Spruch:
Die §§ 48 ff. des Eisenbahngesetzes 1957 sind an die Stelle der für die Kostenfrage bei Ausgestaltung von Kreuzungen vorher bestandenen Gesetze und der auf Grund dieser Gesetze erlassenen Hoheitsakte und sonstigen Regelungen getreten. Ausschließliche Zuständigkeit des Bundesministeriums für Verkehr und Elektrizitätswirtschaft für die Entscheidung über die Kostenfrage.
Entscheidung vom 15. November 1962, 5 Ob 284/62.
I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.
Text
In der Klage wird der Ersatz der Mehrkosten begehrt, welche der klagenden Partei bei der Verbreiterung der Triester Bundesstraße dadurch entstanden seien, daß die Bahntrasse der beklagten Partei zum Großteil auf Bundesstraßengrund verläuft.
Die beklagte Partei hat unter Hinweis auf § 48 EisenbahnG. 1957, BGBl. Nr. 60/1957, Unzulässigkeit des Rechtsweges eingewendet.
Das Erstgericht verwarf die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges. Es stellte fest, daß anläßlich der Konzessionserteilung zum Betriebe der jetzigen B. Lokalbahn im Jahre 1887 die Bedingungen festgelegt wurden, unter denen die Konzessionserteilung erfolgte. Unter anderem sei festgelegt worden, daß die Konzessionärin im Falle der Notwendigkeit der Verbreiterung des Straßenprofis oder eines Umbaues der Straße bzw. der an dieser bestehenden Objekte und dadurch bedingten Verlegung der Bahntrasse diese Verlegung auf eigene Kosten und im Einvernehmen mit der Straßenverwaltung durchzuführen habe, ohne aus diesem Titel irgendwelche Entschädigungsansprüche an das Straßenärar stellen zu können. Das Erstgericht stellte ferner fest, daß ein Antrag der beklagten Partei beim Bundesministerium für Verkehr und Elektrizitätswirtschaft auf Entscheidung nach § 48 EisenbahnG. 1957 bis heute nicht erledigt wurde und daß in dem Akt des Bundesministeriums für Verkehr und Elektrizitätswirtschaft in einem Amtsvermerk festgehalten sei, daß bei der gegebenen Sach- und Rechtslage nichts übrigbleibe, als zunächst die Entscheidung des Gerichtes über den von der beklagten Partei vorgebrachten Einwand hinsichtlich der Unzulässigkeit des Rechtsweges abzuwarten. In rechtlicher Beziehung nahm das Erstgericht den Standpunkt ein, daß in der Festlegung der Bedingungen der Konzessionserteilung eine privatrechtliche Vereinbarung über die Kostenregelung zu sehen sei und daß infolgedessen die Bestimmungen des EisenbahnG. 1957 nicht Platz zu greifen hätten, da im § 48 (7) dieses Gesetzes ausdrücklich normiert sei, daß die Bestimmungen der Absätze 2 bis 5 einer einvernehmlichen Kostenregelung der Verkehrsträger nicht entgegenstunden. Daraus gehe hervor, daß das seinerzeitige Privatrechtsverhältnis der Streitteile von den Bestimmungen des EisenbahnG. 1957 unberührt geblieben sei und bleibe. Aber selbst dann, wenn dies nicht richtig sein sollte, sei die Anwendung des § 48 EisenbahnG. ausgeschlossen, weil das Bundesministerium für Verkehr und Elektrizitätswirtschaft unbestrittenermaßen keine Anordnung im Sinne des Absatzes 1 des § 48 EisenbahnG. getroffen habe.
