OGH 4Ob156/61

OGH4Ob156/6119.12.1961

SZ 34/196

Normen

ABGB §863
Vertragsbedienstetengesetz 1948 §10
ABGB §863
Vertragsbedienstetengesetz 1948 §10

 

Spruch:

Wirkung der jahrelangen Verwendung eines Vertragsbediensteten zu Diensten einer höheren Entlohnungsgruppe.

Entscheidung vom 19. Dezember 1961, 4 Ob 156/61.

I. Instanz: Arbeitsgericht Wien; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Der Kläger ist Vertragsbediensteter beim Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen. Er trat im Jahre 1938 bei der damaligen Hauptvermessungsabteilung XIV ein. Mit 1. April 1954 wurde gemäß § 52 VBG. 1948 eine Erneuerung des Dienstvertrages vorgenommen und der Kläger dabei in Entlohnungsschema I, Entlohnungsgruppe c, Entlohnungsstufe 9, unter Anrechnung von 7 Jahren, 11 Monaten und 20 Tagen als Vordienstzeiten, eingestuft. Der Kläger hat bis 18. Juli 1961 b-wertige Tätigkeiten verrichtet. Mit der vorliegenden (am 15. Juli 1961 überreichten) Klage begehrte er von der Republik Österreich die Zahlung von 17.155 S 50 g als unbestrittener Differenz zwischen den für die Zeit vom 1. Juni 1958 bis 30. Juni 1961 erhaltenen und den ihm bei richtiger Einstufung in das Entlohnungsschema I, Entlohnungsgruppe b, Entlohnungsstufe 11 (mit nächster Vorrückung 1. Juli 1961) des § 10 VBG. 1948 gebührenden Bezügen, ferner die Feststellung, daß er Anspruch auf Entlohnung nach Entlohnungsschema I, Entlohnungsgruppe b, Entlohnungsstufe 11, mit nächster Vorrückung 1. Juli 1961 nach den Bestimmungen des VBG. 1948 habe.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren auf Grund der festgestellten tatsächlichen b-wertigen Dienstverrichtungen des Klägers statt. Die gegen das Ersturteil erhobene Berufung der beklagten Partei wurde hinsichtlich der Entscheidung über das Leistungsbegehren zurückgenommen. In der Berufungsverhandlung (28. September 1961) wurde außer Streit gestellt, daß der Kläger, der bis 18. Juli 1961 b-wertige Tätigkeiten leistete, ab diesem Zeitpunkt nur mehr für cwertige Dienste verwendet wird. Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil im angefochten gebliebenen Umfang und sprach gemäß § 500 Abs. 2 ZPO. aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschied, 10.000 S übersteige. Die Auffassung der beklagten Partei, durch die nunmehrige, ab 18. Juli 1961 vorgenommene, Verwendung des Klägers für bloß c-wertige Dienste sei dem Feststellungsbegehren die Grundlage genommen, treffe nicht zu. Im schriftlichen Dienstvertrag sei die Leistung c-wertiger Dienstleistungen vereinbart worden. Der Dienstgeber habe aber jahrelang die geforderten höherwertigen (bwertigen) Tätigkeiten des Klägers entgegengenommen. Dadurch habe ein Dienstverhältnis über die Verwendung des Klägers zu Diensten im höheren Fachdienst (b-wertiger Dienst) gegen eine dieser Dienstleistung angemessene Zahlung, als konkludent vereinbart zu gelten, wovon die beklagte Partei nicht einseitig nach dem 18. Juli 1961 zum Nachteil des Dienstnehmers abgehen könne.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Dienstverträge können auch durch schlüssige (konkludente) Handlungen zustandekommen oder abgeändert werden (ArbSlg. 6348 u. a.), insbesondere auch dann, wenn es sich um ein Dienstverhältnis nach dem Vertragsbedienstetengesetz handelt (Soz. I D S. 140). Das im § 4 VBG. 1948 enthaltene Gebot der Schriftlichkeit hat dabei außer Betracht zu bleiben, weil es eine bloße Ordnungsvorschrift ist (ArbSlg. 6328, ArbSlg. 7209, Soz. I D S. 245 u. a.). Wie der Oberste Gerichtshof ferner in seiner ständigen Rechtsprechung (so SZ. XXXII 4. ArbSlg. 7209 u. v. a.) zum Ausdruck brachte, bestimmt sich die Einstufung eines Vertragsbediensteten nach den tatsächlich geleisteten Diensten und nicht nach dem Dienstvertrag. Dadurch, daß die beklagte Partei im vorliegenden Fall den nicht vertragsmäßigen (höherwertigen) Einsatz der Arbeitskraft des Klägers forderte und dieser sich dem bezüglichen Verlangen fügte, ist zwar keine stillschweigende Ergänzung des Vertrages im Sinne einer Einstufung in die der tatsächlichen Dienstleistung entsprechende höhere Entlohnungsgruppe des Entlohnungsschemas I, noch ein wirksamer Verzicht auf das mit der qualifizierten Verwendung verbundene Mehrentgelt zustandegekommen. Doch ist dadurch, daß die beklagte Partei jahrelang - zumindest in der Zeit vom 1. Juni 1958 bis 18. Juli 1961 - ständig (und nicht etwa vorübergehend im Sinne des § 5 Abs. 1 VBG. 1948) eine b-wertige Tätigkeit des Klägers in Anspruch nahm und der Kläger dem nachgekommen ist, hinlänglich schlüssig die Vereinbarung einer bestimmten Beschäftigungsart zum Ausdruck gekommen, d. h. die Vereinbarung von Arbeitsleistungen, die dem gehobenen Fachdienst entsprechen. Damit hat der Vertragsbedienstete aber das Recht erworben, eine seiner konkludent vereinbarten Beschäftigungsart nicht entsprechende, niederwertigere Dienstverwendung abzulehnen. Wird er dennoch zu niederwertigeren Arbeiten herangezogen, kann ihm das den Anspruch auf die der vereinbarten Dienstleistung entsprechende Entlohnung nicht nehmen. Dies folgt insbesondere auch aus der Bestimmung des § 4 Abs. 1 lit. d VBG. 1948, wonach die vertraglich vereinbarte Beschäftigungsart in einer bestimmten zwingenden Relation zu der dafür vorgesehenen Honorierung steht. Es erweist sich daher die einseitige dienstrechtliche Maßnahme der beklagten Partei, wonach der Kläger ab dem 18. Juli 1961 bloß für c-wertige Tätigkeiten herangezogen wird, als ungeeignet, den aus jahrelanger b-wertiger Verwendung resultierenden Anspruch auf Mehrentlohnung im Sinne des Feststellungsbegehrens nunmehr ab 18. Juli 1961 zu beseitigen. Der Revision war demnach ein Erfolg zu versagen.

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