OGH 5Ob300/62

OGH5Ob300/627.11.1962

SZ 35/111

Normen

ABGB §364a
ABGB §364b
ABGB §1489
ABGB §364a
ABGB §364b
ABGB §1489

 

Spruch:

Die Ersatzansprüche aus § 364a und b ABGB. verjähren gemäß § 1489 ABGB. in drei Jahren. Beginn der Verjährung.

Entscheidung vom 7. November 1962, 5 Ob 300/62.

I. Instanz: Landesgericht Klagenfurt; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Die Kläger sind Miteigentümer eines Hauses, in welchem die Erstklägerin das Gast-, Schank- und Beherbergungsgewerbe betreibt. Sie verkauften im September 1955 der Erstbeklagten ein südlich ihres Hauses gelegenes Grundstück, auf dem diese im Jahre 1957 durch den zweitbeklagten Baumeister ein an die südliche Giebelmauer des Hauses der Kläger angebautes Gebäude errichten ließ. Durch die Aushubarbeiten traten im südlichen Teil des Hauses der Kläger zahlreiche Risse und Sprünge sowohl außen als auch in den Räumen auf. Hiedurch wurden mehrere Räume unbenützbar; Türen und Fenster wurden verzogen, und die Fußböden fielen ab. Die Kläger behaupten, daß der Zweitbeklagte durch unsachgemäße Abtragung des Gründes die Schäden an ihrem Haus verursacht habe, und begehren mit der am 19. November 1960 erhobenen Klage von den beiden Beklagten aus dem Rechtsgrund des Schadenersatzes, von der Erstbeklagten überdies aus dem Rechtsgrund des § 364b ABGB. den Ersatz der Sachschäden im Verhältnis ihrer Miteigentumsanteile. Darüber hinaus begehrte die Erstklägerin den Ersatz ihres aus der Nichtvermietung der Fremdenzimmer entgangenen Verdienstes.

Die Beklagten bestritten ihre Haftung und wendeten Verjährung ein.

Das Erstgericht verurteilte die Beklagten zur ungeteilten Hand, 1875 S samt Anhang zu bezahlen, und wies das Mehrbegehren ab.

Das Berufungsgericht bestätigte das erstgerichtliche Urteil in seinem abweisenden Ausspruch und änderte es in seinem stattgebenden Ausspruch im Sinne der gänzlichen Klagsabweisung ab.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei keine Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

In erster Linie bekämpfen die Kläger die Ansicht des Berufungsgerichtes, daß die Klagsansprüche der Triennalverjährung des § 1489 ABGB. unterworfen seien. Das angefochtene Urteil folge nämlich in der Frage der Verjährung der Ansicht Klangs und übernehme seine Begründung, daß wegen der Einheitlichkeit des Rechtsinstitutes die Ersatzansprüche aus § 364a ABGB. gleich den sonstigen Schadenersatzansprüchen aus dem Nachbarrecht in drei Jahren verjähren. Doch verweise Klang auch darauf, daß die Enteignungsentschädigung nicht der kurzen Verjährung unterliege, weil sie nicht den Ersatz einer rechtswidrigen Schädigung, sondern einen Anspruch auf Vermögensverschiebung betreffe. Nach der Entscheidung SZ. XXV 67 sei aber der Anspruch aus § 364b ABGB. dem Entschädigungsanspruch aus Anlaß einer Enteignung gleichzusetzen, woraus gefolgert werden müßte, daß dieser Anspruch gleich der Enteignungsentschädigung in dreißig Jahren verjähre. Nicht nur die Haftung der Erstbeklagten, sondern auch die des Zweitbeklagten richte sich nach § 364b ABGB., da es sich um Ausgleichsansprüche handle, die nicht nur gegen den Nachbarn, sondern im Sinne der Entscheidung JBl. 1933, S. 59, auch gegen jeden störenden Dritten zulässig seien, so daß die Ersatzansprüche auch gegen den Zweitbeklagten erst in dreißig Jahren verjähren.

