959 gab die Klägerin die Benachrichtigung von der Prozeßführung an die Beklagte als Haftpflichtversicherer des Otto P. zur Post. Das Gericht gab der Klage mit Versäumungsurteil vom 10. April 1959 statt. Die Klägerin erwirkte zur Hereinbringung ihrer sodann vollstreckbar gewordenen Forderung die Pfändung und Überweisung der dem P. als Versicherungsnehmer gegen die Beklagte zustehenden Forderung aus dem Haftpflichtversicherungsverträge.

Mit der vorliegenden Klage begehrte die Klägerin unter Hinweis auf § 158c VVG. von der Beklagten den Ersatz der von ihr an St. erbrachten Leistungen samt Nebengebühren im Betrag von 40.913 S 95 g samt Zinsen und Kosten. Die Beklagte wendete u. a. die Verjährung der eingeklagten Forderung ein.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Die Einwendung der Verjährung sei wegen Nichteinhaltung der Vorschrift des § 158d (2) VVG. durch die Klägerin (unverzügliche schriftliche Verständigung) gemäß § 158e (1) VVG. zulässig. Die Einwendung sei auch berechtigt. Der M. St. sei schon im Sommer 1955 die Person des Beschädigers bekannt gewesen. Als sie am 20. Dezember 1955 den Rentenantrag für J. St. gestellt habe, sei sie allerdings noch nicht zum vorläufigen Beistand bestellt gewesen. Dieser Mangel sei aber jedenfalls mit der Zustellung des Beschlusses über die Bestellung zum vorläufigen Beistand am 23. Februar 1956 geheilt worden. Es sei bedeutungslos, ob man annehme, daß mit der Zustellung des Bestellungsbeschlusses der ursprüngliche Mangel geheilt und der Anspruch des St. schon am 20. Dezember 1955 auf die Klägerin übergegangen sei oder ob man den Standpunkt vertrete, daß das Rentenansuchen erst am 23. Februar 1956 wirksam geworden sei und die Ansprüche des St. erst mit diesem Tage auf die Klägerin übergegangen seien. In beiden Fällen müsse sich die Klägerin das Wissen der M. St. anrechnen lassen. Die Verjährungsfrist sei bei Einbringung der Klage beim Landesgerichte Salzburg am 23. März 1959 bereits abgelaufen gewesen.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Es führte ergänzend aus, daß die gesetzliche Zession nach § 1542 RVO. an die Klägerin mit dem 20. Dezember 1955 eingetreten sei, weil M. St. in der Folge als vorläufiger Beistand den für ihren Ehemann gestellten Rentenantrag stillschweigend genehmigt habe. Diese Genehmigung habe auf den Tag der Antragstellung zurückgewirkt. Durch die Ratihabierung des Rentenantrages sei dieser sowohl für den Pflegebefohlenen als Rentenwerber und Legalzedenten als auch für die Klägerin als Versicherer und Legalzessionar rechtserheblich geworden. Der Antrag habe nicht nur zur Zuerkennung der Rente geführt, sondern auch den Übergang der Schadenersatzforderung auf die Klägerin bewirkt. Die Klägerin habe die Forderung mit der Last erworben, daß dem "Zessionar" (richtig Zedenten) der Schädiger zu diesem Zeitpunkt bereits insofern bekannt gewesen sei, als sein späterer gesetzlicher Vertreter von dem Schaden gewußt habe. Die Grundlage der Einwendung der Verjährung sei somit bei Wirksamwerden der Legalzession bereits gegeben gewesen ("vgl. den der Entscheidung SZ. XII 208 zugrunde liegenden Rechtsgedanken"), so daß die dreijährige Verjährungsfrist am 20. Dezember 1955 zu laufen begonnen habe und der Klagsanspruch verjährt sei.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Revision ist im Ergebnis nicht begrundet.

Der Oberste Gerichtshof war mit der vorliegenden Rechtssache schon einmal befaßt. Er bestätigte mit der Entscheidung vom 8. Februar 1961, 3 Ob 389/60, einen Beschluß des Berufungsgerichtes, mit welchem dieses ein das Klagebegehren im ersten Verfahrensgang abweisendes Urteil des Erstgerichtes wegen verschiedener, die Verjährungseinrede betreffender Feststellungsmängel aufgehoben hatte. Die Untergerichte trafen nunmehr zu dem vom Obersten Gerichtshof in der erwähnten Entscheidung in erster Linie als feststellungsbedürftig bezeichneten Tatumstand, ob J. St. nach dem 25. Juli 1955 (Unfallstag) einige Zeit wieder handlungsfähig gewesen sei und vom Schaden und Schädiger (Ersatzpflichtigen) O. P. Kenntnis gehabt habe, keine Feststellungen. Da sie die für die Entscheidung im Falle einer dauernden Nichthandlungsfähigkeit des J. St. wesentlichen weiteren Tatsachen feststellten, kann geschlossen werden, daß sie das Vorliegen einer zeitweiligen Handlungsfähigkeit des St. verneinten, zumal im Gutachten des in erster Instanz vernommenen Sachverständigen ausgeführt wurde, daß J. St. seine Handlungsfähigkeit seit dem Unfall niemals, auch nicht vorübergehend, wiedererlangt habe.