Das Rekursgericht hob den erstgerichtlichen Beschluß unter Rechtskraftvorbehalt auf. Es vertrat die Ansicht, daß die Verwaltungsbehörde zur Anordnung der baulichen Umgestaltung der Verkehrswege an Kreuzungen mit Straßen und zur Aufteilung der Kosten zwischen dem Eisenbahnunternehmen und dem Träger der Straßenbaulast sachlich zuständig sei. Es sei nicht einzusehen, daß eine für den heutigen Bedarf geschaffene gesetzliche Vorschrift keine Anwendung auf Fälle finden solle, die - wegen Fehlens einer solchen Vorschrift - einer besonderen Regelung in der Konzessionsurkunde für das Eisenbahnunternehmen bedurft hätten und unter Umständen vielleicht im zivilrechtlichen Verfahren auszutragen gewesen seien. Das EisenbahnG. 1957 kenne für den hier zur Erörterung und Entscheidung stehenden Gegenstand eine verwaltungsbehördliche Entscheidung oder eine gütliche Einigung zwischen den Beteiligten. Für eine Austragung einer streitigen Angelegenheit dieser Art im zivilgerichtlichen Verfahren bleibe kein Raum. Die Tatsache, daß die Klägerin schon den Aufwand für die Verrichtung der Herstellungsarbeiten getragen habe, hindere nicht die Aufteilung der Kosten zwischen den Beteiligten durch die Verwaltungsbehörde (§ 48 (2) EisenbahnG. 1957). Die Lösung der Frage, ob und inwieweit die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges begrundet ist, hänge von der Feststellung des Umstandes ab, ob und inwieweit das Verfahren Kreuzungen mit Straßen zum Gegenstand habe.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der klagenden Partei nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Schon durch das Kreuzungsgesetz vom 4. Juli 1939, DRGBl. I, S. 1211, wurde die Frage, wer die Kosten bei Herstellung von Änderungen und Ergänzungen bestehender Kreuzungen zu tragen hat, und das dabei einzuhaltende Verfahren neu geregelt. Diese Regelung wurde dann durch die §§ 48 ff. des EisenbahnG. 1957 abgelöst. Der Grund der Neuregelung war die Änderung der Verhältnisse, die durch die Motorisierung des Straßenverkehres eingetreten ist. Während früher der Straßenverkehr vor der Eisenbahn geschützt werden mußte, muß jetzt auch die Eisenbahn vor dem Straßenverkehr geschützt werden, und im Vordergrund der Erwägung, welche Maßnahmen zur Neugestaltung von Kreuzungen zu treffen sind, steht meistens nicht mehr die Erhaltung der Sicherheit, sondern die zügige Durchführung des Straßenverkehrs (Maschke in ZVR. 1962, S. 169). Es wurde im § 48 EisenbahnG. 1957 auch geregelt, welche Behörde über den hier in Betracht kommenden Fragenkomplex zu entscheiden und welches Verfahren sie dabei einzuhalten habe. Danach entscheidet ausschließlich das Bundesministerium für Verkehrs- und Elektrizitätswirtschaft, welches sich dabei einer Sachverständigenkommission zu bedienen hat, die ein Gutachten darüber zu erstatten hat, wie die Interessen der beteiligten Verkehrsträger zu bewerten und welche Kosten auf die Verkehrsträger aufzuteilen sind (Maschke, a. a. O., S. 170). Dabei kann es keinen Unterschied machen, ob das Bundesministerium für Verkehrs- und Elektrizitätswirtschaft selbst die Initiative zur Umgestaltung der Kreuzung ergriffen hat und die Arbeiten erst nach der Anordnung dieses Bundesministeriums ausgeführt wurden oder ob einer der Verkehrsträger zunächst, ohne eine solche Anordnung abzuwarten, die Arbeiten selbst durchgeführt hat. Auch in dem letztgenannten Falle ist der im § 48 (1) EisenbahnG. vorgesehene Antrag auf bauliche Umgestaltung der Verkehrswege beim Ministerium zu stellen (Maschke a. a. O., S. 170), und es hängt von der Entscheidung des Ministeriums ab, ob und welche der von ihm bereits ausgelegten Kosten der Verkehrsträger ersetzt erhält. Es ist daher verfehlt, wenn im Rekurse behauptet wird, § 48 des EisenbahnG. finde keine Anwendung, weil das Ministerium die bauliche Umgestaltung der Verkehrswege nicht ausdrücklich angeordnet habe. Sollte nicht schon in der bereits erfolgten eisenbahnbehördlichen Genehmigung durch das Ministerium eine Anordnung im Sinne des § 48 EisenbahnG. gelegen sein, so wird eben der Antrag auf bauliche Umgestaltung der Verkehrswege nachzuholen und damit auch eine Entscheidung des Ministeriums über die Kostenfrage zu erwirken sein.
