Spruch:
Kein Vertretungsrecht des Prozeßbevollmächtigten nach Ablauf der 14tägigen Frist des § 36 Abs. 2 ZPO. im Verhältnis zum Machtgeber.
Entscheidung vom 13. Juni 1961, 6 Ob 227/61.
I. Instanz: Bezirksgericht Feldkirch; II. Instanz: Landesgericht Feldkirch.
Text
Das Erstgericht verurteilte den Beklagten zur Zahlung der der Höhe nach außer Streit gestellten Vertretungskosten im Verfahren Cg 100/59 des Landesgerichtes Feldkirch an der Kläger im Betrag von 4317 S 24 g s. A., wobei es davon ausging, daß der Beklagte dem Kläger unmittelbar Vollmacht und Auftrag zur Prozeßführung im vorerwähnten Verfahren erteilt habe. Es vertrat die Auffassung, daß der Kläger mangels Bestellung eines anderen Rechtsanwaltes durch den Beklagten ungeachtet der Vollmachtskündigung auch genötigt gewesen sei, bei der Verhandlungstagsatzung vom 4. Februar 1960 für den Beklagten einzuschreiten, wodurch er ihn vor Nachteilen bewahrt, insbesondere aber eventuelle Säumnisfolgen von ihm abgewendet habe.
Das Berufungsgericht gab der dagegen vom Beklagten erhobenen Berufung teilweise Folge und änderte das Ersturteil dahin ab, daß der Beklagte lediglich zur Zahlung eines Betrages von 3042 S 06 g s. A. (Gesamtkostenbetrag abzüglich der für die Mitteilung vom Erlöschen der Vollmacht sowie für die Intervention bei der mündlichen Streitverhandlung vom 4. Februar 1960 verzeichneten Kosten) unter Abweisung des Mehrbegehrens von 1275 S 18 g s. A. schuldig erkannt wurde.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Bei der rechtlichen Beurteilung ist davon auszugehen, daß nach Ablauf der 14tägigen Frist ab Kündigung der Vollmacht (§ 36 Abs. 2 ZPO.) der bisherige Vertreter im Innenverhältnis gegenüber der Partei zum Handeln weder verpflichtet noch berechtigt ist, so daß ihn auch für Rechtsnachteile, die durch seine Untätigkeit verursacht wurden, der Partei gegenüber keine Haftung mehr trifft. Zu Unrecht versucht der Kläger aus dem Inhalt der vorliegenden Korrespondenz sowie aus der Tatsache, daß diese Schreiben des Klägers vom Beklagten unbeantwortet blieben, das konkludente Zustandekommen eines Vertrages zur weiteren Vertretung abzuleiten. Schon aus dem Schreiben des Klägers vom 6. Februar 1960 ergibt sich eindeutig, daß bis zur Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 4. Februar 1960 eine Genehmigung des Beklagten zur Weitervertretung durch den Kläger weder eingeholt noch erteilt wurde, da lediglich das Schreiben vom 7. August 1959, auf welches Bezug genommen wird, vorangegangen war. Letzteres Schreiben enthält jedoch im wesentlichen nur die Erklärung des Klägers, daß er die ihm vom Beklagten erteilte Prozeßvollmacht wegen einer zu besorgenden Interessenkollision kundige. Es läßt daher auch die Tatsache, daß dieses Schreiben unbeantwortet blieb, noch keineswegs den Schluß zu, daß eine Fortsetzung des Auftragsverhältnisses stillschweigend zustande gekommen sei. Diese Annahme würde auch dem in den späteren Schreiben vom Kläger selbst eingenommenen Standpunkt widersprechen, daß das Vollmachtsverhältnis zwischen den Streitteilen endgültig erloschen sei. Die vom Kläger für die Intervention bei der Streitverhandlung vom 4. Februar 1960 im Verfahren Cg 100/59 angesprochene Entlohnung könnte daher nur aus dem Titel einer Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 1035 ff. ABGB.) begehrt werden. Nun läßt jedoch der festgestellte Sachverhalt weder eine Beurteilung dahingehend zu, daß der Kläger seine Tätigkeit bei der Verhandlungstagsatzung vom 4. Februar 1960 im Notfall zur Abwendung eines bevorstehenden Schadens des Beklagten, noch daß er sie zu dessen klaren und überwiegendem Vorteil entfaltet habe (§§ 1036, 1037 ABGB.). Aus dem in das Beweisverfahren einbezogenen Akt C 100/59 des Landesgerichtes Feldkirch geht hervor, daß auch im Fall der Versäumung der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 4. Februar 1960 durch den Beklagten und einer Antragstellung der erschienenen Prozeßgegnerin gemäß § 399 Abs. 1 ZPO. das bereits in der Klagebeantwortung von beiden in diesem Verfahren Beklagten erstattete Vorbringen sowie die dort angebotenen Beweise zu berücksichtigen gewesen waren. Daß zur Stützung des Prozeßstandpunktes des Beklagten die Erstattung eines weiteren Vorbringens erforderlich war, von welchem er im Fall einer Kontumazierung gemäß § 399 ZPO. ausgeschlossen gewesen wäre, wurde vom Kläger selbst, nicht behauptet. Es liegt daher auch mit Rücksicht auf eine etwa bestehende, nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilende Gefährdung des Beklagten kein Fall einer notwendigen Geschäftsführung im Sinne des § 1036 ABGB. vor, der den Kläger veranlassen konnte, zur Abwendung eines bevorstehenden Schadens des Beklagten eine Vertretertätigkeit für diesen bei der Verhandlungstagsatzung vom 4. Februar 1960 zu entfalten. Dies in der Erwägung, daß die prozessuale Lage des Beklagten ungeachtet einer Versäumung der Tagsatzung eine Verschlechterung nicht erfahren hätte. Schon aus dem Gesagten ergibt sich, daß mangels eines durch die Tätigkeit des Klägers herbeigeführten klaren, überwiegenden Vorteiles des Beklagten umso weniger der Fall einer Geschäftsführung zu dessen Nutzen im Sinne des § 1037 ABGB. angenommen werden kann, zumal die Voraussetzungen der letzteren Gesetzesstelle nur dann vorgelegen wären, wenn der Vorteil vom Standpunkt des Geschäftsherrn außer Zweifel stunde (JBl. 1958 S. 309).
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