Spruch:
Eine vertrauliche Mitteilung an ein Kreditinstitut ist nicht öffentlich vorgebracht, mag sie auch innerhalb des Institutes mehreren Personen bekanntgeworden sein.
Entscheidung vom 30. August 1962, 5 Ob 163/62.
I. Instanz: Bezirksgericht Floridsdorf; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.
Text
Der Kläger verlangt vom Beklagten die Zahlung eines Betrages von 4000 S samt 4% Zinsen seit dem Klagstag mit der Begründung, der Beklagte habe durch unrichtige Angaben veranlaßt, daß ihm bei der Autokreditstelle des Gewerbeförderungsinstitutes der Gemeinde Wien ein Kredit gekundigt wurde. Er sei genötigt gewesen, den Kredit durch Aufnahme eines anderen Darlehens abzudecken, und dadurch seien ihm Mehrauslagen entstanden.
Das Erstgericht gab der Klage statt. Es ging von folgenden Feststellungen und Erwägungen aus. Der Kläger habe bei der W.- Kredit-Ges. m. b. H. am 25. April 1959 zum Ankauf eines Kraftwagens einen Kredit von 27.800 S, zuzüglich der mit 6202 S pauschalierten Zinsen und Kosten, rückzahlbar in 36 Monatsraten, erhalten. Nach den Darlehensbedingungen hätte der Kredit gekundigt werden können, wenn sich die Vermögenslage des Schuldners wesentlich verschlechtert oder dieser mit dem angeschafften Kraftwagen ohne Genehmigung der Darlehensgeberin eine Auslandsreise unternimmt. Am 9. Juli 1959 habe der Beklagte bei der Darlehensgeberin behauptet, der Kläger veräußere und belaste laufend Grundstücke und sei mit dem gekauften Auto nach Hamburg gefahren. Es habe sich um einen Racheakt des Beklagten gehandelt. Er habe sich dafür rächen wollen, daß der Kläger mit seiner Frau durchgegangen war. Auch wenn der Beklagte, wie er behauptet, bei der Autokreditstelle nur eine Auskunft haben wollte, habe er die Gelegenheit benützt, um den Kläger dort anzuschwärzen. Die Kreditstelle habe ihren Außenbeamten mit der Überprüfung der Vermögenslage des Klägers beauftragt, und der Beklagte habe seine Behauptungen auch gegenüber diesem Außenbeamten wiederholt. Der Beamte habe auch im Grundbuch Erhebungen gepflogen und die Frau des Bürgermeisters befragt, und auf Grund seines Berichtes sei der Kredit sofort fälliggestellt worden. Es sei gegen den Kläger eine Wechselklage eingebracht und ihm der Kraftwagen abgenommen worden. Der Kläger habe bei den Eheleuten G. ein Hypothekardarlehen in der Höhe von 80.000 S aufgenommen und daraus am 28. Oktober 1959 den Autokredit abgedeckt. Die Behauptungen des Beklagten bei der Kreditstelle seien falsch gewesen. Der Kläger habe nur im Jahre 1958 einige Grundstücke abverkauft, doch habe der verbleibende Grundbesitz noch mehrfache Sicherheit für den Kredit geboten. Weitere Verkäufe habe der Kläger nicht beabsichtigt. Die Behauptung über die Reise des Klägers nach Hamburg sei leichtfertig gewesen, denn der Beklagte habe sie nur mit einer Vermutung rechtfertigen können. Er habe angegeben, der Kläger habe öfter gesprochen, er wolle gerne nach Hamburg fahren, und als er von einer Postkarte seiner mit ihm reisenden Frau aus Berchtesgaden erfuhr, habe er angenommen, der Kläger sei mit ihr auf der Reise nach Hamburg. Erwiesen sei nur, daß der Kläger mit dem Auto von Salzburg über das deutsche Eck nach Tirol fuhr. Der Beklagte habe durch grob fahrlässige Verbreitung falscher Tatsachen die Kündigung des Kredites veranlaßt und sei für den dadurch dem Kläger zugefügten Schaden verantwortlich.