Der Umstand, daß in den Bedingungen, unter denen seinerzeit die Konzessionserteilung erfolgte, über die Frage, wer die Kosten künftiger baulicher Umgestaltungen zu tragen habe, abgesprochen wurde, steht dem nicht entgegen. Diese Bedingungen wurden auf Grund der damals bestehenden gesetzlichen Vorschriften erstellt, nämlich der Vorschriften des Gesetzes vom 25. Mai 1880, RGBl. Nr. 56, welche dann von dem Gesetz vom 17. Juni 1887, RGBl. 81, übernommen wurden. Danach hatte die Lokalbahnunternehmung die Kosten der Erhaltung der benützten Straßenteile sowie etwaige durch die Benützung veranlaßte Mehrkosten der Straßenerhaltung, desgleichen die Kosten für alle zur Hintanhaltung einer durch den Bahnbetrieb herbeigeführten Störung oder Gefährdung des Straßenverkehrs erforderlichen besonderen Vorkehrungen zu tragen. Eine ähnliche Regelung hat dann auch das Gesetz vom 8. August 1910, RGBl. 149/1910, getroffen. Schon dieses Gesetz hatte jedoch im Art. XXVI zwischen den Kosten der Änderung von Kreuzungen öffentlicher Straßen mit einer Lokalbahn und anderen Erhaltungskosten unterschieden. Während hinsichtlich der letztgenannten Kosten eine im wesentlichen den bisherigen Bestimmungen entsprechende Regelung getroffen wurde, sollten hinsichtlich der Kreuzung öffentlicher Straßen mit Lokalbahnen die für Hauptbahnen geltenden Bestimmungen Anwendung finden. Konnten demnach schon nach dieser Gesetzesstelle Zweifel bestehen, ob die anläßlich der Konzessionserteilung über die Kostenfrage getroffene Regelung auch auf die bauliche Umgestaltung von Kreuzungen noch anzuwenden war, konnte jedenfalls nach Erlassung des Reichsgesetzes vom 4. Juli 1939, DRGBl. I, S. 1211, darüber, daß diese Regelung keine Geltung mehr hatte, kein Zweifel mehr bestehen. Denn im § 9
(2) des Gesetzes wurde bestimmt, daß alle bei Inkrafttreten dieses Gesetzes bestehenden Regelungen über die Kosten der Herstellung von Änderungen und Ergänzungen bestehender Kreuzungen außer Kraft treten. Damit war klargestellt, daß alle gesetzlichen Vorschriften über die Kostentragung bei der Neugestaltung von Kreuzungen und alle auf Grund dieser gesetzlichen Vorschriften ergangenen Rechtsakte, ob sie nun Hoheitsakte oder privatrechtliche Vereinbarungen darstellten, außer Kraft traten. Das Gesetz vom 4. Juli 1939 wurde allerdings durch § 58 Punkt 33 des EisenbahnG. 1957 aufgehoben. Dadurch wurde aber nicht etwa der vor Erlassung des Gesetzes vom 4. Juli 1939 bestandene Rechtszustand wiederhergestellt. Denn die durch das Gesetz vom 4. Juli 1939 aufgehobenen Regelungen hatten durch die Aufhebung ihre Geltung endgültig verloren und sie durch das EisenbahnG. 1957 nicht wiedererlangt, weil sich das EisenbahnG. ja nicht etwa nur auf die Aufhebung des Gesetzes vom 4. Juli 1939 beschränkt, sondern in den §§ 48 ff. an Stelle der aufgehobenen Vorschriften eine andere positive gesetzliche Regelung schafft und weil es auch nicht etwa ausspricht, daß der vor dem Gesetz vom 4. Juli 1939 bestandene Rechtszustand wiedereinzutreten habe (Klang[1], Pisko, I, S. 163, Klang - Wolff[2], I, S. 115). Es hatte also auch nach der Erlassung des Eisenbahngesetzes dabei zu bleiben, daß die vor Inkrafttreten des Gesetzes vom 4. Juli 1939 hinsichtlich der Kosten der Ausgestaltung von Kreuzungen bestandenen Regelungen, wie sie durch die vorher bestandenen Gesetze und die auf Grund dieser Gesetze erlassenen Hoheitsakte und geschlossenen Vereinbarungen getroffen worden waren, außer Kraft getreten waren. An die Stelle dieser Regelungen sind die Bestimmungen der §§ 48 ff. des EisenbahnG. 1957 getreten, wonach das Bundesministerium für Verkehr und Elektrizitätswirtschaft über die Kostenfrage unter Bedachtnahme auf die Interessen beider Verkehrsträger nach Einholung eines Gutachtens der Sachverständigenkommission zu entscheiden hat. Auch die Bestimmung des § 48 (7) EisenbahnG. steht dem nicht entgegen, weil diese Bestimmung - ebenso wie die ihr entsprechende Bestimmung des aufgehobenen Gesetzes vom 4. Juli 1939, DRGBl. I, S. 1211 - nur Vereinbarungen betrifft, die zwischen den Verkehrsträgern über die Kostenfrage nach Inkrafttreten des Gesetzes im Einzelfall getroffen werden, keinesfalls aber dahin ausgelegt werden kann, daß eine der Regelung im Eisenbahngesetz widersprechende vertragsmäßige Regelung der prozessualen und materiellrechtlichen Voraussetzungen für die Erhebung eines Ersatzanspruches aufrechtbleiben sollte.
Es kommt daher, wie das Rekursgericht ohne Rechtsirrtum angenommen hat, für die Beantwortung der Frage nach der Zulässigkeit des Rechtsweges darauf an, inwieweit das Verfahren Kreuzungen der Eisenbahn mit der Straße zum Gegenstand hat. Zur Feststellung darüber wurde die Entscheidung des Erstgerichtes mit Recht aufgehoben.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)