Normen
KO §119
KO §119
Spruch:
Der Gemeinschuldner ist bei einer kridamäßigen Versteigerung Verpflichteter und hat ein Rekursrecht. Beschlüsse sind auch ihm selbst zuzustellen.
Entscheidung vom 15. November 1961, 3 Ob 418/61.
I. Instanz: Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:
Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz.
Text
Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz als Konkursgericht bewilligte mit Beschluß vom 12. April 1961, S 21/59-60, die kridamäßige Veräußerung der Liegenschaft EZ. 348 KG. W. und ersuchte das Erstgericht um den Vollzug dieses Verfahrens.
In der Folge bestellte das Erstgericht einen Sachverständigen zwecks Schätzung der Liegenschaft. Mit einem späteren Beschluß genehmigte es die vom Masseverwalter vorgelegten Versteigerungsbedingungen.
Das Rekursgericht wies die Rekurse des Gemeinschuldners gegen diese beiden Beschlüsse zurück. Es führte aus, daß der erste Beschluß am 4. Juli 1961 und der zweite Beschluß am 18. August 1961 dem Masseverwalter, der hiezu gemäß § 77 Abs. 2 KO. befugt gewesen sei, zugestellt wurden. Der Verpflichtete habe das Rechtsmittel erst am 10. Oktober 1961 eingebracht, so daß es verspätet sei. Überdies sei gemäß § 239 Abs. 2 EO. gegen die Bestellung eines Sachverständigen kein abgesondertes Rechtsmittel zulässig.
Der Oberste Gerichtshof hob auf Rekurs des Gemeinschuldners den Zurückweisungsbeschluß auf und trug dem Rekursgericht die neuerliche Entscheidung auf.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Zunächst ist zu erörtern, ob dem Verpflichteten im Verfahren zur kridamäßigen Versteigerung einer Liegenschaft Parteistellung und damit Rekursberechtigung zukommt. Diese Frage hat das Rekursgericht zutreffend bejaht. § 119 Abs. 2 KO. bestimmt, daß auf kridamäßige Veräußerungen die Vorschriften der EO. sinngemäß anzuwenden sind, wobei nach Z. 1 dem Masseverwalter die Stellung eines betreibenden Gläubigers zukommt. Das Exekutionsverfahren ist ein Zweiparteienverfahren, so daß der Stellung des Masseverwalters als betreibenden Gläubigers die des Gemeinschuldners als Verpflichteten entsprechen muß. Die Rechtsprechung hat daher letzterem im Verfahren über eine kridamäßige Versteigerung das Recht zur Einbringung des Rekurses eingeräumt (SZ. XIX 68). Die Entscheidung SZ. XXXII 91 unterscheidet zwischen einer kridamäßigen Versteigerung und einer reinen Exekutionssache; nur bei letzterer versagt sie dem Gemeinschuldner die Stellung einer selbständigen Partei und das Rekursrecht.
Mit Recht hat das Rekursgericht ferner darauf verwiesen, daß die Befugnis des Masseverwalters, die Post des Verpflichteten an dessen Stelle in Empfang zu nehmen, über das Konkursverfahren hinausreicht. Im vorliegenden Fall ist jedoch der Masseverwalter Gegner des Gemeinschuldners im Versteigerungsverfahren, da ihm dort die Stellung eines betreibenden Gläubigers und dem Gemeinschuldner die eines Verpflichteten zukommt. Es muß daher die Bestimmung des § 103 Abs. 3 ZPO. sinngemäß angewendet werden, nach der eine Ersatzzustellung niemals zu Handen des Prozeßgegners stattfinden darf. Daraus ergibt sich, daß die Zustellung der beiden Beschlüsse an den Verpflichteten zu Handen des Masseverwalters unwirksam ist und die Rekursfrist gegen den Verpflichteten gemäß § 108 ZPO. von dem Zeitpunkt an läuft, zu welchem ihm die Beschlüsse zugekommen sind.
Die Bestellung des Sachverständigen erfolgte bereits mit demselben Beschluß, mit dem der Vollzug der kridamäßigen Versteigerung angeordnet wurde. Die allgemein gefaßte Rekurserklärung, daß die Bestellung des Sachverständigen angefochten werde, richtet sich daher auch gegen diesen Beschluß. Letzterer wurde allerdings dem Verpflichteten persönlich zugestellt, doch ist dieser Zeitpunkt ebenso belanglos wie der der Zustellung der späteren Beschlüsse, da es sich hier gemäß § 239 Abs. 2 EO. um einen aufgeschobenen Rekurs handelt und der Verpflichtete den Rekurs gegen diesen erst einbringen konnte, als er eine andere Entscheidung mit einem abgesonderten Rechtsmittel bekämpfte. Aus diesem Grund vermag auch der Hinweis auf diese Gesetzesstelle die Zurückweisung des Rekurses gegen die Bestellung des Sachverständigen nicht zu rechtfertigen (§ 515 ZPO. in Verbindung mit § 78 EO.).
Sache des Rekursgerichtes wäre es daher gewesen, durch geeignete Erhebungen feststellen zu lassen, wann die angefochtenen Beschlüsse dem Gemeinschuldner und Verpflichteten persönlich oder dessen Vertreter zugekommen sind.
Der angefochtene Beschluß war daher aufzuheben und die Sache an das Rekursgericht zurückzuverweisen.
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