Diesen Ausführungen kann sich der Oberste Gerichtshof nicht anschließen. Zutreffend hat das Berufungsgericht die Entschädigungsansprüche der Kläger der Triennalverjährung des § 1489 ABGB. unterstellt. Daß sie als Schadenersatzforderungen aus einer unerlaubten Handlung nach dieser Gesetzesstelle in drei Jahren verjähren, bedarf wohl keiner weiteren Begründung. Aber auch als Ersatzforderungen aus § 364b ABGB. unterliegen sie der kurzen Verjährung des § 1489 ABGB. Den Klägern kann zugegeben werden, daß sich diese Frage nicht eindeutig dem Gesetz entnehmen läßt, weil der Ausdruck "Entschädigung" im § 1489 ABGB. keinem festen Rechtsbegriff entspricht (Klang[2] VI, zu § 1489 ABGB., S. 633). Doch besteht darüber kein Streit, daß zu den Entschädigungsklagen des § 1489 ABGB. alle Ersatzansprüche aus einer widerrechtlichen Handlung gehören (Klang, a. a. O., S. 634). Dazu zählen auch die auf § 364b ABGB. gestützten Ersatzklagen, weil es nach dieser Gesetzesstelle verboten, sohin rechtswidrig ist, ein Grundstück in der Weise zu vertiefen, daß der Boden oder das Gebäude des Nachbarn die erforderliche Stütze verliert, sofern nicht für eine genügende anderweitige Befestigung Vorsorge getroffen wird. Aber auch in jenen Fällen des § 364b ABGB., bei welchen von einer rechtswidrigen Vertiefung des Grundstückes nicht gesprochen werden kann, weil der Bau auf Grund einer rechtskräftigen baubehördlichen Genehmigung aufgeführt wird, sohin die gleichen Voraussetzungen wie die des § 364a ABGB. vorliegen, verjährt der Ersatzanspruch nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes in drei Jahren. Allerdings wird diese Frage nicht einheitlich beantwortet. Gegen diese Ansicht könnte ins Treffen geführt werden, daß ein unmittelbar oder sinngemäß auf § 364a ABGB. gestützter Ersatzanspruch nach Analogie der Enteignungsentschädigung in dreißig Jahren verjährt, weil die Natur dieser Ersatzansprüche dem Entschädigungsanspruch aus Anlaß einer Enteignung gleichzuhalten ist (SZ. XXV 67, Klang, a. a. O., S. 634) und der Anspruch auf Enteignungsentschädigung als Vermögensausgleich für eine rechtmäßige Vermögensentziehung der dreißigjährigen Verjährung unterworfen ist. Mit der Analogie der Enteignungsentschädigung hat auch die Entscheidung GlUNF. 5774 die Verjährung derartiger Ansprüche aus dem Nachbarrecht in dreißig Jahren begrundet. Der Oberste Gerichtshof kann sich jedoch dieser vor der neuen Fassung des § 1489 ABGB. ergangenen Entscheidung nicht anschließen. Mit Recht verweist Ehrenzweig im System, das Recht der Schuldverhältnisse[2] zu § 403, S. 685, auf das mangelnde Bedürfnis nach einer längeren Verjährungszeit, weil das Argument, daß sich die Ursache der durch eine behördlich genehmigte Anlage hervorgerufenen Schäden oft erst nach langer Zeit feststellen lasse, nicht mehr durchschlagend sei, da nach der neuen Fassung des § 1489 ABGB. ("und die Person des Beschädigers") vor Kenntnis der Ursache des Schadens die Verjährung ohnehin nicht zu laufen beginne. Nach Ehrenzweig verjähren daher auch Ersatzansprüche aus § 364a ABGB. in drei Jahren (System, Sachenrecht[2] zu § 188, S. 134). Auch Klang vertritt in seinem Kommentar[2] zu § 1489 ABGB., S. 634, die Ansicht, daß sämtliche Ersatzansprüche aus dem Nachbarrecht der dreijährigen Verjährung unterliegen, was wegen der Einheitlichkeit des Rechtsinstitutes auch hinsichtlich der Ersatzansprüche aus § 364a ABGB. zutreffen müsse. Der Oberste Gerichtshof schließt sich den Ansichten Ehrenzweigs und Klangs in der Erwägung an, daß keine sachlichen Gründe vorliegen, die einzelnen Ersatzansprüche aus dem Nachbarrecht hinsichtlich der Verjährungsfrage verschieden zu behandeln. Im übrigen wäre es wenig sinnvoll, die Ersatzansprüche gegen den widerrechtlich handelnden Nachbarn in drei Jahren und die Ersatzansprüche gegen den den Schaden nicht widerrechtlich zufügenden Nachbarn erst in dreißig Jahren verjähren zu lassen. Der Oberste Gerichtshof billigt daher die Ansicht des Berufungsgerichtes, daß die Klagsansprüche in drei Jahren verjähren.