Die nun von den Untergerichten getroffenen Tatsachenfeststellungen sind bei Zugrundelegung der vom Obersten Gerichtshof in der erwähnten Vorentscheidung für die Rechtssache bereits bindend ausgesprochenen Rechtssätze wie folgt zu beurteilen:

Zufolge der nach den obigen Ausführungen feststehenden dauernden Handlungsunfähigkeit des J. St. war für den Beginn des Laufes der Verjährung gemäß § 1494 ABGB. der Zeitpunkt maßgeblich, zu dem der Beschluß über die Bestellung zum vorläufigen Beistand der M. St. zugestellt wurde. Die weiter noch notwendige Voraussetzung, daß M. St. zur Zeit der Zustellung des Bestellungsbeschlusses vom Schaden und von der Person des Beschädigers Kenntnis hatte, trifft nach den getroffenen Feststellungen zu. Die Verjährung begann daher am 23. Februar 1956, dem Tage der Beschlußzustellung an den vorläufigen Beistand, zu laufen.

Die vom Berufungsgericht vertretene Ansicht, daß zufolge Ratihabition des Rentenantrages mit Wirkung ab 20. Dezember 1955 die 3jährige Verjährung des § 1489 ABGB. schon an diesem Tage zu laufen begonnen habe, kann vom Obersten Gerichtshof nicht geteilt werden. Die im berufungsgerichtlichen Urteil hiezu zitierte E. SZ. XII 208 betrifft keinen Verjährungsfall. Auf die Beurteilung des Rechtsinstitutes der Verjährung kommt es hier jedoch nicht an. Diesbezüglich bestimmt § 1494 ABGB., daß gegen solche Personen, welche aus Mangel ihrer Geisteskräfte ihre Rechte zu verwalten unfähig sind, die Verjährungszeit nicht anfangen kann, da fern diesen Personen keine gesetzlichen Vertreter bestellt sind. Ein gesetzlicher Vertreter war für J. St., dessen Forderung die Klägerin als Legalzessionarin und Überweisungsgläubigerin gegen die Beklagte verfolgt, vor dem 23. Februar 1956 nicht rechtswirksam bestellt. Es konnte daher erst an diesem Tage der Hemmungsgrund des § 1494 ABGB. wegfallen. Von da an erst war der Ablauf der Verjährungsfrist möglich.

Der Oberste Gerichtshof kann auch der von der Revisionswerberin vertretenen Rechtsmeinung nicht beitreten, daß dem Wegfall des Hemmungsgrundes des § 1494 ABGB. die Rechtswirksamkeit der Legalzession mit dem 20. Dezember 1955 entgegengestanden sei. In der mehrfach zitierten Entscheidung vom 8. Februar 1961 sprach der Oberste Gerichtshof die Rechtsansicht aus, daß die cessio legis nach § 1542 RVO. (nunmehr § 332 ASVG.) an die Klägerin mit dem 20. Dezember 1955 eingetreten sei, weil M. St. nach ihrer Bestellung zum vorläufigen Beistand des Geschädigten den an diesem Tag gestellten Rentenantrag mindestens stillschweigend genehmigt habe und diese Genehmigung auf den Tag der Antragstellung zurückwirke. Maßgebend für die Rechtswirksamkeit der Legalzession ab 20. Dezember 1955 war sohin die Antragstellung an diesem Tage im Zusammenhalte mit der Ratihabierung durch den erst nachträglich bestellten vorläufigen Beistand. Trat diese Ratihabierung durch ein stillschweigendes Verhalten des vorläufigen Beistandes rückwirkend mit dem angeführten Datum ein, dann konnte die Klägerin die nunmehr eingeklagte Forderung auch nur mit den Lasten erwerben, die für den Zessionar, von dem sie ihre Rechte ableitet, bestanden. Der vorläufige Beistand hatte im Zeitpunkt der Ratihabierung (im übrigen auch schon am 20. Dezember 1955) nicht nur vom Schaden, sondern auch von der Person des Schädigers Kenntnis. Diese Kenntnis hatte zwar, wie oben ausgeführt wurde, nicht zur Folge, daß die Hemmung nach § 1494 ABGB. bereits am 20. Dezember 1955 wegfiel, sie wirkt aber insofern gegen die Klägerin als Rechtsnachfolgerin des St., daß sie den Wegfall der Hemmung der Verjährung am 23. Februar 1956 gegen sich gelten lassen muß.

Wenn die Revisionswerberin zur Begründung ihres Rechtsstandpunktes noch ausführt, daß eine Klage des Versicherten nach dem 20. Dezember 1955 in Ansehung des von der Zession erfaßten Teiles seiner Ersatzansprüche abzuweisen gewesen wäre, er somit nicht in der Lage gewesen wäre, dann noch eine die hier eingeklagte Forderung berührende Verjährungsunterbrechungshandlung herbeizuführen, übersieht sie, daß auch diese Wirkung nur in dem Falle einer Genehmigung des Rentenantrages durch den nachträglich bestellten gesetzlichen Vertreter des Versicherten eingetreten wäre. Eben diese Rechtshandlung des vorläufigen Beistandes macht, wie oben ausgeführt wurde, sein eigenes Wissen um den Schaden und die Person des Beschädigers (§ 1489 ABGB.) für den Wegfall einer Hemmung nach § 1494 ABGB. zu Lasten des Legalzessionars rückwirkend rechtserheblich.

Für die Klägerin ist dadurch, daß die Verjährungsfrist nicht, wie das Berufungsgericht annahm, schon am 20. Dezember 1955, sondern erst am 23. Februar 1956 zu laufen begann, nichts gewonnen. Im Zeitpunkt der Einbringung ihrer Klage beim Landesgericht Salzburg am 27. März 1959 war die Ersatzforderung des St. jedenfalls verjährt. Die Verjährungseinrede der Beklagten war daher gerechtfertigt.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte