Spruch:
Haftung eines bedingt erbserklärten Erben hinsichtlich des ihm auf Grund eines Erbübereinkommens zugefallenen, seinen Erbteil übersteigenden Vermögens nach § 1409 ABGB.
Entscheidung vom 4. Oktober 1961, 6 Ob 366/61.
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:
Oberlandesgericht Wien.
Text
Josef R., der Großvater der Streitteile, war vor dem Jahr 1938 Eigentümer eines Hauses, das ihm in der nationalsozialistischen Zeit durch Arisierung entzogen wurde. Im Jahr 1947 hat Josef R. in Bukarest seine drei Söhne Adolf, Emanuel und Max zu einer Besprechung eingeladen, bei welcher vereinbart wurde, die Rückstellung des Hauses unter allen Umständen einzuleiten. Auf Empfehlung der Wiener Kultusgemeinde wurde Dr. H. mit der Durchführung der Angelegenheit betraut. Im Mai 1949 teilte Adolf R., einer der drei Söhne des Josef R., dem Dr. H. mit, er sei von seinem Vater mit Zustimmung seiner beiden Brüder damit betraut worden, die Rückstellungsangelegenheit durchzuführen und die damit zusammenhängenden finanziellen Aufwendungen zu bestreiten. Den vorgestreckten Betrag solle er dann zurückverlangen können, wenn er die Liegenschaft abverkauft habe, ansonsten jedoch dann, wenn er das Geld unbedingt benötige. Diese Mitteilung stand mit dem ihm von seinem Vater erteilten Auftrag tatsächlich im Einklang. Am 2. Februar 1951 erhielt Adolf R. auch eine schriftliche Vollmacht seines Vaters, in der ausdrücklich angeführt war, daß er auch zur Vertretung der Erben des Vaters befugt sei. Die Rückstellung der Liegenschaft wurde bewilligt, dagegen der Rückstellungswerber schuldig erkannt, der Rückstellungsgegnerin 19.252 S 01 g samt Zinsen zu zahlen und zwei grundbücherlich sichergestellte Hypotheken zu übernehmen. Adolf R. hat im Zusammenhang mit dieser Rückstellungsangelegenheit insgesamt einen Betrag von 51.838 S 44 g aufgewendet. In diesem Betrag war auch die Rückzahlung einer zweitrangigen Hypothek der C.-Bank von 17.267 S enthalten. Am 27. Juni 1952 ist Josef R. gestorben. Der Sohn Adolf R. hat sich seines Erbrechtes entschlagen und als Erbenmachthaber seines in Rumänien verbliebenen Bruders Max R. die bedingte Erbserklärung abgegeben, die auch angenommen wurde. Der zweite Bruder Emanuel R. ist am 28. November 1957 in London verstorben. Er hat sich am Verlassenschaftsverfahren nach seinem Vater nicht beteiligt. Die Verlassenschaft nach Emanuel R., repräsentiert durch seine Witwe und seine beiden Töchter Myra R. - die Beklagte - und Esther R., wurde auf Grund einer bedingt abgegebenen Erbserklärung zur Hälfte des Nachlasses nach Josef R. eingeantwortet. Die beiden Letztgenannten sind auf Grund eines Erbübereinkommens mit ihrer Mutter je zur Hälfte des Nachlasses ihres Vaters Emanuel R., also zu je einem Viertel der ganzen Liegenschaft, grundbücherliche Eigentümer geworden. Im Verlassenschaftsverfahren nach Josef R. wurde der reine Nachlaß (nach Abzug der Passiven) mit 23.168 S 97 g bewertet. Die Rückzahlung der zweitrangigen Hypothek war erforderlich, weil sonst die Zwangsversteigerung der Liegenschaft gedroht hätte. Adolf R. war im Jahr 1958 in einer gesundheitlich schlechten Verfassung und hat deshalb seinen Anspruch hinsichtlich aller aus Anlaß der Rückstellung der Liegenschaft verausgabten Beträge seinem Sohn, dem nunmehrigen Kläger, zediert.
Der Kläger begehrt daher von Myra R. mit der vorliegenden Klage ein Viertel des von ihm ausgelegten Betrages, somit den Betrag von 12.959 S 61 g (51.838 S 44 g : 4) samt Anhang.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Der Einwand der Beklagten, daß sie zufolge der bedingt abgegebenen Erbserklärung nur bis zur Höhe des übernommenen Vermögens hafte, gehe deshalb ins Leere, weil die Forderung des Klägers im reinen Nachlaß nach Josef R. (23.168 S 97 g) volle Deckung finde.
Der dagegen von der Beklagten erhobenen Berufung wurde nicht Folge gegeben, wobei das Berufungsgericht die als mangelfrei befundenen Feststellungen des Erstgerichtes übernahm. Für die Haftungsgrenze des bedingt erbserklärten Erben sei der Wert zur Zeit der Einantwortung maßgebend. Nun begehe aber die Berufungswerberin hier insofern einen Fehler, als sie sich auf das Inventar in der Verlassenschaftssache nach ihrem Großvater Josef R. berufe. Sie habe nämlich nicht von ihrem Großvater unmittelbar geerbt, sondern erst auf dem Umweg über ihren Vater Emanuel R., der erst am 28. November 1957, also mehr als fünf Jahre nach ihrem Großvater, gestorben sei. Die Bewertung könne sich also nur nach dem im Verlassenschaftsverfahren nach Emanuel R. ermittelten Wert richten. Nun sei in diesem Verlassenschaftsverfahren das Hauptinventar zwar bereits am 19. Februar 1959 aufgenommen, die Einantwortungsurkunde aber erst am 31. August 1959 erlassen worden, so daß ein Wert am Tag der Erlassung der Einantwortungsurkunde nicht feststehe. Aber bereits am 19. Februar 1959 sei der reine Nachlaß nach Emanuel R. mit 82.167 S 51 g ermittelt worden, wovon die Hälfte, also 41.083 S 75 g, auf die Beklagte entfalle. Daß der Wert der Verlassenschaft in der Zeit zwischen dem 19. Februar 1959 und dem 31. August 1959 verringert worden sei, könne nicht angenommen werden. In diesem Betrag finde die Forderung des Klägers aber jedenfalls Deckung. Nun habe zwar das Erstgericht über den Wert des Nachlasses des Emanuel R. keine präzise Feststellung vorgenommen, sondern nur den Wert des Nachlasses nach Josef R. festgestellt, doch habe es immerhin ausgeführt, daß die Forderung des Klägers in dem von der Beklagten übernommenen Vermögen Deckung finde, was aber nur dann richtig sei, wenn das Hauptinventar nach Emanuel R. zugrunde gelegt werde.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten Folge, hob die vorinstanzlichen Urteile auf und verwies die Sache an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Die dem Adolf R. erteilte Vollmacht erstreckte sich auch auf den Sterbefall des Machtgebers, so daß der Vater des Klägers schon nach Inhalt der Vollmacht sowohl berechtigt als auch verpflichtet war, das ihm aufgetragene Geschäft zu vollenden (§ 1022 ABGB.), und zwar ohne Rücksicht darauf, ob inzwischen ein weiterer Erbgang stattgefunden hat. Die aus diesem Mandat dem Auftraggeber bereits entstandenen Rechte und Pflichten gingen daher mit seinem Tod auf seine Erben (GlU. 14.700 = AmtlSlg. 289), in weiterer Folge auf seine Erbeserben über. Bei der Entscheidung der Frage, wie weit die Haftung der bedingt erbserklärten Erben des Auftraggebers Josef R. für die bereits entstandenen Verbindlichkeiten aus dem Mandat gemäß den §§ 802, 821 ABGB. eine Begrenzung erfährt, ist entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes lediglich vom Nachlaßvermögen des Josef R. auszugehen, da dessen Nachlaß mit Einantwortungsurkunde vom 30. April 1959 zur Hälfte der Verlassenschaft nach dem nachverstorbenen Sohn Emanuel R., repräsentiert durch seine Witwe und seine beiden Töchter Myra (Beklagte) und Esther R., eingeantwortet wurde, demnach die Nachlaßhälfte an die Letztgenannten als Transmissare des Emanuel R. gefallen ist (§ 537 ABGB.). Wenngleich die der Verlassenschaft nach Emanuel R. eingeantwortete Liegenschaftshälfte auch den alleinigen Gegenstand der Abhandlung nach Emanuel R. bildete, so ist doch der für die Haftungsbegrenzung der bedingt erbserklärten Erben maßgebende Zeitpunkt der Einantwortung in den Abhandlungen nach Josef R. und nach Emanuel R. ein verschiedener (30. April 1959 und 31. August 1959), so daß die rechtsirrige Auffassung des Berufungsgerichtes hinsichtlich der Heranziehung der Ergebnisse des Verlassenschaftsverfahrens nach Emanuel R. auch zu einem praktisch unrichtigen Ergebnis führen könnte. Da der Beklagten der Nachlaß ihres Vaters Emanuel R. nach der gesetzlichen Erbfolge, lediglich zu drei Achteln einzuantworten war, wäre der ihrer ideellen Erbquote entsprechende, auf sie entfallende Vermögenswert allerdings nicht ein Viertel, sondern lediglich drei Sechzehntel (drei Achtel der Hälfte) des Nachlaßvermögens nach Josef R. Da jedoch auf Grund eines Erbübereinkommens zwischen der Witwe und den beiden Töchtern des Emanuel R., auf welches schon in der Einantwortungsurkunde vom 31. August 1959 Bezug genommen wurde, der nur aus der Liegenschaftshälfte bestehende Nachlaß nach Emanuel R. allein an dessen beide Töchter Myra und Esther R. zu gleichen Teilen fiel, hat die Beklagte Myra R. in Ansehung jenes ihr zugefallenen Teiles des Nachlaßgegenstandes, der ihren Erbteil übersteigt, nicht von Todes wegen, sondern nach § 1409 ABGB. unter Lebenden erworben (vgl. Klang 2. Aufl. III 1058). Da es sich um eine zum Vermögen des Erblassers Josef R. gehörige Verbindlichkeit handelt, die sich allein auf diesen Nachlaßgegenstand bezieht, begann ihre Haftung in Ansehung des ihre Erbquote übersteigenden Teiles nicht schon mit der Einantwortung, sondern erst mit der Übereignung des Liegenschaftsviertels durch bücherliche Einverleibung laut Beschluß des Bezirksgerichtes Döbling vom 9. Februar 1960. Die Beklagte hat daher innerhalb der sich aus der Rechtswohltat des Inventars ergebenden Begrenzung, somit nach Verhältnis des ihr zustehenden Vermögenswertes von insgesamt einem Viertel des Nachlaßvermögens nach Josef R., für die Verbindlichkeit aus dem Mandat zu haften. Für diesen auf Grund der Ergebnisse des Abhandlungsverfahrens nach Josef R. zu ermittelnden anteiligen Vermögenswert erscheint jedoch nicht allein der auf den Todestag des Erblassers abgestellte reine Nachlaßwert in der Höhe von 23.168 S 97 g, dessen vierter Teil für die Klageforderung keine Deckung böte, maßgebend, sondern es sind auch Veränderungen des Nachlaßvermögens in der Zeit zwischen der Inventur und der Einantwortung (30. April 1959) zu berücksichtigen (GlUNF. 2142). Das Erstgericht wird daher alle etwaigen Veränderungen des Nachlaßvermögens nach Josef R., welche zwischen der auf den Todestag des Erblassers abgestellten Inventur und der mit Beschluß vom 30. April 1959 erfolgten Einantwortung auf der Aktiv- und Passivseite eingetreten sind, festzustellen haben. Erst auf Grund dieser Feststellungen kann der dem anteiligen Vermögenswert der Beklagten entsprechende Bruchteil der Schuld, für welche die Beklagte persönlich zu haften hat, ermittelt werden.
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