Die Kläger wenden sich weiter dagegen, daß das Berufungsgericht den Beginn der Verjährung mit Juli/August 1957 angenommen habe. Es habe übersehen, daß die Verjährung nicht zu laufen beginne, wenn sich der Schaden noch nicht vollkommen "ausgeprägt" habe. Daß dies der Fall sei, folge aus den erstgerichtlichen Feststellungen, wonach die Bewegungen des Erdreiches erst gegen Ende des Jahres 1958 zum Stillstand gekommen seien und sich auch nach Mitte Juli 1957 weitere Setzungsschäden, wenn auch nur im geringfügigen Umfang, gezeigt hätten.

Mit diesen Ausführungen setzen sich jedoch die Kläger mit der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes in Widerspruch. Die Verjährung beginnt mit der Kenntnis des Schadens und der Person des Schädigers. Der Beschädigte hat schon in dem Zeitpunkt Kenntnis von dem Schaden erlangt, in dem er ihn allgemein wahrgenommen hat und den Ursachenzusammenhang kennt. Entgegen der Meinung der Kläger hindert den Beginn der Verjährung nicht der Umstand, daß der Beschädigte noch keinen Überblick über die Höhe des Schadens hat oder daß noch nicht alle Schadenauswirkungen eingetreten sind, sofern sie auf dasselbe schädigende Ereignis zurückgehen und voraussehbar sind (SZ. XX 236, ZVR. 1960, Nr. 269 und 305 u. a.). Die Kläger verweisen zwar richtig darauf, daß nach den Feststellungen der Untergerichte die Setzungserscheinungen, die bereits Mitte Juli 1957 im wesentlichen zum Stillstand gekommen sind, erst gegen Ende des Jahres 1958 beendet waren und seit Juli 1957 weitere, wenn auch geringfügige Schäden aufgetreten sind. Bei diesen handelt es sich auch um nicht unvorhersehbare Folgewirkungen eines und desselben schädigenden Ereignisses, nämlich des unsachgemäßen Unterfangens des Hauses der Kläger aus Anlaß der Aushubarbeiten auf dem Grund der Erstbeklagten. Daher ist es auch verfehlt, wenn die Kläger von einer fortgesetzten Störung sprechen, die darin gelegen sein soll, daß die Beklagten die Ursache der Schädigung bisher nicht beseitigt hätten. Sie verwechseln hiebei Schadensursache mit den Schadensauswirkungen. Die weiteren Schäden traten nach den Feststellungen der Untergerichte nicht als Folge der Nichtbeseitigung des durch die Aushubarbeiten herbeigeführten Zustandes auf, sondern gehen auf das unsachgemäße Unterfangen des Hauses der Kläger, also auf ein und dasselbe schädigende Ereignis zurück. Wird von diesen rechtlichen Erwägungen ausgegangen, dann ist es für die Verjährungsfrage belanglos, welcher Art die erst später auftauchenden, aber bereits schon vorher erkennbaren Schäden waren, so daß entgegen der Meinung der Kläger das berufungsgerichtliche Verfahren nicht deshalb mangelhaft geblieben ist, weil nicht festgestellt wurde, welche Schäden nach Mitte Juli 1957 aufgetreten sind. Da sämtliche, auch die erst nach diesem Zeitpunkt eingetretenen Schäden mit der unsachgemäßen Unterfangung des Hauses der Kläger verknüpft sind und von den Klägern vorhersehbar waren, sind ihre Ersatzansprüche verjährt, weil die gegenständliche Klage erst am 19. November 1960, also nicht mehr innerhalb der Verjährungszeit erhoben und auch keine Feststellungsklage während dieser Zeit eingebracht wurde.

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