Das Berufungsgericht wies die Klage aus folgenden Gründen ab. Der Empfänger der Mitteilung habe an ihr ein berechtigtes Interesse gehabt. Die Behauptungen seien nur der Kreditstelle mitgeteilt, also nicht öffentlich vorgebracht worden. In einem solchen Fall hafte der Mitteilende nur, wenn er die Unwahrheit der Mitteilung kannte, also nur für Vorsatz. Die Feststellungen des Erstgerichtes reichen nicht aus, um die Unwahrheit der gemachten Mitteilungen festzustellen. Diese seien insofern richtig gewesen, als der Kläger mit dem gekauften Auto ins Ausland fuhr und, wenn auch vor der Aufnahme des Autokredites, Grundstücke verkaufte und Darlehen aufnahm.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers Folge und hob die Urteile der Untergerichte auf.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Die Meinung des Klägers, der Beklagte habe die Mitteilung öffentlich vorgebracht, kann nicht geteilt werden. Daß der Beklagte die Mitteilung gegenüber dem Außenbeamten der Kreditstelle wiederholte und daß die Kreditstelle durch den Außenbeamten Nachforschungen anstellen ließ, wobei der Grundbuchsführer und die Frau des Bürgermeisters befragt wurden, macht die Mitteilung noch zu keiner öffentlichen. Es ist damit nicht dargetan, daß sie in einer für unbestimmte andere Personen wahrnehmbaren Weise geschehen ist. Eine vertrauliche Mitteilung an ein Kreditinstitut ist nicht öffentlich vorgebracht, mag sie auch innerhalb des Institutes mehreren Personen bekanntgeworden sein (vgl. Ehrenzweig[2] § 396 II, Wolff in Klang[2] VI, S. 162). Es ist nicht erwiesen, daß der Beklagte mit einer Verbreitung seiner Mitteilung außerhalb der Kreditstelle rechnete. Es gilt daher der letzte Satz des § 1330 (2) ABGB., wonach für eine nicht öffentlich vorgebrachte Mitteilung der Mitteilende, der die Unwahrheit nicht kennt, nicht haftet, wenn er oder der Empfänger der Mitteilung an ihr ein berechtigtes Interesse hatte. Es ist dem Berufungsgericht beizupflichten, daß die Kreditstelle ein berechtigtes Interesse hat, über die jeweiligen Vermögensverhältnisse ihrer Schuldner unterrichtet zu werden. Der Beklagte hätte sie also, ohne dem Kläger haftbar zu werden, warnen können, wenn er entweder von der Richtigkeit seiner Mitteilung überzeugt war oder sie aus hinreichenden Gründen für wahr halten konnte. Der Beklagte ist nur dann haftbar, wenn dem Kläger der Nachweis gelingt, daß der Beklagte die Unwahrheit seiner Mitteilung kannte, also daß ihm Vorsatz zur Last fällt.
Der Erstrichter stellte fest, wenn der Beklagte die wahre Vermögenslage des Klägers nicht ohnedies kannte, habe er zumindest äußerst leichtfertig diffamierende Umstände über ihn verbreitet, was auf jeden Fall als grobe Fahrlässigkeit anzusehen ist. Daraus geht hervor, daß der Erstrichter, von der unrichtigen Rechtsansicht ausgehend, daß Fahrlässigkeit genüge, die Frage, ob dem Beklagten Vorsatz zur Last fällt, dahingestellt sein ließ. Das Berufungsgericht durfte daher nicht von der Voraussetzung ausgehen, das Erstgericht habe den Vorsatz verneint und nur Fahrlässigkeit festgestellt. Das muß zur Aufhebung nicht nur des angefochtenen, sondern auch des Ersturteils führen. Das Erstgericht wird in klarer Weise festzustellen haben, ob der Beklagte die Unwahrheit seiner Mitteilungen kannte. Zu diesem Zwecke wird es zunächst auch den genauen Wortlaut der Mitteilungen des Beklagten festzustellen haben. Das Erstgericht nahm an, der Beklagte habe bei der Kreditstelle angegeben, der Kläger veräußere und belaste laufend Grundstücke und sei mit dem gekauften Auto nach Hamburg gefahren. Es hat jedoch zur Aussage des Zeugen Josef B. nicht Stellung genommen, nach der die Äußerung des Beklagten lautete, der Kläger veräußere und belaste laufend Grundstücke und sei mit dem gekauften Auto nach Hamburg geflohen. Es ist für die Beurteilung des Verschuldens des Beklagten von Bedeutung, ob der Beklagte nur von einer Fahrt oder von einer Flucht nach Hamburg gesprochen hat. Im übrigen ist das Berufungsgericht ohne hinreichende Begründung von der erstrichterlichen Feststellung der Unwahrheit der Mitteilungen des Beklagten abgegangen, denn die Benützung der Abkürzung über Bayern bei einer Fahrt von Salzburg nach Tirol kann noch nicht als längere Auslandsreise hingestellt werden, und der Verkauf einiger Grundparzellen im Jahre 1958 deckt nicht die im Juli 1959 gemachte Behauptung, der Kläger veräußere und belaste laufend Grundstücke, womit der Beklagte doch offenbar zum Ausdruck bringen wollte, daß der Autokredit nicht mehr sicher sei.
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